Theologin: Keine mahnenden Worte des Papstes bei Ungarn-Besuch
Nach Einschätzung der Linzer Pastoraltheologin und Osteuropa-Expertin Klara-Antonia Csiszar darf man von Papst Franziskus bei seinem am Freitag beginnenden Ungarn-Besuch keine Zurechtweisungen an Premierminister Viktor Orban oder die örtlichen Bischöfe erwarten. Der Pontifex werde vielmehr Positives loben statt zurechtzuweisen, zu moralisieren und polarisieren, sagte Csiszar laut der österreichischen Presseagentur "Kathpress" am Mittwoch mehreren österreichischen Kirchenzeitungen. "Papst Franziskus wird sagen: 'Ihr seid das Volk des heiligen Martin.' Und er wird sich bedanken, dass Ungarn eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat", heißt es weiter.
Nur ein solcher Zugang habe die Chance, "zumindest einen kleinen Schritt weiterzukommen". Das hänge mit der Geschichte von Gesellschaft und Kirche in Ungarn und den früheren Ostblock-Staaten zusammen. Dort habe man im Kommunismus gelernt, "sich mit dem zu arrangieren, was ist". Daher würden auch unter Christen Positionierungen der Kirche abgelehnt. Dagegen hätten die westlichen EU-Staaten einen Vorsprung in der Demokratie und weniger Erfahrung mit existenzieller Unsicherheit.
Viel Zuspruch für Regierungschef in Ungarn
Zulauf finde Orban in Ungarn vor allem als starke Führungsperson in einer "Polykrise"; die Kirche in dem Land sehe ihn als "Verteidiger der christlichen Werte", unter denen man "hauptsächlich die Familie aus Frau, Mann und Kindern" verstehe, so Csiszar. Außerdem seien die Kirchen in Ungarn finanziell vom Staat abhängig, wodurch die Regierung die Positionen der Kirchen mitbestimme. Die Professorin der Katholischen Privatuniversität Linz wünschte sich außerdem, dass vieles "charmanter dargestellt" wird, damit etwa Vorstellungen des Synodalen Wegs in Deutschland in Europas jüngeren Demokratien nicht sofort abgelehnt würden. Cziszar war als Mitglied des Redaktionskomitees beim Europa-Treffen der Weltsynode in Prag und verfasste deren Abschlussbericht mit.
Von Freitag bis Sonntag besucht Papst Franziskus in die ungarische Hauptstadt Budapest. Höhepunkte sind eine Messe am Sonntag auf dem Kossuth-Platz vor dem Parlament und eine große Jugendveranstaltung in einer Sporthalle. Außerdem setzt der Pontifex soziale Schwerpunkte: Er trifft Armutsbetroffene sowie Flüchtlinge und besucht eine Sozialeinrichtung für blinde Kinder mit Behinderungen. Vorgesehen sind zum Auftakt außerdem Treffen mit Regierungschef Viktor Orban und Staatspräsident Katalin Novak.
Bereits im September 2021 hatte Papst Franziskus für wenige Stunden zur Abschlussmesse des Eucharistischen Weltkongresses Budapest besucht und schon damals unter Ausschluss der Öffentlichkeit unter anderem Viktor Orban getroffen. Im April 2022 war der ungarische Regierungschef von Franziskus bei einer Audienz empfangen worden, bei der er den Pontifex offiziell nach Ungarn einlud. Beobachter machten politische Differenzen zwischen der ungarischen Regierung und dem Vatikan aus. Vor allem in der Migrationspolitik gab es in den vergangenen Jahren zwischen der von Papst Franziskus propagierten Linie und der restriktiven Politik der Orban-Regierung erhebliche Unterschiede. (mpl)