Betroffene sexuellen Missbrauchs erhalten mehr Rechte

Bischöfe führen Widerspruchsverfahren für Anerkennungsleistungen ein

Veröffentlicht am 31.01.2023 um 14:16 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Bisher gab es für Betroffene keine Möglichkeit, die ihnen zugesprochenen Anerkennungsleistungen für erlittenes Leid überprüfen zu lassen. Nun ändert die Deutsche Bischofskonferenz das Verfahren: Widerspruch und Akteneinsicht werden möglich.

  • Teilen:

Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche können künftig Widerspruch gegen die Höhe der ihnen zugesprochenen Anerkennungsleistungen einlegen. Außerdem wird ein Recht auf Akteneinsicht eingeführt. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) teilte am Dienstag mit, dass die Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids entsprechend geändert werde. Die Änderungen, auf die sich die DBK nach eigenen Aussagen einvernehmlich mit ihrem Betroffenenbeirat, der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) und der Deutschen Ordensobernkonferenz geeinigt hat, treten am 1. März in Kraft. Auch Betroffene, deren Verfahren bereits abgeschlossen sind, können noch Widerspruch einlegen.

Im September 2020 hatten die deutschen Bischöfe das seit 2018 bestehende System der Anerkennungsleistungen für Betroffene sexualisierter Gewalt grundlegend reformiert und eine "Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids von Missbrauchsopfern in der katholischen Kirche" erlassen. Zuständig für die Entscheidungen ist die UKA, der zunächst vier Frauen und drei Männer aus den Bereichen Recht, Medizin und Psychologie angehörten. Im Januar 2022 wurde die Kommission um drei weitere Mitglieder aufgestockt, um schneller arbeiten zu können. Das Verfahren versteht sich als Ergänzung zum Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten. Es soll Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der Kirche einfach und ohne die Belastungen eines Gerichtsverfahrens ermöglichen, Geldleistungen in Anerkennung des erlittenen Leids zu erhalten. Die Höhe der Anerkennungsleistungen wird von der UKA festgelegt.

Widerspruch in allen Fällen noch möglich

Der Betroffenenbeirat rechnet damit, dass viele Betroffene von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen. Daher fordert sein Sprecher Johannes Norpoth ausreichende Ressourcen für die UKA, um innerhalb eines überschaubaren Zeitraums über Widersprüche entscheiden zu können: "Der Betroffenenbeirat erwartet, dass die Deutsche Bischofskonferenz die notwendigen Kapazitäten für das Verfahren und die Akteneinsicht zur Verfügung stellt, um Antragsstaus wie zu Beginn des UKA-Verfahrens zu vermeiden."

Das Verfahren für einen Widerspruch wurde nach Angaben der DBK bewusst niederschwellig gestaltet, eine schriftliche Begründung ist nicht erforderlich. Betroffene können innerhalb einer Frist von einem Jahr ab Bekanntgabe der Entscheidung der UKA einmalig Widerspruch einlegen. Für bereits abgeschlossene Verfahren gilt eine Frist bis zum 31. März 2024. Dabei wird sichergestellt, dass für den Widerspruch ein anderes UKA-Mitglied als Berichterstatter zuständig ist als bei der ersten Entscheidung. Mit einem Widerspruch kann gleichzeitig ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt werden, um eine Begründung des Widerspruchs zu ermöglichen. Einsicht wird dabei in die Akte gewährt, die dem zuständigen UKA-Berichterstatter für die Vorbereitung der Entscheidung zur Verfügung stand. Eine Einsicht in eventuelle schriftliche Berichte des Berichterstatters und in Protokolle der UKA ist laut Ordnung nicht vorgesehen. Die Möglichkeit zur Akteneinsicht war eine zentrale Forderung des Betroffenenbeirats. Ein eigenständiges Recht auf Akteneinsicht ohne vorherigen Widerspruch besteht nicht, bestätigte die DBK auf Anfrage.

Die von der UKA beschlossenen Anerkennungsleistungen bewegen sich in einem von der DBK beschlossenen Zahlungsrahmen, der sich laut Verfahrensordnung "am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zuerkannten Schmerzensgelder" orientiert und grundsätzlich Leistungen bis 50.000 Euro vorsieht. Ausnahmsweise kann die Kommission bei besonders schweren Härtefällen höhere Leistungen festlegen. In diesem Fall ist gemäß den Regularien aber die Zustimmung der jeweiligen kirchlichen Institution notwendig. Nach Angaben der UKA wurde diese Zustimmung bislang noch nie versagt. Am kommenden Freitag legt die UKA ihren zweiten Tätigkeitsbericht vor. (fxn)

31. Januar 2023, 15.15 Uhr: Ergänzt um Auskunft der DBK zum Auskunftsrecht.