Debatte um geschlechtsangleichende Eingriffe bei transidenten Menschen

Priester, Levit oder Samariter: Wo stehen die katholischen Kliniken?

Veröffentlicht am 25.03.2023 um 12:25 Uhr – Von Ursula Wollasch – Lesedauer: 

Bonn ‐ Vor wenigen Tagen verboten die US-Bischöfe den katholischen Kliniken ihres Landes geschlechtsangleichende Eingriffe bei transidenten Menschen. In einem Gastbeitrag reagiert Ursula Wollasch, unabhängige Ansprechpartnerin für transgeschlechtliche Menschen, auf den Beschluss – und schildert ihren Traum.

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Die US-amerikanische Bischofskonferenz untersagt katholischen Krankenhäusern bei Patientinnen und Patienten, die an einer "Gender-Dysphorie" oder "Gender-Inkongruenz" leiden, die Durchführung von geschlechtsangleichenden Maßnahmen. In einem 14-seitigen Papier, das am 20. März vorgestellt wurde, stellen die Bischöfe Kriterien vor, "welche medizinischen Eingriffe das wahre Wohl der menschlichen Person fördern und welche tatsächlich schädlich sind". Medizinische Eingriffe, die unter Anwendung chirurgischer oder chemischer Techniken darauf abzielen, die Geschlechtsmerkmale einer Person "gegen die des anderen Geschlechts auszutauschen oder zu simulieren", werden als Eingriffe, die "die Grundordnung der menschlichen Person als eine innere Einheit von Leib und Seele mit einem Körper, der sexuell differenziert ist, nicht respektieren", abgelehnt.

Lapidar stellt das Papier fest: In "Bezug auf diejenigen, die sich als transgender oder nicht-binär identifizieren, gibt es eine Reihe von pastoralen Fragen, die angesprochen werden müssen, die aber in diesem Dokument nicht angesprochen werden können". Pastorale Erwägungen, die, so muss man diesen Satz wohl verstehen, für diese Thematik relevant wären, werden bewusst nicht angesprochen. Im Mittelpunkt steht "der Mensch an sich"; der individuelle, lebende und leidende Mensch kommt nicht vor. Es heißt weiter, das Papier sei unter breiter Beteiligung von Expertinnen und Experten aus der Medizin, Psychologie, Ethik und Moraltheologie entstanden. Ich frage mich, ob auch transgeschlechtliche Menschen gefragt wurden oder ob – wie so oft – nur über sie, statt mit ihnen gesprochen wurde.

Gestern habe ich mich von einer Frau verabschiedet ...

Ich frage mich das auch als Frau, die seit vier Monaten in der Diözese Rottenburg-Stuttgart in der pastoralen und ethischen Begleitung von transgeschlechtlichen Menschen arbeitet und die in vielen Gesprächen erleben durfte, wie sich im persönlichen Kontakt mit Personen der Blick auf das Thema "trans" grundlegend verändert. Gestern habe ich mich von einer Frau verabschiedet. Sie hat in der nächsten Woche ihre Operation und danach eine mehrmonatige Auszeit. Wir sprachen über die aktuelle Meldung aus den USA. Sie war fassungslos und den Tränen nah. Was konnte ich ihr Tröstliches, Hoffnungsvolles mitgeben?

Bild: ©KNA (Symbolbild)

Eine Frau steht bei einer Patientin am Krankenhausbett.

Schon im Jahr 2011 hat sich die trägerübergreifende Ethik-Kommission im Bistum Trier mit der Frage nach der moralischen Erlaubtheit von geschlechtsangleichenden Behandlungen in katholischen Krankenhäusern beschäftigt. Sie betonte nicht nur den Bedarf einer gewissenhaften Abwägung aller personenbezogenen, medizinischen und rechtlichen Bedingungen, sondern hielt zugleich grundsätzlich fest: "Vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes kommt der Integrität des menschlichen Leibes eine hohe Bedeutung zu. Grundsätzlich wird dabei das jeweilige Geschlecht der Person nicht als beliebig verfügbar angesehen. Liegt jedoch eine medizinische Indikation im Sinne einer Transidentität vor, kommt der personalen Integrität ein Vorrang gegenüber der Integrität des biologischen Leibes zu." Katholische Krankenhäuser in Deutschland beteiligen sich an der Behandlung von transidenten Menschen und widersprechen damit keineswegs dem christlichen Menschenbild. Es ist sehr zu hoffen, dass es dabei auch bleibt.

Katholische Krankenhäuser sollten eine "Herberge" sein

Wenn die katholische Kirche die Geschichte vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) ernst nimmt, muss sie sich fragen, auf welcher Seite sie stehen will. Auf der Seite des Priesters oder des Leviten, der den Mann am Straßenrand links liegen lässt? Oder auf der Seite des Samariters?

Katholische Krankenhäuser sollten eine "Herberge" sein, ein heilender und heilsamer Ort für Menschen, die vielfach an ihrem Schicksal zerbrechen. Was wäre, wenn sich katholische Krankenhäuser auf die gesundheitlichen Belange von transgeschlechtlichen Menschen spezialisieren würden, unterstützt von einem eigenen pastoralen Ansatz, vernetzt mit den vielfältigen Angeboten der Caritas und im engen Austausch mit Angehörigen, aber auch mit Psychologen und Juristen von außen? Auf diese Weise würde ein katholisches Krankenhaus Zeugnis ablegen für die Menschenfreundlichkeit Gottes. Papst Franziskus hat 2020 ein Buch geschrieben und ihm den Titel gegeben "Wage zu träumen". Das ist mein Traum.

Von Ursula Wollasch

Die Autorin

Dr. Ursula Wollasch ist Unabhängige Ansprechpartnerin für transgeschlechtliche Menschen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Als katholische Theologin und Sozialethikerin war sie hauptberuflich viele Jahre im Vorstand von Fachverbänden der Caritas auf Bundes- und Landesebene tätig und arbeitet seit 2020 als freiberufliche Autorin.