Verantwortliche Laien würden in Rom nicht auf Augenhöhe ernstgenommen

Stetter-Karp: Vorwürfe aus Vatikan-Brief gehen an uns vorbei

Veröffentlicht am 24.01.2023 um 14:19 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Vatikan-Verbot für einen Synodalen Rat sieht ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp als ein Zeichen geringer Wertschätzung gegenüber Laien. Im katholisch.de-Interview spricht sie über die Gesprächskultur zwischen Rom und Deutschland – und erklärt, wie es mit dem Synodalen Weg weitergehen soll.

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In einem am Montag veröffentlichten und vom Papst approbierten Schreiben wollen drei Kurienkardinäle "klarstellen, dass weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz haben, den 'Synodalen Rat' auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten". Dieses Schreiben erreiche die Engagierten beim Synodalen Weg auf der Sachebene gar nicht, sagt Irme Stetter-Karp. Im katholisch.de-Interview wünscht sich die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und des Synodalen Weg direkte Worte von Papst Franziskus.

Frage: Frau Stetter-Karp, wie bewerten Sie den Brief aus dem Vatikan zum Synodalen Rat?

Stetter-Karp: Ich bedauere ihn zunächst einmal sehr, weil wir erneut ein Zeichen geringer Wertschätzung des Engagements von Laiinnen und Laien bekommen haben. Ich will aber auch ganz deutlich sagen, dass ich es absolut teile, wenn Bischof Georg Bätzing sich gegen die darin erhobenen Vorwürfe wehrt, weil sie eben nicht ins Schwarze treffen: Wir sind überzeugt davon, dass das Bischofsamt durch den geplanten Ausschuss gestärkt wird und nicht geschwächt. Und ich bin auch erleichtert zu sehen, dass beim Ständigen Rat gestern doch die überwältigende Mehrheit der Bischöfe am Synodalen Weg festgehalten hat.

Frage: Die ersten Stimmen werden jetzt laut, die in dem Brief ein Aus für den Synodalen Ausschuss und den Synodalen Rat sehen. Sehen Sie das auch so?

Stetter-Karp: Nein, das sehe ich nicht. Die fünf Bischöfe aus Köln, Passau, Augsburg, Regensburg und Eichstätt möchten nicht am Synodalen Ausschuss teilnehmen. Das bedauere ich, aber natürlich sind sie frei, sich so zu entscheiden. Das Kirchenrecht gibt ihnen die Möglichkeit. Es gibt keinen Zwang, dass sie teilnehmen. Aber was klar ist, ist, dass die katholische Kirche in Deutschland eine Zukunft braucht, in der sie sich nach dem Missbrauchsskandal neu aufstellt. Deshalb brauchen wir die strukturellen Reformen und wir brauchen auch Wege der Gewaltenteilung. Und ich bin überzeugt: Die Menschen brauchen eine Kirche, in der mehr Teilhabe möglich ist und auch ein Ja zur Vielfalt. Und darin können wir das Bischofsamt stärken.

Frage: Der Papst hat das Schreiben "in forma specifica" approbiert. Kann man denn jetzt noch behaupten, er stünde dem Synodalen Weg positiv gegenüber?

Stetter-Karp: Dazu würde ich sehr sehr gerne ein Wort direkt von ihm hören. Ich kann das im Augenblick nicht abschließend beurteilen. Es gibt immer wieder Anlässe, wo wir Grund haben zu sehen, dass er unseren Weg im Kern unterstützt und eine synodale Kirche sucht. So auch seine jüngsten Aussagen zu Homosexualität. Da sind immer wieder Ermutigungen mit dabei. Auf der anderen Seite kann ich nur sagen, es irritiert natürlich auch, wenn er diesen Brief genau so freigegeben hat.

Vierte Synodalversammlung
Bild: ©Synodaler Weg/Maximilian von Lachner (Symbolbild)

"Ich kann heute nichts anderes erkennen, als dass die Mehrheit der deutschen Bischöfe und wir uns einig sind, dass unser Weg notwendig und sinnvoll ist", sagt Irme Stetter-Karp.

Frage: Wie soll es denn jetzt mit Synodalen Ausschuss weitergehen, der einen Synodalen Rat vorbereiten soll? Das ZdK hat seine 27 Vertreterinnen und Vertreter bereits benannt ...

Stetter-Karp: Ja, dabei bleiben wir natürlich auch.

Frage: Es läuft also alles weiter wie geplant?

Stetter-Karp: Ich kann heute nichts anderes erkennen, als dass die Mehrheit der deutschen Bischöfe und wir uns einig sind, dass unser Weg notwendig und sinnvoll ist und ich kann auch nur wahrnehmen, dass sehr viele Katholikinnen und Katholiken uns dabei unterstützen und immer noch an die Wandlungsfähigkeit der Kirche glauben und sich dafür engagieren.

Frage: Wie viel Hoffnung haben Sie denn, dass beim Synodalen Rat in Zukunft kollegial und produktiv zusammengearbeitet werden kann, wenn Briefe an den und aus dem Vatikan geschickt werden?

Stetter-Karp: Das kennen wir ja auch aus der Vergangenheit, dass übereinander gesprochen wird statt miteinander. Ich würde sagen, das ist eine geronnene Kultur. Für die Zukunft habe ich aber die Hoffnung, dass unsere Kirche bereit ist, zu lernen und auch neue Wege gehen kann.

Frage: Im März steht die nächste und abschließende Synodalversammlung an. Wie wollen Sie dort mit dem Schreiben umgehen?

Stetter-Karp: Dazu haben wir uns noch nicht ausgetauscht. Aber zunächst einmal ist unsere Absprache die, dass wir mit den Planungen wie bisher besprochen in die fünfte Synodalversammlung gehen und die Maßnahmen miteinander beraten und hoffentlich auch beschließen, die wir als katholische Kirche in Deutschland kirchenrechtlich auch tun können. Von daher gehe ich mit einer guten Erwartung in die fünfte Versammlung.

„Das ist natürlich eine bestimmte Form, Macht zu demonstrieren und auszuüben. So verstehe ich diese Zwischenrufe.“

—  Zitat: Irme Stetter-Karp

Frage: Der Synodale Rat ist geplant als Verstetigung des Synodalen Wegs, damit der nicht einfach abrupt endet und damit der Dialog weitergeführt wird. Wie bewerten Sie es, dass Rom hier versucht, einen Schlusspunkt zu setzen?

Stetter-Karp: Wir wollen und werden entschieden weitergehen. Es war immer klar, dass wir den Weg begrenzen wollen, in dem Sinne der Bearbeitung der Notwendigkeiten, die sich aus der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs ergeben. Und im Laufe des Weges wurde uns klar: Wir wollen diese Form des miteinander Beratens und Entscheidens verstetigen. Wir können uns nicht vorstellen, auf den vorherigen Status zurückzugehen. Insofern sind es zwei unterschiedliche Qualitäten. Das eine ist der Synodale Weg mit der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und der Klärung der notwendigen Maßnahmen, die sich aus seiner Analyse ergeben. Das andere ist das Setzen auf Synodalität als einen Modus der Zukunft.

Frage: Sie haben die Kommunikationskultur angesprochen, die Sie in den letzten Jahren erfahren haben. Was macht das mit Ihnen, dass nicht auf dem Synodalen Weg oder in den Foren diskutiert wird, sondern auf öffentlicher Ebene, in Form von Briefen?

Stetter-Karp: Das ist natürlich eine bestimmte Form, Macht zu demonstrieren und auszuüben. So verstehe ich diese Zwischenrufe. Ich empfinde sie aber als nicht wirklich überzeugend. Was soll denn die Alternative sein? Selbst wenn jetzt eine Vollbremsung durchgesetzt werden würde, was ist dann erreicht für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in Deutschland? Wenig bis nichts, meine ich. Dann wird einfach die eh schon große Frustration vergrößert.

Frage: Bischof Bätzing hat in seiner Erklärung zum Vatikan-Brief betont, die im Brief formulierte Einladung zum Gespräch in Rom zeitnah anzunehmen – und zwar als Präsidium des Synodalen Wegs. Was erwarten Sie von so einem Gespräch, wenn Sie tatsächlich das erste Mal nach Rom eingeladen werden würden?

Stetter-Karp: Zumindest ist es in einem direkten Gespräch besser möglich, sich wirklich zu verstehen, weil man nachvollziehen kann, was der oder die andere sagen will. So ist es auf jeden Fall nur bedingt möglich, das sieht man ja. Die Kritik, die jetzt kommt, erreicht uns auf der Sachebene ja gar nicht wirklich, weil wir eben mit der Konstruktion des Synodalen Rates gar nicht das Kirchenrecht außer Kraft gesetzt haben. Insofern finde ich auch, dass die Vorwürfe an uns vorbeigehen.

Frage: Wie bewerten Sie es, dass bald die letzte Synodalversammlung tagt und Sie immer noch nicht zum Gespräch in Rom waren?

Stetter-Karp: Ich nehme das zur Kenntnis und nehme auch zur Kenntnis, dass Verantwortliche Laiinnen und Laien von der Vatikanbehörde nicht auf Augenhöhe wahr- und ernstgenommen werden. Nur so kann man das ja deuten.

Von Christoph Brüwer