Viele Seiten des Miteinanders
1896 von den "Schwestern vom armen Kinde Jesus" gegründet, ging die katholische Mädchenschule nach einer wechselvollen Geschichte 1991 in die Trägerschaft des Erzbistums Köln über. Gut zehn Jahre später sorgte Schulleiterin Birgit Heinen mit einem völlig neuen pädagogischen Konzept für Aufsehen. Unterstützt und wissenschaftlich begleitet von der Diözese krempelte sie die Schule um und machte daraus die erste bi-edukative Einrichtung Deutschlands.
Bis zur neunten Klasse werden hier nun Schülerinnen und Schüler getrennt unterrichtet. Die Oberstufe besuchen sie dann gemeinsam. "Die Umstellung war vor allem akustisch zu bemerken", sagt der stellvertretende Schulleiter Bernhard Boch schmunzelnd. "Es wurde naturgemäß lauter und lebhafter in den Klassenräumen und auf den Gängen." Jungen zu unterrichten sei anders, als Mädchen zu unterrichten. "Eine Stunde in einer Jungenklasse ist eher anstrengend und herausfordernd, bei den Mädchen herrscht eher eine ruhige Unterrichtsatmosphäre vor."
Jungen reagieren oft anders als Mädchen
"Nur auf den ersten Blick", wirft Schulleiterin Heinen ein, denn unterschwellig passiere bei den Mädchen eine Menge. Wie groß der Unterschied sei, zeige eine Geschichte: "Einmal saß ein Mädchen hier, völlig aufgelöst, weil sich ihre beste Freundin von ihr sich vor einem halben Jahr abgewandt hatte und sie seither triezte. Ihre Mutter holte sie ab. Einige Zeit später kam ein Junge. Auch er wollte nach Hause, sagte aber nicht, warum. Es hatte wohl in der Pause Ärger gegeben. Plötzlich kam sein Kontrahent herein, ging auf ihn zu und reichte ihm wortlos die Hand. Damit war die Sache vergessen und der Junge ging wieder in den Unterricht."
Neben der Kommunikation unterscheide sich auch die Art zu lernen und mit neuen Inhalten umzugehen, berichten die beiden Pädagogen aus ihrer Praxis. "Wir tragen dem hier Rechnung, indem wir Jungen und Mädchen bis zur neunten Klasse anders unterrichten und der Erfolg gibt uns Recht", sagt Heinen. "Wir erleben es selbst und auch die begleitende Studie des Bielefelder Psychologen Rainer Dollase zeigt: Die Mädchen gehen bei uns selbstbewusster aus der Mittelstufe hervor und die Jungen sind in schulischen Leistungen, auch in den sprachlichen Fächern, gleichauf."
Trotzdem haben beide Geschlechter regelmäßigen Umgang miteinander, etwa bei den vielen AGs und Schulprojekten. Vier Bands, drei Chöre, ein Orchester und viele Tanzkurse gehören am Clara-Fey-Gymnasium zum Nachmittagsangebot. Aber auch Fußball, Tischtennis, Golf oder Robotik. Für den Kochkurs und die Newsletter-Redaktion interessieren sich Jungen und Mädchen gleichermaßen. "Bei vielen Angeboten merkt man aber deutlich, dass die Interessen auseinandergehen", so Boch. "Auf 180 Tänzerinnen, die auch größere öffentliche Auftritte haben, kommen zehn Jungs."
Ein besonderes Wir-Gefühl
Nun ist die Bi-Edukation ein besonderer, aber nicht der einzige Aspekt, der die Schule von staatlichen Schulen unterscheidet. "Was das Clara-Fey-Gymnasium ausmacht, ist das bewusste Wir-Gefühl", erklärt Sabine Mundt, die gerade aus der Schulmensa kommt, wo sie mit anderen Eltern für die Organisation der Mittagsverpflegung sorgt. Die Gemeinschaft zwischen den 750 Schülern, den 55 Lehrern und den Eltern sei an der katholischen Schule enger als anderswo.
"Wir sorgen dafür, dass Eltern und Lehrer immer wieder Gelegenheit zum Austausch haben, zum Beispiel beim traditionellen Herbstdinner, das die Eltern organisieren", erzählt Sabrina Gutsche, Vorsitzende der Elternvertretung. Umgekehrt nimmt die Schule die Eltern mit ins Boot. Neben dem Engagement der Eltern in der Mensa betreiben zum Beispiel 30 Mütter und Väter ehrenamtlich die Schulbibliothek, andere vermitteln Nachhilfe, ein Großteil engagiert sich im Förderverein.
Das ist die eine Seite des 'Wir': Die andere ist das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. "Für uns als katholische Schule steht die Gottesebenbildlichkeit des Menschen im Mittelpunkt. Daraus folgt, dass die Lehrer die einzelnen Schüler als Persönlichkeit wahrnehmen. Weil wir hier jeden Einzelnen im Blick haben, bemerken wir, wenn es bei jemandem nicht gut läuft", sagt die Schulleiterin, die jeden ihrer 750 Schüler kennt.
„Es ist grundsätzlich wichtig, dass alle zusammenarbeiten. Gerade, wenn es Unstimmigkeiten gibt, muss man darüber reden“
Zum Beispiel, wenn es um das Thema Mobbing geht. "Da gehen wir ganz schnell dazwischen", erklärt der stellvertretende Schulleiter Boch. In einem Fall von Cyber-Mobbing wurden die Eltern informiert und zusammen nach einer Lösung gesucht. Auch therapeutisch geschulte Beratungslehrer, der Schulseelsorger und jugendliche Streitschlichter helfen bei Problemen. "Es ist grundsätzlich wichtig, dass alle zusammenarbeiten. Gerade, wenn es Unstimmigkeiten gibt, muss man darüber reden", betont Heinen.
"Wir werden hier ernst genommen"
"Auch wenn schon mal gemeckert wird, das Verhältnis zu den Lehrern ist hier wirklich gut", sagt Schülersprecher Leonhard Haentjes. "Wir merken, dass wir ernst genommen werden." Clara Mowitz, ebenfalls Schülersprecherin, nickt: "Ja, die Dinge funktionieren hier einfach." Ob es um die Organisation einer Lesenacht geht oder um Sozialprojekte der Achtklässler. Eine Gruppe gestaltete ein Bild für ein Kinderkrankenhaus, eine andere ging zum Vorlesen ins Altenheim. "Die Kinder lernen auf diese Weise soziale Verantwortung zu übernehmen", so Heinen.
All diese schulischen Aktivitäten werden flankiert von täglichen Glaubensritualen: Morgens vor dem Unterricht wird gebetet, dreimal in der Woche findet eine Messe mit dem Schulseelsorger in der Schulkapelle statt. Auch Besinnungstage und Wallfahrten, Tauf- und Firmkatechesen gehören dazu. Die Schule ist aber nicht nur bei Katholiken beliebt. Rund 160 Bewerbungen kommen jährlich auf 90 Plätze. 75 Prozent der neu aufgenommenen Schüler müssen katholisch sein, schreibt das Erzbistum Köln vor. "Ob es diese Vorgabe noch lange geben wird, ist fraglich", sagt Norbert Keßler, als Schulrat der Diözese für 32 katholische Schulen zuständig. Gerade in Diaspora-Gegenden sei dieser Schnitt kaum zu halten.
Das Erzbistum investiert über Kirchensteuermittel viel in die einzelnen Schulen, auch in das Clara-Fey-Gymnasium. "Es vergeht kein Sommer, in dem hier nicht etwas getan wird", freut sich Heinen. Eine gewisse finanzielle Beweglichkeit hilft ihr, die Schule zu dem zu machen, was sie ist: "Wir können uns die Lehrer aussuchen, die wir einstellen. Das ist an staatlichen Schulen anders." Auf diese Weise teilt das Kollegium die gleichen Werte und Überzeugungen: "Die Zugewandheit zum Schüler, klare Regeln und Konsequenz sind für alle hier selbstverständlich."
Gerade weil das Clara-Fey-Gymnasium im Alltag mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat, wie andere Schulen auch - Jugendliche geraten auf die schiefe Bahn, Eltern trennen sich oder versterben, Schüler fühlen sich überfordert - ist es wichtig, an einem Strang zu ziehen. So versuchen die Lehrer, allen kleinen und großen Katastrophen mit Respekt, Achtsamkeit und Vertrauen zu begegnen. "Keine Seele wird hier zurückgelassen", so Heinen. "Uns ist sehr wichtig, den Jungen und Mädchen zu zeigen: Auch wenn ihr scheitert, seid ihr wertvoll."