Liturgiker zu Segensfeiern: Sehe Chance auf Übereinkunft mit Rom
Der Beschluss des Synodalen Wegs, künftig Segensfeiern für homosexuelle Paare oder wiederverheiratete Geschiedene zu ermöglichen, hat auch im Ausland für große Aufmerksamkeit gesorgt – unter anderem bei Ewald Volgger. Der Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz beschäftigt sich schon lange mit solchen Segensfeiern und hat vor ein paar Jahren selbst einen liturgietheologischen Vorschlag erarbeitet. Im Interview spricht er darüber, wie man einen möglichen Konflikt zu dem Thema mit Rom lösen könnte und was es bei der Erstellung der angekündigten Handreichung zu beachten gilt. Zudem gibt er seine Einschätzung, wie man sich in Österreich zum deutschen Vorschlag verhalten wird.
Frage: Herr Volgger, Sie lehren als Liturgiewissenschaftler in Österreich: Wie mutig ist der Beschluss des Synodalen Wegs zu Segensfeiern für Paare, die sich lieben, von "außen" betrachtet?
Volgger: Nach der Diskussion, die seit geraumer Zeit stattfindet, ist es nicht unbedingt mutig, sondern logische Konsequenz. Nachdem sich die belgischen Bischöfe für die Segensfeier ausgesprochen haben, in Deutschland auch schon Modelle vorgelegt werden, und weltweit Forderungen dazu bestehen, ist dies ein konsequenter Schritt.
Frage: Der Antwerpener Bischof Johan Bonny war bei der letzten Versammlung in Frankfurt anwesend und hat nochmal erklärt, was die belgischen Bischöfe da genau machen. Die Bischöfe betonen ja immer, dass das im Prinzip keine liturgische Feier sei….
Volgger: Ich habe schon unmittelbar nach der Ankündigung aus Belgien festgehalten, dass es sich bei diesem Vorschlag de facto um die liturgische Gestalt einer Segensfeier handelt, auch wenn man dies dann doch nicht so ganz benennen wollte. Andere Kollegen aus der Liturgiewissenschaft haben mir zugestimmt. Klar muss aber sein, dass es für eine offizielle liturgische Form auch eine amtliche Bestätigung braucht. Das ist offensichtlich nicht geschehen, aber der Vorschlag als solcher ist ein Vorschlag für eine liturgische Feier.
Frage: Wer kann so eine amtliche Bestätigung geben?
Volgger: Wenn es ein Ritus sein soll, der für die ganze Kirche Gültigkeit hat, dann muss Rom zustimmen oder einen verbindlichen Modellritus vorlegen. Die Frage ist, inwieweit die Bischöfe das Recht auf eigene Approbation wahrnehmen können im Sinne der Rechte, die den Bischofskonferenzen beziehungsweise den einzelnen Bischöfen zugesprochen sind.
Frage: Nun gab es aber nach dem Beschluss des Synodalen Wegs bereits kritische Reaktionen aus Rom. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin etwa betonte, die Frage der Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare könne nicht von einer Ortskirche im Alleingang beantwortet werden. Nötig sei vielmehr ein Dialog auf weltkirchlicher Ebene. Das spricht doch dafür, dass Rom die Segensfeiern in Deutschland ablehnt und das auch deutlich kommunizieren wird.
Volgger: In der Weltkirche gibt es oft eine ungleichzeitige Entwicklung. Deshalb muss man wohl auch Verständnis haben für eine gewisse Zurückhaltung in Rom. Allerdings sehe ich diese Zurückhaltung jetzt weniger auf der theologischen Ebene, sondern mehr auf der Ebene der Verständigung und der zeitlichen Gestaltung. Rom legt bei solchen Schritten Wert auf Einhelligkeit. Wenn es diese noch nicht gibt, muss man schauen, was das für die gemeinsame Entwicklung in der Kirche bedeutet. Daher muss man aus meiner Sicht in Betracht ziehen, dass das Zweite Vatikanische Konzil den Bischofskonferenzen gewisse Eigenständigkeiten zugesprochen hat und fragen, ob diese für diesen Bereich greifen könnten. Wenn man diesbezüglich eine Übereinkunft mit Rom erzielen könnte, hätten die deutschen Bischöfe die Möglichkeit, einen solchen Ritus zunächst für ihren Bereich vorzulegen.
Frage: Halten Sie das für realistisch?
Volgger: Wenn die deutschen Bischöfe den vatikanischen Behörden deutlich machen, dass man nicht etwas durchdrücken will, sondern im Gespräch Lösungen sucht, dann durchaus. Ich glaube, dass Rom eine differenziertere Haltung zu dieser Frage hat. Wenn man Äußerungen von Verantwortlichen wahrnimmt, dann ergeben sich durchaus auch wohlwollende Sichtweisen. Jeder Gesprächsprozess hat in sich, dass man sich aufeinander einlässt, abwägt und schaut, wo die Machbarkeiten sind.
Frage: Es soll, so der Beschluss des Synodalen Wegs, zunächst eine Handreichung kommen. Wenn Sie an Ihren eigenen liturgischen Vorschlag zu einer Segensfeier denken: Was müsste diese Handreichung aus Ihrer Sicht beinhalten?
Volgger: Jedes Feierbuch für eine liturgische Feier nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil beinhaltet einerseits die Pastorale Einführung und andererseits die Feier selbst. Die pastorale Einführung entfaltet die theologischen Grundlagen. Das heißt, man müsste etwas über die Bedeutung und Würde des Lebens in Beziehung sagen, auch in unterschiedlichen Beziehungsformen von Menschen, die sich lieben. Dann braucht es die Erläuterungen zu den Aufgaben und Diensten in der Feier und schließlich wird die Feiergestalt selbst beschrieben und vorgelegt. Zur Feiergestalt: Nach dem Wortgottesdienst folgt eine Befragung zur Bereitschaft des Paares zum gemeinsamen Leben. Dann folgt das Segensgebet, in dem Gott für das von ihm geschenkte gemeinsame Leben gedankt und zugleich um die Gnade der weiteren Verwirklichung angerufen wird; die Übergabe eines Zeichens, das auch ein bleibendes Zeichen der Beziehung und der gegenseitigen Verantwortung sein kann, schließt diesen Teil ab. Ob Ringe dafür angemessen sind, wird man diskutieren müssen – ich persönlich finde, sie wären es. Das wäre die logische Struktur einer solchen Feier. Es gibt Vorschläge aus der Praxis, in denen es heißt, man wolle nichts Verbindliches, sondern einfach nur einen Segen, der auch eine gewisse Unverbindlichkeit hat. Ich meine, das entspricht nicht dem Wesen dessen, was Menschen beabsichtigen, wenn sie sich einander versprechen und ihr Leben als Antwort auf die gemeinsam zu verwirklichende Taufberufung gestalten möchten. Sollte eine Form des niederschwelligen Segens gewünscht sein, dann reicht auch ein einfacher Segensspruch über die beiden – einzeln oder gemeinsam.
Frage: Es heißt, man müsse verhindern, dass eine solche Segensfeier einer sakramentalen Eheschließung zu ähnlich wird. Wie erreicht man das?
Volgger: Diese Forderungen müssen in der konkreten äußeren und inhaltlichen Gestalt deutlich werden. Der Unterschied wird deutlich durch die theologische Beschreibung in der pastoralen Einführung. Wichtig ist, dass man positiv formuliert und nicht in Absetzung zur Ehe. Dabei wird deutlich werden, dass es sich – im Sinne der klassischen Sakramentenlehre – um eine Sakramentalie handelt und nicht um ein Sakrament. Wenn Menschen, die sich in eine Lebensweise einsegnen lassen möchten, eine liturgische Feier angeboten wird, dann leben diese ja nicht von der Unterscheidung zu etwas anderem, sondern versprechen das Ihre und möchten, dass dies positiv zur Sprache gebracht wird. Denn es ist ja ein Geschenk von Gott, das sie erfahren und für das sie weiterhin den Segen erbitten. Weil ihnen der Partner oder die Partnerin von Gott zugedacht ist, übernehmen sie vor Gott füreinander Verantwortung in verlässlicher Absicht. Die Unterscheidung zur Ehe ist nicht in den Ritus einzuführen, sondern sie ergibt sich aus dem Wesen der Feier.
Frage: Trotzdem: Den Partnern eine Stola um die Hände legen, wie das bei der Eheschließung gemacht wird, sollte man vermutlich nicht.
Volgger: Die Umwindung der Hände mit der Stola, übrigens im deutschen Sprachraum entstanden und praktiziert – der lateinische oder italienische Ritus kennt sie nicht –, wird mit Mt 19,6 verbunden. In älteren deutschen Kommentaren zur Eheliturgie wird sie als Zeichen der Kirche beschrieben für das sehnliche Verlangen, dass Gottes Gnade und Segen die neue Ehe bewahren und schützen möge. Ob dieses Zeichen mit seiner Geschichte und seinen Sinnstiftungen angemessen ist, müsste diskutiert werden. Gesamtkirchlich hat dieses Zeichen keine Bedeutung.
„Die Unterscheidung zur Ehe ist nicht in den Ritus einzuführen, sondern sie ergibt sich aus dem Wesen der Feier.“
Frage: Wieviel Gestaltungsspielraum brauchen denn die Seelsorger, die so eine Segensfeier leiten?
Volgger: Der Vorschlag einer Feier dient dazu, den Seelsorgern ein Modell an die Hand zu geben. Sie werden sich daran orientieren, so wie auch bei anderen Segensfeiern. Da stellt sich nicht die Frage, was die Seelsorger darüber hinaus tun können oder sollen, sondern es wird ihnen eine Feiergestalt anvertraut, damit sie es tun können. Ich kenne viele Formen aus der Praxis. Bei vielen müssten die Textierung, die inhaltlichen Akzente und deren Aussage analysiert werden. Nicht alles, was für eine konkrete Feier, für konkret vor Augen stehende Paare, gemacht wird, ist als Modellfeier für andere tauglich. Deswegen braucht es eben den Modellritus, der möglichst allen dient.
Frage: Hat Ihr Segensfeier-Vorschlag auch Interesse aus Deutschland geweckt?
Volgger: Ja, mir wurde viel Interesse aus dem In- und Ausland, auch aus Übersee, entgegengebracht. Ich habe unter anderem von zwei Bischöfen aus Deutschland die konkrete Anfrage bekommen, ob sie an diesem Modell weiterarbeiten können.
Frage: Sie sind Mitglied der Liturgiekommission der Österreichischen Bischofskonferenz. Wie ist da die Haltung zum Thema Segensfeiern?
Volgger: In der Liturgiekommission der Bischofskonferenz stehen wir dem positiv gegenüber. Deswegen haben wir auch aufmerksam wahrgenommen, was in Deutschland vor sich geht. Da es bei liturgischen Feiern zwischen den Liturgiekommissionen Deutschlands, Österreichs und der deutschsprachigen Schweiz Absprachen gibt, wird es möglicherweise auch in diesem Anliegen eine Übereinkunft geben, wenn eine Feierform erarbeitet wird. Ich kann mir vorstellen, dass Österreich sich dazu positiv verhalten möchte.
Frage: Und den Vorschlag aus Deutschland gleich selbst aufnimmt?
Volgger: Ja, aber auch eine gemeinsame Diskussion oder eine gemeinsame Veröffentlichung ist denkbar. Wenn ein Vorschlag erarbeitet wird, der als Handreichung dienen soll, ist aber auch klar, dass dies aus liturgierechtlicher Perspektive ein sehr niederschwelliger Vorgang ist. Daher wird ein solcher Vorschlag der Bischofskonferenz unterschiedlich angenommen werden, weil es auch unter den Bischöfen nicht nur Einhelligkeit gibt. Einen solchen Vorschlag müsste jeder einzelne Bischof in seiner Diözese in Kraft setzen. Aber das würde ich jetzt nicht negativ sehen: Es ist durchaus wünschenswert, dass ein Modell in Praxis kommt und sich dieses dann aufgrund von entsprechenden Erfahrungen entwickeln kann.