Reformen von Franziskus würden oft übersehen

Jesuit Martin: Papst fährt beim Thema LGBTQ keinen Zickzackkurs

Veröffentlicht am 06.02.2023 um 11:46 Uhr – Lesedauer: 

Zürich ‐ Erst kürzlich hatten Interview-Aussagen von Papst Franziskus zum Thema Homosexualität Verwirrung gestiftet. US-Jesuit James Martin hat den Papst nun verteidigt. Oft werde übersehen, welche Reformen der Heilige Vater bereits durchgeführt habe.

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Aus Sicht des US-amerikanischen Jesuiten und Queer-Seelsorgers James Martin fährt Papst Franziskus beim Thema LGBTQ keinen "Zickzackkurs". "Papst Franziskus hat von Beginn seines Pontifikats an deutlich gemacht, dass er LGBTQ-Menschen seelsorgerisch die Hand reichen möchte", sagte Martin dem Schweizer Portal "kath.ch" (Sonntag). Er erinnerte an Franziskus' Zitat "Wer bin ich, um zu urteilen?" über hypothetische homosexuelle Priester und betonte, der Papst habe Eltern aufgefordert, sich nicht von ihren LGBTQ-Kindern zu distanzieren, habe einen offen schwulen Mann in eine päpstliche Kommission berufen und unterstützende Briefe an diejenigen in der Kirche geschrieben, die sich um LGBTQ-Menschen kümmerten. Zudem habe er Kardinäle und Bischöfe ernannt, die dieser Gruppe gegenüber aufgeschlossen seien.

Er sei nicht enttäuscht darüber, dass der Papst sich nicht deutlicher zu Reformen äußere, so Martin. "Und ich denke, dass wir oft übersehen, welche Reformen der Heilige Vater bereits durchgeführt hat." So habe Franziskus sich erst kürzlich für eine Entkriminalisierung von Homosexualität ausgesprochen. "Er ist der erste Papst, der das getan hat, und das ist ein gewaltiger Schritt nach vorn." Franziskus habe sowohl durch seine Worte als auch seine Gesten vieles reformiert, indem er etwas Geflüchtete besucht, Häftlingen die Füße gewaschen und sich mit Transgender-Personen getroffen habe, so der US-Jesuit. "Denken Sie daran, dass Jesus sowohl mit Worten als auch mit Taten gelehrt hat. Das tut auch der Papst."

Martin: Stelle kirchliche Lehre nicht infrage

Er selbst stelle die kirchliche Lehre nicht infrage, sagte Martin. "Wir müssen jedoch darauf achten, wie diese kirchliche Lehre von denjenigen gehört wird, für die sie bestimmt war." Grundsätzlich sei eine der großen Einsichten der katholischen Lehre zum Thema Sexualität, dass man sie verehren solle. "In der kirchlichen Lehre steckt viel Weisheit, vor allem in einer Kultur, in der Sex manchmal herabgewürdigt wird und Menschen als Objekte behandelt werden." Die Kirche könne aber immer noch etwas über die menschliche Sexualität lernen und sei insbesondere im Blick auf LGBTQ-Personen aufgerufen, zuzuhören.

James Martin setzt sich seit Jahren für die Rechte und Seelsorge von LGBTQ-Personen ein. Über dieses Thema tauscht er sich auch regelmäßig persönlich oder in Form von Briefen mit Papst Franziskus aus, der ebenfalls Jesuit ist. So erläuterte Franziskus zuletzt Ende Januar in einem handschriftlichen Brief an Martin seine zuvor getätigten Interview-Aussagen zum Thema Homosexualität und betonte, dass homosexuelle Handlungen wie alle sexuellen Handlungen außerhalb der Ehe Sünde sind.

In dem Interview hatte der Papst sich gegen die Kriminalisierung von Homosexualität ausgesprochen und gesagt: "Es ist kein Verbrechen. Ja, aber es ist eine Sünde. Gut, aber lasst uns zuerst zwischen einer Sünde und einem Verbrechen unterscheiden." Die Aussage hatte zu Diskussionen geführt, da die kirchliche Lehre Homosexualität zwar als "objektiv ungeordnet" bezeichnet, als Sünde jedoch nur homosexuelle Handlungen. Aus dem schriftlichen Interview ging nicht eindeutig hervor, ob der Papst mit der Äußerung, lediglich einen rhetorischen Einwand zu seiner eigentlichen Aussage angebracht hatte, auf den er antwortet, oder ob er diese Position selbst vertritt. (cbr)