Standpunkt

Mit Franziskus sind weder Reformer noch Traditionsbewahrende zufrieden

Veröffentlicht am 13.03.2023 um 00:01 Uhr – Von Agathe Lukassek – Lesedauer: 

Bonn ‐ Franziskus' Start als Papst mit seinem schlichten "Guten Abend“ auf dem Balkon des Petersdoms war vielversprechend, kommentiert Agathe Lukassek. In den Jahren darauf seien starke Gesten gefolgt. Inzwischen gebe es aber auch Irritationen.

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Der Abend der Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst am 13. März 2013 war ein sensationell-berührender Moment. Ein Jesuit aus Argentinien wird Papst und benennt sich nicht nach einem seiner Vorgänger, sondern nach einem der beliebtesten Heiligen der katholischen Kirche, der das Programm des Pontifikats vorgibt, eine "arme Kirche für die Armen". Spirituell berührend war, als Franziskus bescheiden mit einem "guten Abend" und der Bitte um das Gebet auf den Balkon des Petersdoms trat.

In den Jahren darauf folgten starke Gesten: Die erste Reise ging zu Geflüchteten nach Lampedusa, es gab Fußwaschungen im Gefängnis, Aufräumaktionen bei den Vatikanfinanzen und die Schaffung eines Beratergremiums, sowie die Veröffentlichung von programmatischen Schriften wie "Evangelii gaudium" ("Diese Wirtschaft tötet") und der Umweltenzyklika "Laudato si". Beide Texte sorgten für ein Echo weit über Kirchenkreise hinaus.

Und innerhalb der Kirche? Da gab es neben viel Aufbruch auch Irritationen. Das Engagement für Arme und Geflüchtete ist auch in Deutschland in den Gemeinden angekommen und nicht mehr nur die Arbeit von Caritas und Hilfswerken. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Vatikan steigt und soll ein Vorbild sein für die Weltkirche. Aber die Gemeindearbeit wird in weiten Teilen der Welt bereits seit langem von Frauen getragen, von Lateinamerika bis Hinterzarten. Zwei päpstliche Studienkommissionen haben sich mit dem Diakonat der Frau beschäftigt, aber von Ergebnissen erfährt man nichts.

Papst Franziskus spricht von einer Dezentralisierung der Kirche, aber nachdem sich die Bischöfe auf der Amazonassynode für die Weihe von verheirateten Männern ausgesprochen hatten, passierte nichts. Auch bei Personalentscheidungen irritiert Franziskus: Bei Kardinal Woelki entscheidet er seit Monaten nicht, bei der Absetzung des Pariser Erzbischofs Aupetit warf er als Grund den Medien üble Nachrede vor. Während der Papst sich für zivile Lebenspartnerschaften von gleichgeschlechtlichen Paaren ausspricht, verbietet er innerhalb der Kirche die Segnungen queerer Paare.

Gesprächsangebote von Seiten des deutschen Synodalen Wegs werden ignoriert, dafür fällt der auch ökumenisch unsensible Spruch, dass es in Deutschland keine zwei evangelischen Kirchen brauche. Nach zehn Jahren scheinen weder die reformorientierten, noch die traditionsbewahrenden Gläubigen mit Papst Franziskus zufrieden. Vielleicht ist die größte Änderung zur Kirche vor 2013: Es darf wieder offenen Widerspruch sowie eine Diskussions- und Streitkultur geben. Es ist aber nicht leicht abzusehen, wohin diese führt.

Von Agathe Lukassek

Die Autorin

Agathe Lukassek ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.