Hohe Anforderungen an Führungspersonal durch neue Grundordnung

Moraltheologe fordert bessere Aufsicht über Führung in der Kirche

Veröffentlicht am 01.02.2023 um 15:51 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Beim neuen kirchlichen Arbeitsrecht stehen meist die Folgen für Beschäftigte im Zentrum. Moraltheologe Jochen Sautermeister betont dagegen die hohen Anforderungen an Führungskräfte: Um die zu erfüllen, reiche persönliche Leitungskompetenz nicht aus.

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Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister sieht durch die neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes eine Notwendigkeit für bessere Kontroll- und Aufsichtsinstanzen in der Kirche. In einem Beitrag für das Online-Magazin "Feinschwarz" (Mittwoch) betont der Theologe, dass in hierarchischen Organisationen insbesondere die oberste Leitung ihrer Führungsfunktion angemessen nachkommen muss. "Andernfalls besteht die Gefahr von Führungsschwäche bis hin zu Machtmissbrauch in ganz unterschiedlichen Spielarten; dabei kann sogar die Realisierung des Primärzwecks der Organisation überhaupt beeinträchtigt werden", so Sautermeister.

Neben den notwendigen persönlichen Leitungskompetenzen wie der Fähigkeit zur Selbstreflexion hinsichtlich Kritikfähigkeit, Empathie und Machtmotiv brauche es daher auch in struktureller Hinsicht Kontroll- und Aufsichtsgremien als Sicherungsmaßnahmen sowie transparente Beratungsprozesse und etablierte Verfahrenswege. "Wenn jedoch Kontroll- bzw. Aufsichtsinstanzen nicht eingerichtet sind, wenn sie ihre Funktion nicht angemessen ausüben oder über keine wirksamen Sanktionsmechanismen verfügen oder wenn Kontroll- und Aufsichtsinstanzen sogar missachtet bzw. als illegitim erachtet werden, dann steigt die Gefahr, dass eine Organisation sich in ein geschlossenes System transformiert", warnt der Theologe.

Loyalität nicht diffuser Gehorsam und Gefolgschaft

In der neuen Grundordnung wird ein Leitbild für Führungskräfte formuliert: Führung müsse "die Entfaltung der fachlichen Qualifikationen und Charismen der Mitarbeitenden im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit" fördern, Führungskräfte werden auf einen kooperativen, wertschätzenden Führungsstil verpflichtet. Zugleich legt die Grundordnung auch fest, dass Dienstgeber und Mitarbeitende gemeinsam Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung des Sendungsauftrags in der kirchlichen Einrichtung tragen. Für Sautermeister haben diese Festlegungen Auswirkungen auf das Loyalitätsverständnis, das an Beschäftigte angelegt wird: "Denn Loyalität ist demnach als Organisationsverantwortung zu bestimmen. Sie ist daran zu bemessen, inwieweit das Agieren der Mitglieder einer Organisation dem Primärzweck von Kirche und damit ihrem Auftrag dient." Loyalität in der Kirche müsse daher auch für Mitarbeiter etwas anderes als "personale Gefolgschaft" oder "diffuser Gehorsam" bedeuten. Machtmissbrauch und illegitime Loyalitätserwartungen würden dem Anspruch der neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes widersprechen, so der Theologe.

Im vergangenen November haben die deutschen Bischöfe die zuletzt 2015 geänderte Grundordnung des kirchlichen Dienstes grundlegend novelliert. Mittlerweile haben fast alle Diözesen die Änderungen umgesetzt. An die Stelle von Anforderungen an die Beschäftigten hinsichtlich Loyalität und Lebensführung ist im kirchlichen Arbeitsrecht jetzt ein stärker institutionaler Ansatz getreten: Die Kirchlichkeit einer Einrichtung bemisst sich nicht mehr an der Lebensführung ihrer Beschäftigten, stattdessen obliegt es dem Dienstgeber, den kirchlichen Charakter zu prägen. (fxn)