Hitzige Debatte um Liturgie-Brief der Schweizer Bischöfe
Wer dachte, nach der Beerdigung von Benedikt XVI. stünden ruhige Tage bevor, sieht sich getäuscht. In der katholischen Schweiz kocht es wie schon lange nicht mehr. Manche sprechen von einem pietätlosen Timing: Ausgerechnet am Tag des Requiems von Benedikt XVI. am Donnerstag verschickten die Bischöfe von Basel, Chur und St. Gallen an ihre Seelsorgenden einen zweiseitigen Brief.
Die Botschaft: Bitte haltet euch an die liturgischen Regeln! Denn: "Die Gläubigen haben ein Recht auf Gottesdienste, die den Regeln und Formen der Kirche folgen." Die Bischöfe denken dabei besonders an die Eucharistiefeier sowie die Krankensalbung – beide Sakramente können nur von Priestern gespendet werden. "Es geht hier nicht um einen blinden Gehorsam und schon gar nicht um die Förderung eines patriarchalen Klerikalismus, sondern um die Überzeugung, dass Priester im Dienst und im Vollzug der Sakramente sichtbar machen, dass Jesus Christus selbst in und durch die Sakramente wirkt", heißt es in dem Schreiben.
Hintergrund des Briefes sind zwei Vorfälle im vergangenen Jahr. Im August wurde die Seelsorgerin Monika Schmid in den Ruhestand verabschiedet. Die liberale Theologin hatte im Vorfeld angekündigt, beim Abschlussgottesdienst zu konzelebrieren. Schließlich habe sie auch in der Vergangenheit immer wieder Messen gefeiert. "Bei uns ist es normal geworden", erklärte sie. "Jemand von außen fragt sich vielleicht, ob ich dazu die Erlaubnis habe. Ich frage nicht mehr danach, ich versuche, das umzusetzen, was ich von Jesus verstanden habe. Er sagt: Tut dies zu meinem Andenken."
Theologin: Habe schon einmal gegen Kirchenrecht verstoßen
Der zweite Vorfall betrifft das Bistum St. Gallen. Im Schweizer Fernsehen gab die Theologin Charlotte Küng-Bless an, schon einmal gegen das Kirchenrecht verstoßen zu haben. Konkret ging es um eine Krankensalbung.
Zwar stellte sie später klar, dass sie keine Krankensalbung im kirchenrechtlichen Sinne gespendet habe. Es sei um ein Salbungsritual gegangen, das von der katholischen Tradition geprägt sei. Eigentlich habe sie einen Priester rufen wollen – doch die Familie wollte die Seelsorgerin, zu der sie ein Vertrauensverhältnis haben. Küng-Bless beruft sich auf Papst Franziskus, der Hirten bei den Menschen wolle.
Die oberste Laienvertreterin des Kantons Zürich, die Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding, wertet das Schreiben als "grotesk". "Ich weiß gar nicht, wer diesen Rüffel der Bischöfe überhaupt ernstnehmen kann. Haben sie das in vorauseilendem Gehorsam tatsächlich selbst geschrieben – oder wurde es ihnen von Rom diktiert?" Besonders störe sie sich an der Aussage der Bischöfe, Frauen sollten andere liturgische Formen pflegen, etwa "die Stille". Für sie klinge das zu sehr nach Paulus' Forderung, die Frau solle in der Gemeinde schweigen.
Kein Verständnis für den Brief der Bischöfe hat auch die mittlerweile pensionierte Seelsorgerin Monika Schmid. Sie teilte mit: "Liebe Bischöfe, wenn ihr mit solcher Akribie wie euer Einhalten der Regeln in der Liturgie die ganzen Missbrauchsfälle angegangen wäret, wäre einiges wohl anders gelaufen und die Opfer würden sich heute ernst genommen fühlen."
In den Streit hat sich auch die oberste Protestantin der Schweiz eingeschaltet, Rita Famos. Normalerweise gilt in der Schweizer Ökumene die Regel, dass sich Reformierte nicht in innerkatholische Probleme einmischen und umgekehrt.
Rückenwind aus Rom
Da sich die Bischöfe in ihrem Brief allerdings auf einen "ökumenischen Konsens" berufen, wonach es für das Hochgebet eine Ordination brauche, antwortete Famos: "Nirgendwo wird patriarchaler Klerikalismus sichtbarer als in der römisch-katholischen Liturgie." Zwar verlangten fast alle Kirchen zum Vorsitz von Abendmahl und Eucharistie eine Ordination oder Priesterweihe. Allerdings gewähre eine Mehrheit der reformierten und alt-katholischen Kirchen diese auch den Frauen.
Unterdessen erhalten die Schweizer Bischöfe Rückenwind aus Rom. Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, der von 1995 bis 2010 Bischof von Basel war, will den Brief seiner Mitbrüder nicht als "Rüffel" verstanden wissen: "Die Deutschschweizer Bischöfe haben Essentials des katholischen Glaubens in Erinnerung gerufen. Das ist ihr Recht und ihre Pflicht; und sie haben dies in einer sensiblen Weise getan", äußerte er gegenüber kath.ch.
Auf Zeigefinger von oben reagieren die Eidgenossen jedoch meistens allergisch. So manche Katholikinnen und Katholiken prophezeien, dass die Bischöfe mit ihrem Schreiben das Gegenteil erreichen könnten, was sie eigentlich wollten.
Der Autor
Raphael Rauch ist Redaktionsleiter des Schweizer KNA-Partnerportals "kath.ch".