Deutsche Bischöfe weiter auf Reformkurs – trotz Gegenwind aus Rom
Der Synodale Weg wurde von Vertretern der Zunft als "kirchenrechtliches Nullum" und "Beteiligungssimulation" beschrieben: ein erfundenes Gremium ohne Legitimation und Verbindlichkeit. Tatsächlich ist der Synodale Weg ein Vexierbild, das diesseits und jenseits der Alpen sehr verschieden aussieht und interpretiert wird. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing stellt in seiner für kirchliche Verhältnisse erstaunlich kämpferischen Erklärung die beiden Sichtweisen selbst nebeneinander: "Der Heilige Stuhl sieht die Gefahr einer Schwächung des bischöflichen Amtes – ich erlebe synodale Beratung geradezu als eine Stärkung dieses Amtes." Niemand stelle die Autorität des Bischofsamts in Frage, beteuert er.
Die Mehrheit der Diözesanbischöfe sieht das so. Von der römischen Intervention lässt sie sich nicht beirren: Der Synodale Ausschuss, das Vorbereitungsgremium zum Synodalen Rat, kommt und wird die Arbeit aufnehmen, versichert Bätzing. An der Vorbereitung werden sich aber wohl nicht alle Bischöfe beteiligen. Fünf von ihnen – Gregor Maria Hanke aus Eichstätt, Bertram Meier aus Augsburg, der Passauer Stefan Oster, der Regensburger Rudolf Voderholzer und der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki – haben die jüngste Intervention vielleicht nicht ausgelöst, aber doch in ihrer konkreten Form durch zwei Anfragen an den Heiligen Stuhl wesentlich geprägt: "Muss ich am 'Synodalen Ausschuss' teilnehmen, weil die Synodalversammlung dies so beschlossen hat?". Und: "Darf ich daran teilnehmen?".
Im Volltext: Vatikan-Brief und Erklärung von Bischof Bätzing
Nach einer erneuten Intervention aus dem Vatikan wollen die deutschen Bischöfe an der Einrichtung eines Synodalen Rats festhalten. "Der Synodale Rat, der durch den Synodalen Ausschuss vorbereitet werden soll", werde sich "entsprechend dem in der Beschlussfassung enthaltenen Auftrag innerhalb des geltenden Kirchenrechts bewegen", betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, in einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung. Der Synodale Ausschuss sei durch das römische Schreiben nicht infrage gestellt. Bätzing reagiert damit auf einen Brief der Kardinäle Pietro Parolin, Luis Ladaria und Marc Ouellet.
Auf diese Fragen reagiert das Schreiben aus Rom. Der von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und den Präfekten des Glaubensdikasteriums und des Bischofsdikasteriums, den Kardinälen Luis Ladaria und Marc Ouellet, unterzeichnete Brief, der am Montagabend von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) veröffentlicht wurde, stellt die Frage nach der Autorität der Bischöfe ins Zentrum: Vom Vatikan aus wirken die Rufe nach einer Synodalität, in der Laien und Bischöfe auf Augenhöhe zumindest darüber verhandeln, was Bischöfe dann frei selbst in Kraft setzen oder nicht, wie eine Schwächung des Bischofsamts. Es kann daher nicht überraschen, dass die Antwort auf die Frage nach dem Müssen ein Nein ist. Zur Frage nach dem Dürfen hält sich das Schreiben bedeckt. Formal ist es völlig korrekt, dass der Synodale Ausschuss, wie Bätzing schreibt, nicht in Frage gestellt wurde. Der Ausschuss wird nicht schon von vornherein als illegitim betrachtet, obwohl er auf eine aus Sicht Roms illegitime Struktur, den Synodalen Rat, hinarbeiten soll. Anscheinend hält man bewusst der kritischen Minderheit die Möglichkeit offen, auch innerhalb der Strukturen Opposition zu machen und vielleicht doch noch eine romkonforme Lösung zu finden.
Sakramentale Stellung des Bischofs in Gefahr
Theologisch unterfüttert wird die Ablehnung des Synodalen Rats in dem Schreiben aus Rom mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Bischofsamt. Das Zweite Vatikanum korrigierte in seinen Dokumenten die Schlagseite, die das Verhältnis zwischen Papst und Bischöfen durch das abrupt beendete und unvollendete Erste Vatikanum mit seinen Papstdogmen bekommen hatte und stärkte die Diözesanbischöfe ekklesiologisch. Zitiert wird in dem Schreiben aber bezeichnenderweise nicht das Dekret "Christus Dominus" über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche, in der diesen "jede ordentliche, eigenständige und unmittelbare Gewalt" versichert wird, die sie zur Ausübung ihres Hirtenamtes brauchen. Die allzu große Unabhängigkeit der deutschen Bischöfe ist aktuell eher suspekt. Stattdessen wird aus der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium der Abschnitt zitiert, der festhält, dass diese sakramental begründete Vollmacht "ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums" ausgeübt werden kann.
Beratung auf Augenhöhe kann es nur in der Gemeinschaft der Bischöfe geben. Die Grundkonzeption des vom Synodalen Weg anvisierten Synodalen Rates, in dem Bischöfe gemeinsam mit Laien Teil eines Gremiums sind, läuft dem zuwider – sooft man auch betont, dass damit nicht das Kirchenrecht und damit die dahinterliegende Ekklesiologie ausgehebelt werden soll. Sehr deutlich heißt es im Brief, dass die Sorge um die Sendung des Bischofs sich vor allem an der geplanten Zusammensetzung des Synodalen Rates analog der Synodalversammlung entzündet, in der die Bischöfe weniger als ein Drittel der Sitze haben und der mehr Laien als Kleriker angehören können. Dazu kommt, dass die Idee gemeinsam beschließender Synodalorgane dem Verständnis des Papstes von Synodalität zuwiderläuft, wie seine jüngste unter das Schlagwort der Synodalität gestellte Reform seines eigenen Bistums erneut gezeigt hat.
Die Beschlusstexte des Synodalen Wegs betonen das geltende Kirchenrecht als Rahmen. Wenn Bätzing formuliert, dass demnach "die Beschlüsse dieses Gremiums dieselbe rechtliche Wirkung haben wie die Beschlüsse der Synodalversammlung", dann bestätigt dies zunächst die Nullum-Diagnose: Der Synodale Rat kann tatsächlich nur Rat geben, nicht verbindlich entscheiden, und die beratenen Bischöfe sind frei darin, sich an diesen Rat zu binden und ihn umzusetzen oder nicht. Aus diesem Blickwinkel lässt sich die Sorge vom Tisch wischen, dass – wie es in der kritischen Vatikan-Erklärung aus dem Sommer hieß – "neue Formen der Leitung" verbindlich gemacht würden, weil schlicht keine Formen der Leitung geschaffen werden.
„Der "Synodale Rat" würde dann eine neue Leitungsstruktur der Kirche in Deutschland bilden, die sich über die Autorität der Deutschen Bischofskonferenz zu stellen und diese faktisch zu ersetzen scheint.“
Aus römischer Perspektive – und aus der der fünf Bischöfe, die sich an Rom gewandt haben – sieht das anders aus: Die Behauptung einer lediglich beratenden Konzeption der neuen institutionalisierten Synodalität verfängt dort nicht. Die Nullum-Diagnose wird offensichtlich nicht geteilt, zumindest nicht für den Synodalen Rat, wie er geplant ist. Nach dem Beschlusstext "Synodalität nachhaltig stärken", den die Synodalversammlung im vergangenen Herbst beschlossen hat, sollen die Beschlüsse des einzurichtenden Rats zwar auch nur die Rechtsqualität der Beschlüsse der Synodalversammlung haben, mithin weder die Diözesanbischöfe binden noch in universalkirchlichen Fragen den Charakter von Voten übersteigen. Seine Bezeichnung als "Beratungs- und Beschlussorgan", die Aufgabe, "Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen der Kirche und Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der Kirche" zu treffen, und die durch die Wahl der nicht-bischöflichen Mitglieder entstehende Legitimität scheinen aber im Vatikan ernst genommen zu werden.
Wirklich nur ein Nullum?
Und in der Tat: Warum so viel Aufwand, ein zu Teilen demokratisch legitimiertes Beschlussorgan einzurichten, wenn es am Ende doch nur wieder ein Nullum - also wirkungslos - sein soll? Auf einer rein faktisch-juridischen Ebene mag es das auch sein. Nicht übersehen darf man dabei aber auch die normative Kraft des Faktischen: Das scheinbare Nullum verspricht oder, je nach Perspektive, droht, Verbindlichkeit zu gewinnen. Ein Bischof mag noch so frei sein, den Rat für seinen Bereich abzulehnen. Gegen den moralischen Druck des Gremiums ist diese Freiheit aber viel schwerer auszuüben als ohne ihn. Auf Ebene der Bischofskonferenz sorgen die Mehrheitsverhältnisse angesichts des Abstimmungsverhaltens beim Synodalen Weg für eine noch größere Wahrscheinlichkeit, dass die Bestätigung der Beschlüsse des Synodalen Rats meist nur noch Formsache sein wird. Diese politische Analyse, nicht eine bloß kirchenrechtliche, macht die in Rom wahrgenommene Brisanz plausibel.
Umso mehr überrascht die klare Position, die Bischof Bätzing für die Mehrheit der Konferenz vertritt. Der Vorsitzende formuliert zunächst konziliant, dass es nun darum gehe, "dass wir noch viel intensiver über die Formen und Möglichkeiten von synodaler Beratung und Entscheidung nachdenken werden, um eine Kultur der Synodalität zu entwickeln". Er bedauert, dass es bei dem hitzigen Ad-limina-Besuch im November, bei dem dieselben Kardinäle schon mit deutlichen Worten versucht haben, den deutschen Bischöfen Einhalt zu gebieten, keine Gelegenheit gab, über "Inhalte und Zielsetzung synodaler Beratung auf allen Ebenen in der Kirche unseres Landes" zu sprechen. In der Sache ist Bätzing mit der Mehrheit im Rücken aber unbeirrt: Das synodale Miteinander muss fortgesetzt werden. Der Synodale Ausschuss wird kommen.
Dieser Grundtenor war bislang immer die Reaktion auf römische Interventionen. In mehreren Stufen kam immer stärkerer Gegenwind. Erst der Papstbrief zu Beginn des Synodalen Wegs, der so pastoral-blumig formuliert war, dass die deutliche Kritik als römischer Rückenwind und Ermutigung gelesen werden konnte. Später die zunächst absenderlose Erklärung des Heiligen Stuhls, die sich noch damit abtun ließ, dass zunächst niemand in Rom die Verantwortung dafür übernehmen wollte, und dass dort dem Wortlaut nach nur das gefordert wurde, was die Satzung des Synodalen Wegs ohnehin fordert, nämlich keine bindenden Beschlüsse zu treffen. Schließlich die Ansprachen von Parolin, Ouellet und Ladaria beim Ad-Limina-Besuch, die die Beschlusslage des Synodalen Wegs einer Generalkritik unterzogen. Die Veröffentlichung der Manuskripte von Ouellet und Ladaria eine Woche nach dem Besuch war eine weitere Eskalationsstufe angesichts des sonst eher diskreten Umgangs mit Verhandlungen zwischen Kurialen und Ortsbischöfen. Die Bischöfe hätten in Rom "hart in der Sache und verbindlich im Ton" diskutiert und dabei gespürt, "dass Dialog auf diese Weise gelingen kann und gelungen ist", lautete das offizielle Fazit von Bätzing zum Rapport in Rom.
Klares Verbot statt deutlicher Mahnung
Das Schreiben jetzt hebt die bisherigen Mahnungen auf eine verpflichtende Ebene: Die Unterzeichner stellen klar, "dass weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz haben, den 'Synodalen Rat' auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten". Unmittelbar danach heißt es im Brief, dass der Papst das Schreiben "in forma specifica" approbiert hat. Was in dieser besonderen Form durch den Papst bestätigt wurde, ist keine Entscheidung einer nachgeordneten Behörde mehr, die auf dem Rechtsweg angegangen werden könnte – die drei unterzeichnenden Kardinäle sprechen für die volle Amtsautorität des Papstes. An Eskalationsstufen bleibt jetzt wohl nur noch ein persönliches Machtwort von Franziskus übrig.
Die Antwort Bätzings zeigt, wie ernst es der Mehrheit der deutschen Bischöfe mit dem Synodalen Rat ist. Soviel Bereitschaft zur Konfrontation mit Rom gab es wohl zuletzt im Streit um die Schwangerschaftskonfliktberatung vor knapp 25 Jahren. Damals hatte Rom die Oberhand behalten: Alle Bischöfe bis auf den Limburger Franz Kamphaus schwenkten um in Gehorsam zum Papst, und schließlich musste auch Limburg aus der Beratung aussteigen, die Schwangeren straffreie Abtreibungen ermöglicht. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass die Bischöfe von ihrem Bekenntnis zum Synodalen Weg abrücken. Der Gegenwind aus Rom hat sie anscheinend nur noch weiter bestärkt. Bei aller Entschlossenheit bleibt nach diesem Brief aber die Frage, wie lange die Strategie noch aufgeht: Bislang konnte noch mit jeder Mahnung einfach weitergemacht werden in der Hoffnung, den Synodalen Weg im Gehen zu verfestigen, zu verstetigen und immer verbindlicher zu machen. Jetzt läuft der Weg mit Ansage auf eine Wand zu.