Gemeindereferentin: Familiengottesdienste sind keine Konkurrenz
Wie wichtig sind Kinder und Familien in der Pastoral? Sehr wichtig, findet Kerstin Aufenanger. Sie ist als Gemeindereferentin im Bistum Mainz im Dezernat Seelsorge für das Thema Liturgie mit Kindern und Familien zuständig. Die 43-Jährige weiß, worauf es in Kinder- und Familiengottesdiensten ankommt, wie sich diese in den vergangenen Jahren verändert haben und welche Rolle dabei die Digitalisierung gespielt hat.
Frage: Frau Aufenanger, Gottesdienstbesucher werden immer weniger und auch immer älter. Braucht es da noch spezielle Kindergottesdienste?
Aufenanger: Auf jeden Fall braucht es Gottesdienste für Kinder und Familien. Ich würde das nicht nur auf Kinder beschränken, sondern auf die Familie als Ganzes. Ja, die Gottesdienstbesucher werden weniger und älter, aber es gibt durchaus Gemeinden, wo das Thema Familienpastoral stark besetzt ist. Da würde ich nicht unterschreiben, dass es nur alte Gottesdienstbesucherinnen und -besucher gibt. Ich glaube, wenn das Thema Familienpastoral insgesamt einen Stellenwert einnimmt, dann wirkt sich das auch auf die Liturgie aus. Und es gibt ja nicht nur die Eucharistiefeier am Sonntag, sondern einen großen Schatz an vielfältigen Formen der Liturgie. Dies insgesamt gilt es noch mehr auszuschöpfen.
Bei uns im Bistum Mainz sprechen wir zum Beispiel von unterschiedlichen Kirchorten – und da ist die Kita ein Kirchort. Auch da werden Gottesdienste gefeiert und natürlich braucht man an diesen Orten ansprechende Gottesdienste für Kinder und Familien.
Frage: Halten diese Gottesdienste Kinder nicht von regulären Gottesdiensten fern?
Aufenanger: Es ist natürlich die Frage, ob man das als Konkurrenz sieht Ich sehe nicht, dass man sich etwas wegnimmt. Es geht ja immer um die frohe Botschaft.
Es ist aber natürlich schon sinnvoll, Kinder im "normalen" Gottesdienst dabei zu haben. Wobei: Was ist schon normal? Ich finde es aber sehr wertvoll, Kinder auch in diesem Gottesdienst zu integrieren und da gibt es durchaus Möglichkeiten, ohne dass man ein extra Programm für Kinder fahren muss. Indem man zum Beispiel zeigt, dass einem die Familien viel wert sind und die Kinder miteinbezieht, beispielsweise bei der Gabenprozession gemeinsam mit den Ministrantinnen und Ministranten. So können sich Kinder willkommen fühlen und sie merken, dass auch sie angesprochen sind. Blicken wir auf die Liturgie, wie wir sie häufig feiern, sind die Musik, Form, Texte und Sprache, erstmal wenig ansprechend für Kinder, weil es schwer verständlich ist.
Manchmal höre ich: "Früher waren die Kinder noch alle im Gottesdienst und das war in Ordnung, da musste es auch nichts extra für die Kinder geben". Aber das betrifft die, die zu meiner Generation Kinder waren und die sind ja heute die Erwachsenen, und die sind häufig heute auch nicht mehr im Gottesdienst. Warum nicht?
Frage: Haben sich Kinder- und Familiengottesdienste in den vergangenen Jahren verändert?
Aufenanger: Zu Beginn meiner beruflichen Karriere gab es klassisch sonntags den Gottesdienst und parallel dazu einen Wortgottesdienst für Kinder; Eltern und Kinder waren also getrennt. Mit der Zeit waren immer mehr Eltern in diesem parallelen Kindergottesdienst. Diese Trennung gibt es also heute vielfach nicht mehr, weil viele Eltern sich zum einen auch von den Inhalten des Kindergottesdienstes angesprochen fühlen und weil sie gemeinsam Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen.
Außerdem wird die Familie als Ganzes eher in den Blick genommen. Als ein Beispiel nenne ich das Projekt "Kirche Kunterbunt", was kein reines Gottesdienst-, sondern ein Format für Familien ist, in dem auch Gottesdienst gefeiert wird. Es geht um qualitative Zeit miteinander, um Glauben zu teilen, aktiv etwas zu tun, ins Gespräch zu kommen und auch gemeinsam zu essen – Familienzeit.
Frage: Welche Rolle spielte und spielt dabei die Digitalisierung?
Aufenanger: Durch die Corona-bedingten Umstände hat die Digitalisierung einen Stellenwert auch in der Liturgie eingenommen – bei Erwachsenen als auch in der Liturgie für Kinder und Familien. Es sind zum Beispiel Gottesdienste aufgenommen worden, die auf YouTube oder anderen Streamingportalen angeschaut werden konnten und zum Teil immer noch können. Da kann man dann als Familie einen Zeitpunkt finden den Gottesdienst zu feiern, der gut in den Familienalltag passt.
Darüber hinaus ist beispielsweise auch ein bistumsübergreifendes Projekt entstanden, bei dem ein Team einmal im Quartal einen Online-Familiengottesdienste via Zoom anbietet. Das soll keine Konkurrenz zu den Gemeindegottesdiensten vor Ort sein, aber es ist ein weiteres Angebot für Familien, die zum Beispiel in ihrer Nähe kein Angebot haben oder die es nicht schaffen, morgens um 10 Uhr gestriegelt, pünktlich und gut gelaunt im Gottesdienst zu sitzen. Da kommen Familien aus ganz Deutschland zusammen. Eine aktive Beteiligung der Kinder ist in diesem Gottesdienstformat gut möglich, denn man kann die Umgebung der Kinder nutzen. Wenn es zum Beispiel um den Sturm auf dem See von Galiläa geht, können sie gefragt werden, was ihnen hilft, wenn sie sich unsicher fühlen. Sie können in ihr Kinderzimmer flitzen, ihr Lieblingskuscheltier holen und in die Kamera halten. Wir haben auch festgestellt, dass wir die Familien so ins Gespräch über den Glauben bringen. Das passiert selten im Alltag. Dann schalten sich alle auf stumm und überlegen gemeinsam, ohne dass sie belauscht werden. Das ist eine große Chance und funktioniert sehr gut.
Frage: Wer kümmert sich um Kinder- und Familiengottesdienste? Sind es eher die Ehrenamtlichen oder die Hauptamtlichen? Wahrscheinlich sind es auch vor allem Frauen. Und finden Sie, dass sich da etwas ändern sollte?
Aufenanger: Die Engagierten sind wirklich meist Frauen. Die Vorbereitung und die Feier der Gottesdienste für Kinder und Familien geschieht manchmal sehr autark und unabhängig von den Hauptamtlichen in der Gemeinde und manchmal in Kooperation. Das ist ganz unterschiedlich in den Gemeinden.
Was ein wichtiges Thema ist – gerade auch mit Blick auf Kirchenentwicklung –, ist die Förderung, Qualifizierung und die Wertschätzung. Das heißt: Wie begleiten wir die Ehrenamtlichen, wie qualifizieren wir sie, wie unterstützen wir sie logistisch, aber auch inhaltlich zum Beispiel durch die Möglichkeit von Fortbildungen?
Frage: Was ist das Wichtigste, was man bei Kinder- und Familiengottesdiensten beachten sollte, und haben Sie weitere Tipps?
Aufenanger: Ganz wichtig finde ich: Ein Kindergottesdienst ist kein Religionsunterricht. Es geht nicht darum, dass die Kinder nach dem Gottesdienst nach Hause gehen, etwas gelernt haben und man sie danach abfragen kann. In der Liturgie geht es vielmehr darum, die Kinder in Berührung mit Gott zu bringen, ihnen die frohe Botschaft anzubieten – und da braucht es manchmal gar nicht viel Programm. Es reicht zum Beispiel die Frage: Was ist für dich das Schönste in dieser Bibelstelle? So kommen sie ins Gespräch über den Glauben.
Frage: Gibt es Stellen, bei denen man Tipps erhält, beispielweise wenn man diese Gottesdienste in seiner Gemeinde starten will?
Aufenanger: Am besten schaut man sich zuerst in seiner Gemeinde um. Gibt es einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin für Kindergottesdienste?
Für ganz praktische Unterstützung gibt es eine sehr gute Seite im Internet: kindergottesdienst-katholisch.de. Hier findet man sehr viel Material und hilfreiche Tipps – von Liturgie-Basics bis hin zu Bausteinen für Gottesdienste zu den meisten Sonntagen. Diese Seite ist ein großer Schatz und man findet auch alle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Bistümern.
Frage: Was erhoffen Sie sich für die Pastoral für Kinder und Familien in Zukunft?
Aufenanger: Ich fände es schön, wenn Kinder und Familien mit ihren Bedürfnissen ernstgenommen werden Wir sollten schauen, wo die Kinder und Familien sind und herausfinden, was ihnen wichtig ist und was ihnen guttut – indem wir sie auch einbeziehen und nachfragen.
Es ist ein wichtiges Feld und ich danke allen, die sich darin engagieren. Es macht viel Spaß und für einen selbst bringt es ja auch viel, weil man sich dadurch selbst mit dem Glauben auseinandersetzt.