Weil er als Papst der Rechtsnachfolger von Benedikt XVI. sei

Initiative: Franziskus soll in Verfahren wegen Missbrauchs eintreten

Veröffentlicht am 09.01.2023 um 11:51 Uhr – Lesedauer: 

Traunstein ‐ Entgegen ursprünglicher Aussagen des Gerichts geht das gegen den verstorbenen Benedikt XVI. gestartete Klageverfahren in Traunstein weiter. Eine Missbrauchsinitiative fordert nun Papst Franziskus auf, in das Verfahren einzutreten.

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Nach dem Tod des früheren Papstes Benedikt XVI. hat die "Initiative Sauerteig" Papst Franziskus dazu aufgefordert, in das laufende, ursprünglich gegen Benedikt XVI. gestartete Klageverfahren vor dem Landgericht Traunstein einzutreten. "Ihre vorbehaltlose Mitwirkung bei einer gerichtlichen Klärung wäre ein bedeutender Schritt, der die verheerende Tabuisierung und Verharmlosung des Missbrauchsausmaßes an der Wurzel packt und pädokriminellen Strukturen innerhalb des Klerus die Deckung entzieht", schrieben die Verantwortlichen der Initiative, die sich für die Aufarbeitung des kirchlichen Missbrauchsskandals im oberbayerischen Garching an der Alz einsetzt, am Wochenende in einem Offenen Brief an Franziskus. Die Initiative begründete ihren Vorstoß damit, dass Franziskus der "Rechtsnachfolger von Benedikt XVI" sei. Zuerst hatte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) über den Brief berichtet.

Verfahren richtet sich auch gegen andere Verantwortliche

Ein mutmaßliches Missbrauchsopfer will in dem Verfahren gerichtlich klären lassen, ob Joseph Ratzinger, der spätere Benedikt XVI., als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) sowie weitere Verantwortliche durch ihr Handeln oder Unterlassen Taten vertuscht und so weitere Taten möglich gemacht haben und deshalb zu Schadensersatz verpflichtet sind. Dazu strengte der Mann eine Feststellungsklage in Traunstein an, die am 28. März 2023 mündlich verhandelt werden sollte. Die Klage richtet sich auch gegen Ratzingers Nachfolger als Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter (1982-2008), gegen den mutmaßlichen Täter selbst sowie das Erzbistum München und Freising als solches.

Der Kläger gibt an, vom früheren Garchinger Pfarrer Peter H. missbraucht worden zu sein. H. kam 1980 aus Essen nach München und sollte sich dort nach einschlägigen Vorwürfen zunächst einer Therapie unterziehen. Bald aber wurde er wieder in der Seelsorge eingesetzt, auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs durch das Amtsgericht Ebersberg im Jahr 1986. Erst 2010 wurde H. in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Seit 2020 lebt er unter Auflagen wieder im Bistum Essen, im Juni 2022 wurde er aus dem Klerikerstand entlassen. Der Fall Peter H. nimmt im Münchner Missbrauchsgutachten, das im Januar 2022 vorgestellt wurde, großen Raum ein. Die Anwälte äußerten in der Untersuchung Zweifel an der Behauptung von Benedikt XVI., er habe 1980 nichts von der Vorgeschichte des Priesters gewusst. Der emeritierte Papst blieb jedoch stets bei seiner Darstellung. Auch im Traunsteiner Gerichtsverfahren hatte er seine Verteidigungsbereitschaft bereits angezeigt und nach unbestätigten Medienberichten eine namhafte Kanzlei mit seiner Vertretung beauftragt.

Gericht korrigiert eigene Aussagen zum weiteren Verfahren

Kurz nach dem Tod des emeritierten Papstes hatte das Landgericht Traunstein zunächst erklärt, dass die Feststellungsklage gegen Benedikt XVI. nicht mehr verhandelt werde. Diese Angabe korrigierte das Gericht jedoch wenige Tage später. Zwar sei Benedikt XVI. nach seinem Tod an Silvester "nicht mehr Partei des Verfahrens". Kraft Gesetzes träten aber automatisch seine Erben ins Verfahren ein. Dieses sei damit nicht unterbrochen. Eine Sprecherin verwies zudem darauf, dass der Verstorbene einen Prozessbevollmächtigten habe; dieser könne nun eine Unterbrechung beantragen. Ob das geschehe und welche Folgen das für den Termin für die mündlichen Verhandlung hätte, "kann derzeit noch nicht beurteilt werden".

Vor wenigen Tagen hatte bereits der Rechtsanwalt des Klägers die Auffassung vertreten, Papst Franziskus als Rechtsnachfolger von Benedikt XVI. in dem Verfahren anzusehen, da der Verstorbene den Vatikan als Erbe eingesetzt habe. "Nun muss Papst Franziskus entscheiden, ob er sich hinter der Immunität versteckt oder ob er der Wahrheitsfindung Geltung verschafft", so Anwalt Andreas Schulz gegenüber Correctiv, dem Bayerischen Rundfunk (BR) und der "Zeit". Für das Verfahren habe Franziskus nun die Möglichkeit, die Archive des Vatikan zu öffnen und damit für Transparenz zu sorgen. Einblicke in die geheimen Vatikanakten könnten die Verantwortlichen für die Vertuschung der Missbrauchsfälle klar benennen. (stz)