Welche Segensfeiern will der Synodale Weg?
Unsere Kirche sucht seit langem verantwortbare Wege, um Menschen auch dann angemessen zu begleiten, wenn Brüche in ihrer Biografie oder andere Umstände dazu führen, dass ihre Lebenssituation öffentlich und offiziell nicht den Idealen der kirchlichen Morallehre und dem Katechismus entspricht. Der Wunsch nach Segensfeiern für Geschiedene bei einer Wiederheirat oder von gleichgeschlechtlichen Paaren ist also nicht neu.
Wer die Diskussion in der Vergangenheit ein wenig verfolgt hat, weiß, dass dabei verschiedene Wünsche und Vorschläge im Raum standen. Oftmals wurde sehr allgemein damit argumentiert, die Kirche dürfe doch Menschen, die um einen Segen bitten, diesen nicht verwehren. Dabei blieb häufig in der Schwebe, von welcher Art des Segens hier gesprochen wird. Manche dachten eher an eine private Gebets- und Segensbitte, die in der Tat in der seelsorglichen Begleitung kaum verweigert werden kann und wohl auch kaum verweigert wurde. Andere hofften auf einen öffentlichen Segensakt, mit dem nicht nur um Gottes barmherzige Zuwendung gebetet wurde, sondern zugleich der Wunsch verbunden war, dass die Kirche damit auch ein Zeichen der Anerkennung und Gutheißung dieser Partnerschaft setzt. Wieder andere gingen davon aus, dass die gesellschaftlich zugelassene "Ehe für alle" – auch aus theologischen Gründen – von der Kirche zu akzeptieren sei und deshalb auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften sowie bei einer Wiederheirat von Geschiedenen ebenfalls eine kirchliche Trauung möglich sein müsse.
Feier als Glaubensausdruck
Solange allerdings die Kirche beziehungsweise die Leitungsverantwortlichen in der Kirche nicht definieren, wie die Kirche mit den hier im Blick stehenden Lebenssituationen versöhnt leben kann und welche Bedeutung die Segensfeiern für die verschiedenen Paare haben sollen, fehlt für die Arbeit an konkreten liturgischen Formularen eine klare Orientierung. Denn eine liturgische Feier ist Glaubensausdruck der Kirche und muss auf einer – möglicherweise veränderten – theologischen Grundlage der kirchlichen Gemeinschaft beruhen und darf nicht für die Durchsetzung eigener Überzeugungen instrumentalisiert werden. Die Auseinandersetzung über Riten und Texte wird insofern erst zielführend, wenn ein Konsens besteht oder zumindest verbindlich geklärt ist, welche theologischen Vorstellungen und welche Ziele mit einer entsprechenden Segensfeier verbunden sind, welche Ziele auch nicht angestrebt werden und welche Vorstellungen deshalb auch vermieden werden sollen.
Hier nun hat die fünfte Synodalversammlung mit dem Handlungstext "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" einen wichtigen Schritt getan, der tatsächlich konkrete Handlungsmöglichkeiten eröffnen könnte, wenn ernst genommen wird, was der Kirche nicht nur möglich, sondern auch geboten scheint und wo die Grenzen einer verantwortbaren Praxis sind. Denn jede pastorale Praxis steht einerseits im Dienst von konkreten Menschen, auf die sie ausgerichtet ist. Zugleich aber ist sie immer über die Einzelsituation hinaus Zeugnis für das Evangelium und darf deshalb mögliche problematische Signale an andere nicht einfach ausblenden, auch wenn die Abwägung häufig schwierig ist. Wie weiter unten zu sehen ist, bietet der Synodale Weg hier eine kluge Unterscheidung an.
Der Handlungstext nimmt sehr unterschiedliche Situationen in den Blick, für die sicher nicht eine einzige einheitliche Lösung entwickelt werden kann, die allerdings die pastorale Situation in ihrer ganzen Breite erkennen lassen: "Es ist in der pastoralen Praxis eine breite Erfahrung geworden, dass gleichgeschlechtlich liebende Paare die Bitte um den Segen für ihre Partnerschaft äußern. Ebenso tun dies zivil wiederverheiratete Paare, die in einer neuen Partnerschaft einen neuen Anfang wagen. Es tun dies auch Paare, die sich für das Sakrament der Ehe noch nicht disponiert sehen. Oft werden sie damit den Belangen einer Partnerschaft gerecht, in denen nur ein Partner/eine Partnerin gläubig ist oder der katholischen Kirche nahesteht. Es gibt zunehmend auch die Erfahrung, dass ungetaufte Paare nach dem Segen fragen."
Im Blick auf den Handlungstext hatte der Co-Präsident des Synodalen Wegs und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, bereits im Pressestatement zum Auftakt der fünften Synodalversammlung darauf hingewiesen, dass die Beschlussvorlage keine konkreten Feierformulare enthält, sondern den Auftrag gibt, "diese zu entwickeln". In wünschenswerter Klarheit stellt Bätzing heraus, dass diese Formulare, zweierlei leisten müssen: Das eine sei, dem Ansinnen zweier "Menschen, die als ein Paar, das nicht in der christlichen Ehe miteinander verbunden werden kann oder will, aber um den Segen Gottes bitten, (…) gerecht zu werden, und zwar unter der Maßgabe, dass hier bereits eine Verbindung besteht. Der Segen begründet nicht die Verbindung." Auf der anderen Seite müssen der Text und die liturgische Gestalt deutlich machen, dass es „sich nicht um die sakramentale Feier einer Eheschließung handelt, denn diese begründet einen Bund zwischen Mann und Frau", betone der DBK-Vorsitzende. "Das ist die Form in der katholischen Kirche, in der die Ehe sakramental für die ganze Kirche fruchtbar wird und für diese beiden Menschen und die Kinder, die sie nach dem Willen Gottes empfangen werden, begrüßen werden – also sehr deutlich auch den Unterschied zu markieren. Denn Segen ist nicht Sakrament und nicht Eheschließung."
Keine partnerschaftsbegründende Feier wie bei Eheschließung
Bischof Bätzing macht damit deutlich, dass es nach seiner Überzeugung hier nicht um eine partnerschaftsbegründende Feier gehen kann. Vielmehr geht es darum, dass die Kirche die Entscheidung von zwei Menschen zu einer Partnerschaft als deren Gewissensentscheidung ernst nimmt, ihre Bitte um das begleitende Gebet und einen Segenszuspruch aufgreift, ohne dass hier – wie bei der sakramentalen Eheschließung – durch die Liturgie der Kirche die Partnerschaft selbst begründet wird.
Im Blick auf dieses Anliegen empfiehlt der Handlungstext der DBK und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, "zeitnah angemessene liturgische Feiern zu entwickeln und einzuführen". Dabei wird sodann in der Begründung herausgestellt: "Die Feier muss sich von einer Trauung unterscheiden. Liturgische Möglichkeiten zur Vermeidung einer Analogie zur Eheschließung sind ausdrücklich zu formulieren. Der Segen will bestärken, was in der Paarbeziehung an Liebe, Verbindlichkeit und gegenseitiger Verantwortung bereits besteht. Für die Zukunft wird Gottes Beistand erbeten und zugesagt."
„Man sollte die Beschlüsse nicht als Kompromisse schlechtreden. Sie sind vielmehr das Ergebnis eines Ringens um verantwortete und möglichst einmütige Entscheidungen, die im Idealfall von allen in der Kirche mitgetragen werden können und so die Einheit der Kirche nicht gefährden.“
Der Linzer Liturgiewissenschaftler Ewald Volgger spricht im Interview mit katholisch.de nun von "Menschen, die sich in eine Lebensweise einsegnen lassen möchten". Einsegnung aber ist ein Begriff, der auf den Beginn eines Weges verweist und gerade bei einer Trauung verwendet wird, die als "Einsegnung der Ehe" verstanden wird. Volgger äußert darüber hinaus seine Überzeugung: "Die Unterscheidung zur Ehe ist nicht in den Ritus einzuführen, sondern sie ergibt sich aus dem Wesen der Feier." So kann er sich einen Ringtausch vorstellen und hält die Umwindung der Hände mit der Stola für diskussionswürdig. Damit dürfte er also auch jene im Blick haben, die für ihre Partnerschaft einen kirchlichen Segen wünschen, der ihrer Verbindung einen öffentlichen Anfangspunkt gibt.
Natürlich ist es niemandem verwehrt, solche Wünsche und Anliegen aufzugreifen und weiterzuverfolgen. Aber das, was Ewald Volgger zu erkennen gibt, widerspricht eindeutig dem, was Bischof Bätzing herausgestellt und der Synodale Weg beschlossen hat: "Die Feier muss sich von einer Trauung unterscheiden."
Beschlüsse nicht als Kompromisse schlechtreden
Nun hätten sich sicher auch manche Synodale weitergehende Lösungen vorstellen können. Aber wie auf den großen Konzilien der Geschichte haben sich auch im Synodalen Weg keine Extrempositionen durchgesetzt. Man sollte die Beschlüsse nicht als Kompromisse schlechtreden. Sie sind vielmehr das Ergebnis eines Ringens um verantwortete und möglichst einmütige Entscheidungen, die im Idealfall von allen in der Kirche mitgetragen werden können und so die Einheit der Kirche nicht gefährden. Der Heilige Geist ist jedenfalls sicher nicht nur für das Neue zuständig, sondern kann und muss die Kirche auch vor Übereifer und Fehlentwicklungen bewahren. Es wäre fatal, wenn mühsam errungene Klärungen für die meisten nur der Ausgangspunkt für einen neuen Anlauf wären, die alten Wünsche und Forderungen auf andere Weise durchzusetzen.
Gerade jenen, die auf konkrete Konsequenzen des Synodalen Weges hoffen, sollte es ein Anliegen sein, den Beschluss des Synodalen Weges ernst zu nehmen und nicht für weitergehende Wünsche zu vereinnahmen. Denn dies erschwert eine zeitnahe Umsetzung des konkreten Beschlusses und torpediert eine weltkirchliche Verständigung über die Legitimität der deutschen Initiative. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Lösungen entwickelt werden, die nicht nur in der Theorie (oder auf dem Papier), sondern auch in der Feierpraxis den beiden Anliegen gerecht werden, die Bischof Bätzing klar herausgestellt hat: die Lebenssituation und den Segenswunsch von Paaren ernstnehmen, auch wenn diese keine sakramentale Ehe eingehen können oder wollen, und zugleich die sakramentale Ehe in ihrer besonderen Bedeutung für die Kirche zu schützen und zu stärken.