Kürzere Befristungsdauer schaffe noch prekärere Situation für Nachwuchs

Proteste aus der Theologie gegen Reform bei Uni-Arbeitsverträgen

Veröffentlicht am 20.03.2023 um 12:54 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Wissenschaftsministerium will die Regeln reformieren, nach denen Nachwuchsforscher angestellt werden: Bis zur Professur haben sie nach einem Eckpunktepapier nun noch weniger Zeit. Der Protest ist enorm – auch aus der akademischen Theologie.

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Die vom Bundeswissenschaftsministerium vorgestellen Pläne für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes stoßen auch in der akademischen Theologie auf Widerstand. Am Freitag hatte das Ministerium Eckpunkte vorgestellt, zu denen unter anderem eine Reduzierung der maximalen Befristungsdauer für Arbeitsverträge von wissenschaftlichen Mitarbeitenden nach Abschluss der Promotion gehören. Damit wird die Zeit kürzer, in der Nachwuchsforscher eine Professur erreichen müssen, um dauerhaft in der Wissenschaft beschäftigt zu bleiben. Unter den mehreren Hundert Unterzeichnenden eines offenen Brief von Professorinnen und Professoren sind auch Vertreter der Theologie, darunter der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet und die Frankfurter Religionspädagogin Viera Pirker.

Pirker, die auch Studiendekanin des Fachbereichs Katholische Theologie der Frankfurter Goethe-Universität ist, sieht durch die bisher vorgestellten Pläne die ohnehin schwierige Situation für den Nachwuchs in der Theologie noch einmal verschärft. "Stetigkeit und bessere Bedingungen in der Lehre sind unter den im Eckpunktepapier genannten Aspekten insgesamt schwer herzustellen", so Pirker gegenüber katholisch.de. In der Theologie herrschten zwar die gleichen Regeln und Anforderungen an wissenschaftliche Karrieren wie in anderen Geisteswissenschaften. Die Theologin weist aber auf besondere Rahmenbedingungen hin: Dazu gehören gegebenenfalls nachzuholende Sprachkenntnisse für ein theologisches Doktorat, aber auch die für die Erteilung der kirchlichen Unbedenklichkeitserklärung des "Nihil obstat" notwendige mindestens einjährige praktische pastorale Erfahrung.

Der Freiburger Lehrstuhlinhaber Striet sieht die kurze für eine Qualifikation nach dem Doktorat vorgesehene Zeit kritisch. "In drei Jahren eine Habilitation zu schreiben, ist so gut wie unmöglich. Und da mit dieser Qualifikation keine Stelle verbunden ist, wird der in der Theologie ohnehin inzwischen spärlich gewordene Nachwuchs es sich gut überlegen, sich auf eine solche prekäre Situation einzulassen", so Striet gegenüber katholisch.de. Sollte das Wissenschaftszeitvertragsgesetz so verabschiedet werden wie bisher geplant, verschärft sich die Situation für Nachwuchsakademiker nach Ansicht des Fundamentaltheologen noch einmal.

Mittelbauvertretung befürchtet Abwanderung aus der akademischen Theologie

Die Vertretung des akademischen Mittelbaus in der Theologie, die "Bundeskonferenz der wiss. Assistenten/-innen und Mitarbeiter/-innen" (BAM), zeigte sich auf Anfrage irritiert. "Bereits seit geraumer Zeit macht die BAM auf die unattraktiven Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft aufmerksam. Die Befristungen sind ein wesentlicher Grund dafür, warum viele fähige Promovierende und Post-Docs aus der akademischen Theologie abwandern", so die Sprecherinnen und Sprecher des Zusammenschlusses, Juliane Eckstein (Altes Testament, Mainz), Markus Adolphs (Pastoraltheologie, Bochum) und Aleksandra Brand (Neues Testament, Bochum). Die bereits jetzt bestehenden Defizite bei der Diversität des Nachwuchses werde mit der geplanten Reform noch verschärft: "Der Frauenanteil in den Professorien gerät weiter unter Druck, von Menschen mit Migrationshintergrund oder aus nicht-akademischen Haushalten ganz zu schweigen." Eine Verkürzung der Habilitationsphase auf drei Jahre zeuge von einer bedenklichen Unkenntnis des wissenschaftlichen Systems. Die BAM freut sich über die Unterstützung durch Professorinnen und Professoren. Die Lehrstuhlinhaber seien aber auch selbst in der Pflicht, die Bedingungen innerhalb ihres Gestaltungsbereichs zu verbessern und in den hochschulpolitischen Gremien auf eine tragfähige Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hinzuwirken.

Der offene Brief unter der Überschrift "Nivellierung statt Novellierung" sieht den Vorschlag für die Reform als "Verschlimmbesserung" der bisherigen Situation durch noch niedrigere Befristungshöchstgrenzen für die Zeit nach der Promotion. Bislang gilt eine Höchstdauer von sechs Jahren. Die eigentlich notwendigen Themen gehe das Eckpunktepapier des Wissenschaftsministeriums nicht an, nämlich eine bessere Aussicht auf Festanstellung in der Wissenschaft auch ohne Professur. Schon jetzt führten kurze und kürzeste aufeinanderfolgende Befristungen von Stellen dazu, dass exzellente Forschende auf Stellen im Ausland abwanderten. Neben Pirker und Striet haben auch die Professoren für katholische Theologie Oliver Dyma (Altes Testament, Münster), Claudia Gärtner (Religionspädagogik, Dortmund), Wolfgang Grünstäudl (Neues Testament, Münster) und Norbert Köster (Historische Theologie, Münster) den offenen Brief unterzeichnet, dazu kommen elf Professoren für evangelische Theologie, darunter der Ethiker Peter Dabrock (Erlangen-Nürnberg). Am Sonntagabend kündigte der parlamentarische Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, der FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg, an, dass die Frage der Höchstdauer der Postdoc-Qualifizierungsbefristung vor Fertigstellung eines Referentenentwurfs des geplanten Gesetzes noch einmal debattiert werde. (fxn)

21. März, 9.40 Uhr, Ergänzung: Mittlerweile haben über 40 Professorinnen und Professoren der katholischen Theologie den offenen Brief unterzeichnet.