In Wiesbaden trifft sich der Fakultätentag

Ärger mit Rom, wenige Studierende: Schwere Zeiten für die Theologie

Veröffentlicht am 19.01.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Wiesbaden ‐ Schwere Zeiten für die wissenschaftliche katholische Theologie: wenige Studierende und Promovierende, dafür viele Differenzen mit Papst und Bischöfen. Nun trifft sich die Szene in Wiesbaden. Der Fakultätentag dürfte spannend werden.

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Der wissenschaftlichen katholischen Theologie in Deutschland bläst der Wind eisig ins Gesicht. Wenn sich der Katholisch-Theologische Fakultätentag (KThF) bei seiner Jahresversammlung von Donnerstag bis Samstag in Wiesbaden mit der Frage befasst, warum sich immer weniger junge Menschen für ein theologisches Vollstudium entscheiden, dann ist das nur ein Problem unter vielen – aber ein ganz zentrales.

Ein Trend ist, dass die allermeisten ein Lehramtsstudium absolvieren – um später Vater Staat und nicht Mutter Kirche als Dienstherren zu haben. Die angehenden Pädagogen halten zwar insgesamt die Theologen-Zahl hoch, während sich gleichzeitig die Zahl derer, die in ein Vollstudium eingeschrieben sind, innerhalb eines Vierteljahrhunderts auf rund 2.500 halbiert hat. Und die Summe derer, die den Priesterberuf anstreben, hat mit rund 200 einen historischen Tiefststand erreicht.

Für diese Studierendenzahlen braucht es aber nicht die rund 50 Fakultäten und Institute, die der KThF repräsentiert. Vor allem benötigt es keine mit vielen Planstellen ausgestatten Fakultäten, die den ganzen Kanon theologischer Disziplinen umfassen, sondern kleinere Institute, die mit wenigen Lehrstühlen auskommen, aber für die Lehrerausbildung ausreichen. Die Länder, die die staatlichen Angebote finanzieren, wissen das. Fächer wie Kirchenrecht, Liturgie und Sozialethik können bei Sparprozessen unter die Räder kommen, weil sie nur für angehende Volltheologen notwendig sind. Verstärkt wurden solche Sorgen durch die Ankündigung der Bischöfe, die Priesterausbildung zu zentralisieren. Auch bei dieser Frage ist unklar, wie die Entwicklung weitergeht und was das für die Universitäts-Theologie bedeutet.

Weniger Promovierende

Als Konsequenz der Studierendenzahlen sinkt beständig die Zahl derer, die eine Promotion anstreben. Die Frauenquote darunter ist ganz bescheiden. Noch weniger Nachwuchstheologen habilitierten sich – 2020 waren es gerade mal acht in ganz Deutschland, ein Jahr davor neun. Diese Zahlen sind viel zu gering, um freie Lehrstühle qualitativ gut zu besetzen. Der Sozialethiker Bernhard Emunds von der Jesuiten-Hochschule in Frankfurt Sankt Georgen gilt als Experte für statistische Entwicklungen in der katholischen Theologie. Er will bei der Jahrestagung die neusten Zahlen vorlegen. Dass er von einer Trendumkehr sprechen wird, gilt als ausgeschlossen. Doch nicht nur diese Zahlen drücken.

Auch die Pläne des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki zur Errichtung einer neuen theologische Hochschule stören den Fakultätentag. Dessen Vorsitzende Johanna Rahner betont, dass Woelki "mit seinem Vorgehen der Empfehlung des deutschen Wissenschaftsrates widerspricht, das Seelsorgepersonal an staatlichen Hochschulen auszubilden, um die jungen Theologen ganz bewusst dem Gespräch mit Politik, Gesellschaft und anderen Wissenschaften auszusetzen". Für Rahner setzt Woelki "ein falsches Zeichen" – gegenüber der ganzen Wissenschaftslandschaft.

Die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner
Bild: ©KNA/Fabian Mondl

Die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner ist die Vorsitzende des Fakultätentags.

Ungeklärt ist zudem, wie mit dem römischen Schreiben Veritatis gaudium umgegangen wird. Papst Franziskus wollte damit 2017 weltweit Normen für Universitäten und Fakultäten regeln. Allerdings widerspricht manches dem deutschem Universitätsrecht – etwa weil nach den römischen Vorstellungen der Vatikan die Wahl eines Dekans oder einer Dekanin bestätigen müsste. Deutsche Interessen gegenüber den römischen vertreten müsste ausgerechnet Woelki, weil er die zuständige Kommission der Bischofskonferenz leitet.

Vorlage unbeantwortet

Entsprechend spröde beantwortet Rahner die Frage, wie es weitergeht: "Wir haben eine Änderungsvorlage zur Anpassung an die deutschen Bedingungen formuliert, aber die ist bisher unbeantwortet." Die turnusgemäß nach drei Jahre aus dem Amt scheidende KThF-Chefin räumt in diesen Zusammenhängen Ohnmachtserfahrungen ein und kritisiert: "Immer noch läuft es in solchen Fällen so, dass Argumente keine Rolle spielen und wir rechtlich keine Mittel haben."

Trotz alledem bleibt für sie katholische Theologie "eines der spannendsten Studienfächer". Es gehe um Kompetenzen für die verschiedensten Bereiche. Und: "Wer sensibel ist für gesellschaftliche Entwicklungen und Religion als Faktor ernst nimmt, wer sich für interkulturelle Kompetenz interessiert – auch der ist bei uns richtig." Auch wenn in der Bundesrepublik die Zeit vorbei zu sein scheint, in der Figuren wie Hans Küng vom UN-Generalsekretär zur Rede vor den Vereinten Nationen eingeladen werden und Theologen eine wichtige Rolle in Gesellschaftsdebatten einnehmen – das wissenschaftliche Image hierzulande ist sehr gut.

Das zeigt die Vernetzung an den Universitäten, und das spiegelt sich auch im Interesse junger Wissenschaftler aus aller Welt wider, die theologische Doktorarbeit in der Bundesrepublik zu schreiben. "Unser Problem aktuell ist die Außenwirkung", sagt Rahner. "Wir müssen erklären, dass Theologiestudium und katholische Kirche zwei verschiedene Dinge sind." Ob das verstanden wird, das ist die andere Frage.

Von Michael Jacquemain (KNA)