Synoden-Ungeduld seit 50 Jahren: Es muss endlich gestritten werden
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"Die Aktien der Synode stehen im Augenblick nicht besonders hoch. Mancher ist über die Langwierigkeit und über die Umwege vieler Beratungen enttäuscht. Viele gewinnen – mehr von außen – den Eindruck, die Synode folge dem Gesetz aller Institutionen, sich selbst zu etablieren und bald stärker um sich als um ihre Aufgaben zu kreisen…"
Das Zitat ist, oh Wunder, gut 51 Jahre alt. Der junge Theologe Karl Lehmann, Teilnehmer der Würzburger Synode von 1971-1975, schrieb unter dem Titel "Die Stunde der Synode" Anfang 1972 eine Glosse in der Zeitschrift "Communio". Klar, Zitate sind immer nur Fetzen eines Textes. Aber es ist doch frappierend, wie binnen weniger Zeilen diverse Motive auftauchen, die 2023 über den Synodalen Weg ähnlich geklagt sein könnten. Der Aktienkurs im kirchlichen Keller, verbreitete Klagen über längliche, komplizierte Beratungen, die Klage über synodalen Selbstbezug kommt vorwurfsvoll. Diese letzte Klage steckt auf ihre Art auch hinter dem römischen Verdikt gegen den drohenden Synodalen Rat.
Und doch ist es bemerkenswert, wie nüchtern und sachlich Lehmann, 35, damals Professor in Freiburg, viele Jahre später Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, das Unfertige einer Synode zulässt und gelassen betrachtet. Knapp fünf Jahrzehnte nach dem Ende der Würzburger Synode, deren Eingaben im Vatikan – Schredder gab es damals wohl noch nicht – unbeantwortet in Schubladen verschwanden, gilt dies eigentlich umso mehr für den Synodalen Weg, der ja irgendwo zwischen "längst totgesagt" und "jetzt erst recht" geradezu mit dem Mute der Verzweiflung weiter agiert. Und im römischen Wald die Melodie von "Wunder gibt es immer wieder" pfeift.
"Auch eine Synode leistet keine Wunder", schreibt Lehmann 1972. "Man darf von ihr auch keine perfektionistischen Erwartungen haben; die Vorlagen sind erste und manchmal noch nicht ganz ausgereifte Früchte; sie tragen die Spuren vieler Verlegenheiten an sich; sie haben auch Zeit, bis zu ihrer möglichen Verabschiedung für länger in der öffentlichen Diskussion zu stehen und von daher neue Gestalt anzunehmen."
Vielleicht ist es das, 1972 wie 2023. Vorlagen stehen zu lassen – ohne perfektionistische Erwartung. Aber die Zeit ist heute drängender als vor 50 Jahren, jede Ungeduld verständlich. Denn der römische Nicht-Umgang mit den Eingaben von 1975 bleibt. Lang genug in der Öffentlichkeit stehen die Themen. Und die Etappe der Weltsynode in Prag hat gezeigt, wie sehr nun geworben, gestritten, gerungen werden muss.
Der Autor
Christoph Strack ist Leiter des Bereichs Religionen der Deutschen Welle.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.