Presserat lehnt Beschwerde gegen Nazi-Vergleich der "Tagespost" ab
Der Deutsche Presserat hat die Beschwerde des Berliner Theologen Georg Essen gegen die Zeitung "Die Tagespost" abgelehnt. Der Presserat sah in dem Vergleich der Position des Freiburger Fundamentaltheologen Magnus Striet mit dem NS-Verbrecher Adolf Eichmann in einem Artikel des Publizisten und Verlegers Bernhard Meuser weder einen Verstoß gegen die Menschenwürde noch eine Ehrverletzung im Sinne des Pressekodexes, teilte Essen auf Anfrage von katholisch.de mit. Zuerst hatte der "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtet.
Gegenüber katholisch.de zeigte Essen Verständnis für die Entscheidung des Presserats, der ausschließlich auf der Grundlage von justiziablen Kriterien urteile. "Die Kehrseite dieses Verfahrens ist somit, dass beispielsweise moralische und humane Gesichtspunkte nicht zum Tragen kommen. Das mag man bedauern und als dürftig empfinden, muss es jedoch akzeptieren", so der Theologe.
Ein Verstoß gegen die Menschenwürde liegt nach Einschätzung des Presserats nicht vor, da Striet in dem Beitrag nicht seine Subjektqualität abgesprochen werde. Auch Ehrverletzung liege nicht vor, heißt es in der Begründung der Ablehnung. Der Vergleich sei zwar "unglücklich", setze aber nicht Striet mit Eichmann gleich, was als Abwertung der Person zu betrachten wäre, sondern bewerte lediglich Striets Aussagen, urteilte der Presserat
Essen: Ebene des humanen Diskurses verlassen
Im Ergebnis konnte der Presserat keine Verletzung der publizistischen Grundsätze feststellen und folgte der Beschwerde Essens nicht. Dieser hatte in seiner Eingabe die Aussagen so bewertet: "Diese Passage, in der Magnus Striet unmittelbar mit Eichmann verglichen wird, ist beleidigend, von übler Nachrede und, wenn man bedenkt, wer Eichmann war, verletzt in schwerer Weise das schützenswerte Gut der Ehre." In der Begründung, die katholisch.de vorliegt, gibt das Gremium den Titel von Striets Buch falsch wieder und schreibt den Namen des Theologen mehrfach und in verschiedenen Versionen falsch. Eichmann organisierte in der NS-Zeit die Verfolgung, Vertreibung und Deportation von Juden und war mitverantwortlich für die Ermordung von schätzungsweise sechs Millionen Menschen.
Essen hält an seiner Kritik fest: "Meine moralische Empörung über den Artikel bleibt bestehen. Der Autor wusste sehr genau, was er tut, indem er den Vergleich mit Eichmann heranzieht. Wer andere und deren Auffassungen in die Nähe von NS-Ideologien rückt und den Vergleich mit Massenmördern assoziativ mitschwingen lässt, verlässt in meinen Augen die Ebene eines humanen Diskurses." Dabei solle man auch nicht außen vor lassen, dass der Autor des Artikels und die Zeitung, in der er erschienen ist, "im Brustton der Überzeugung glauben, von der hohen Warte des wahren katholischen Glaubens zu sprechen". Mit christlicher Gesinnung habe das nichts mehr zu tun. Der Berliner Dogmatiker hält es für "grotesk", dass "ausgerechnet in einer theologischen Debatte um den Begriff der Freiheit elementare Grundvoraussetzungen eines freiheitlichen Miteinanders verletzt werden: Anerkennung, Respekt, Toleranz".
Zunehmend schrille Töne bei Gegnern des Synodalen Wegs
Meuser hatte im Dezember das Buch "Für eine Kirche der Freiheit" des Freiburger Theologen Striet rezensiert. In seiner Besprechung schrieb er, für den Autor sei "die sakramental-hierarchisch verfasste Kirche so ungefähr das, was für Eichmann der Führer war: eine absolutistische Instanz, die (von nichts außer ihrer faktischen Macht legitimiert) ihre Souveränität sichert, indem sie Befehle erteilt und damit eine Welt subalterner, subjektloser Subjekte hervorbringt". Striet hatte sich in seinem Buch für umfassende Reformen der Kirche ausgesprochen. Nur wenn sich die Kirche auf das moderne Selbstverständnis des Menschen einstimme und eine Kirche der Freiheit werde, werde sie eine Zukunft haben und Zeugin eines Gottes werden, der will, dass Menschen sich in ihrer Freiheit selbstbestimmt entfalten, heißt es in der Verlagsvorstellung des Buchs.
Meuser, der unter anderem den Jugend-Katechismus "YouCat" herausgibt, ist auch redaktionell für die "Initiative Neuer Anfang" zuständig. Die Initiative veröffentlichte in jüngster Vergangenheit Texte mit teils scharfer Polemik gegen den Synodalen Weg sowie einzelne deutsche Bischöfe. Die Kritik von Gegnern des Synodalen Wegs erreichte bei der am Wochenende beendeten fünften Synodalversammlung neue Extreme. Die Gruppierung "Maria 1.0" bezeichnete die Tanzperformance "verantwort:ich" zu Verstrickung und Verantwortungsübernahme, an der auch Missbrauchsbetroffene mitgewirkt hatten, als "satanisch". Das Urteil führte zu scharfem Widerspruch. Der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz Johannes Norpoth sagte, die Gruppierung drifte damit "ins absolut Sektiererische" ab. (fxn)