Hilberath: Kardinal Pell hat Synodalität nicht verstanden
Der emeritierte Tübinger Dogmatiker Bernd Jochen Hilberath hat deutliche Kritik am posthum veröffentlichten Aufsatz von Kardinal George Pell zum weltweiten synodalen Prozess geübt. "Kardinal Pell hat Synodalität nicht verstanden", sagte Hilberath in einem Interview mit dem Schweizer Internetportal "kath.ch" (Freitag). Pells Schreiben bezeichnete er als "völlig daneben" und "intellektuell arm".
Der am Dienstag verstorbene Kardinal George Pell hatte in einem kurz vor seinem Tod geschriebenen und am Mittwoch veröffentlichten Aufsatz die von Papst Franziskus ausgerufene kommende Weltsynode zum Thema Synodalität scharf kritisiert. Das Projekt bezeichnete er als einen "toxischen Alptraum". Das vom Vatikan veröffentlichte Arbeitspapier sei "einer der inkohärentesten Texte, der je aus Rom verschickt wurde". Das Schreiben sei nicht nur "in neomarxistischem Jargon verpackt", sondern "feindselig gegenüber der apostolischen Tradition". Grundlegende christliche Lehren würden ignoriert. Zudem kritisierte der verstorbene Kurienkardinal den Generalrelator der Synode, Kardinal Jean-Claude Hollerich. Dieser habe grundlegende Lehren der Kirche zur Sexualität abgelehnt, da sie der modernen Wissenschaft widersprächen.
Kein "in Stein gemeißeltes Lehramt"
"Das ist weder eine intelligente noch eine wohlwollende Interpretation des Arbeitsdokuments des synodalen Prozesses, sondern eine Abrechnung", sagte Hilberath in Bezug auf den Artikel. Pell ziele mit seiner Kritik zwar auf Kardinal Hollerich, meine aber wohl eher Franziskus. Der weltweite synodale Prozess werde sich von dieser Kritik nicht beeindrucken lassen und weitergehen.
Synodalität bedeute, das Evangelium im Hier und Jetzt zu deuten und neue Antworten zu finden. Es gebe kein "in Stein gemeißeltes Lehramt", so Hilberath. "Es gibt Bischöfe, die meinen, mit der Bischofsweihe bekämen sie die Kriterien zur Wahrung der apostolischen Tradition eingepflanzt." Sie müssten jedoch lernen, dass der Glaube den theologischen Austausch und die Konfrontation mit der Welt von heute brauche, betonte der Dogmatiker.
"Gewisse Kreise" in der Kirche würden seit dem Ersten Vatikanischen Konzil jedoch das Bild einer monolithischen Kirche bemühen. Dies entspreche jedoch nicht der Wahrheit. "Vielfalt gehört per se zum Katholizismus", so Hilberath. "Selbst in der Neuzeit, als Rom Uniformität und Einheitlichkeit anstrebte, gab es in Wirklichkeit immer ganz viel Vielfalt." (cbr)