Standpunkt

Predigten der Künstlichen Intelligenz bringen uns nicht weiter

Veröffentlicht am 06.02.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Chatbot ChatGPT sorgt seit Veröffentlichung für intensive Diskussionen. Selbst gute Predigten soll die KI schreiben können. Werner Kleine fragt sich: Sagt das nicht eher etwas über die Qualität der meisten "echten" Predigten aus?

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Eine menschlich wirkende Maschine – diesem Traum scheint man seit dem 30. November 2022 ein Stück näher gekommen zu sein, als der Chatbot ChatGPT online ging. ChatGPT ist ein textbasiertes Dialogsystem, das nach Angaben der Programmierer maschinell lernen kann. Allgemein wird hier schnell von künstlicher Intelligenz gesprochen. Auf den ersten Blick scheint da ein intelligentes Gegenüber zu kommunizieren. Manch einer, wie Googles ehemaliger Senior Software Engineer Blake Lemoine, der an dem vergleichbaren Chatbot LaMDA gearbeitet hat, glaubt sogar, dass die künstlich intelligenten Maschinen wie Menschen fühlen können. Ist die Programmierung sogenannter künstlicher Intelligenzen aber wirklich ein schöpferischer Akt, mit dem der Mensch Gottes Werk weiterführt?

Tatsächlich lösen ChatGPT seit seinem Erscheinen intensive Diskussionen aus. Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse tatsächlich kaum von menschlich verfassten Texten zu unterscheiden. Das hat Folgen für Klausuren und Abschlussarbeiten, die an Schulen und Universitäten verfasst werden: Sind die wirklich Leistungen von Studierenden und Lernenden – oder beherrschen die eher die Kunst, künstliche Intelligenz zu nutzen?

Auch in der Pastoral wird schon mit ChatGPT experimentiert. Man hat die eine oder andere Predigt schreiben lassen und ist erstaunt, dass die künstlich errechneten Ergebnisse kaum von "echten" Predigten zu unterscheiden seien.

Tatsächlich zeigt aber ein Selbstversuch, dass der Chatbot schon bei einfachen Fragen scheitert und keine Antworten liefern kann – was ChatGPT auch ehrlich bekennt: "Leider habe ich keine Informationen und brauche mehr Kontext." Das Programm ist eben auf das angewiesen, was ohnehin schon vorhanden ist. Es rechnet mit Informationen, die der Algorithmus mit durchschnittlichen Wahrscheinlichkeiten verarbeitet. Kreativ Neues entsteht so kaum, denn selbsttätig Informationen beschaffen kann es eben (noch) nicht. Deshalb ist fraglich, ob das System wirklich intelligent ist: Fehlerhafte Antworten können nur überprüft werden, wenn die Fragenden die Antwort vorher schon kennen. Sonst können sie von der künstlichen Intelligenz leicht hinters Licht geführt werden.

Wenn die künstlich erstellte Predigt eines Chatbots kaum von einer "echten" Predigt zu unterscheiden ist – sagt das dann etwas über die Qualität des Chatbots aus oder eher über die durchschnittliche Qualität von Predigten. Vielleicht ist diese Erkenntnis eine Motivation, die intelligente Kunst des Predigens als kommunikative Verkündigung und Zeugnis eines Menschen an konkrete Mitmenschen wieder zu entdecken. Dann hätte die künstliche Intelligenz wirklich Großes geleistet.

Von Werner Kleine

Der Autor

Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.