Der 69-Jährige betreut die bekannte Thüringer Wallfahrtskirche

Der Hüter des Klüschens: Heinrich Heckeroth ist seit 40 Jahren Küster

Veröffentlicht am 05.06.2023 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Wachstedt ‐ Das Klüschen Hagis im Thüringer Eichsfeld ist eine besondere Wallfahrtskirche – die noch dazu einen besonderen Küster hat: Der 69-jährige Heinrich Heckeroth kümmert sich nämlich schon seit sage und schreibe 40 Jahren um das Kirchlein. Für sein Engagement wurde er jetzt ausgezeichnet. Ein Porträt.

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Wenn Heinrich Heckeroth sagen soll, was für ihn das Schönste am Küsterdienst ist, muss er nicht lange überlegen: "Das ist und bleibt die unmittelbare Vorbereitung der Gottesdienste. Jede Messe ist anders und besonders und die Vorbereitung immer eine schöne Herausforderung." Das fange schon mit dem Herauslegen der liturgischen Gewänder an und höre beim Anzünden der Kerzen am Altar noch lange nicht auf. Dabei sei es auch egal, ob es sich um einen normalen Sonntagsgottesdienst, eine Messe zu einem Hochfest, einen Traugottesdienst oder auch ein Requiem handele. "Mein Ziel ist es immer, mit viel Freude und Engagement meinen Beitrag zu einer würdigen Feier zu leisten", erzählt Heckeroth im Gespräch mit katholisch.de.

Heckeroth, das kann man ohne Übertreibung schreiben, ist mit Leib und Seele Küster. Seit sage und schreibe 40 Jahren betreut er in dieser Funktion die Wallfahrtskirche Klüschen Hagis (gesprochen Klüs-chen) im Thüringer Eichsfeld. Für Heckeroth ist der Dienst in dem kleinen Kirchlein im Wald zwischen Wachstedt und Martinfeld eine Lebensaufgabe – für die ihm am diesjährigen Hochfest Christi Himmelfahrt von Bischof Ulrich Neymeyr die Elisabeth-Medaille des Bistums Erfurt verliehen wurde. Mit der nach der heiligen Elisabeth von Thüringen benannten Auszeichnung ehrt die Diözese herausragendes Engagement für die Kirche.

"Heinrich, komm schnell, ich brauche Dich nach dem Dankgebet am Altar"

"Ich habe das vorher nicht gewusst und auch überhaupt nicht damit gerechnet", erzählt Heckeroth vom Moment der Verleihung. Der Gottesdienst zur traditionellen Männerwallfahrt zum Klüschen Hagis sei noch in vollem Gange gewesen, als plötzlich der Sekretär des Bischofs zu ihm gekommen sei: "Der sagte zu mir: 'Heinrich, komm ganz schnell, ich brauche Dich nach dem Dankgebet am Altar.' Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht, doch als ich dann am Altar stand, holte der Bischof plötzlich die Medaille hervor und die Gläubigen fingen an zu applaudieren. Die Überraschung ist wirklich gelungen."

„Mein Ziel ist es immer, mit viel Freude und Engagement meinen Beitrag zu einer würdigen Feier zu leisten.“

—  Zitat: Heinrich Heckeroth über seine Arbeit als Küster

Die Auszeichnung hat Heckeroth hörbar erfreut, und sie hat große Bedeutung für ihn. Immerhin sei die Medaille Ausdruck für den Dank und die Anerkennung für die geleistete Arbeit. "Aber so eine Medaille hat ja immer zwei Seiten. Insofern spüre ich schon auch die Erwartungshaltung, dass ich meinen Dienst noch ein paar Jahre weiterführen möge", sagt der 69-Jährige mit einem Augenzwinkern.

Dabei findet er es selbst erstaunlich, dass er schon so lange Küster am Klüschen sowie auch in der Kirche in Wachstedt ist. "Ich hätte am Anfang nie gedacht, dass daraus mal 40 Jahre werden würden", erzählt Heckeroth. Schließlich habe er die Aufgabe eher zufällig und auch erst nach und nach übernommen. Anfang der 1980er Jahre habe die Haushälterin des damaligen Wachstedter Pfarrers ihn zunächst gefragt, ob er bei den Gottesdiensten am Klüschen nicht mit kollektieren könne. "Im Laufe der Jahre kamen dann immer mehr Aufgaben dazu. Und wenn man erstmal eine Aufgabe übernommen hat, wird man sie nicht wieder los. Es ist Stück für Stück gewachsen", sagt Heckeroth mit einem Schmunzeln. Den ersten offiziellen Küsterdienst habe er dann bei einer Erstkommunion übernommen.

Seit bald 40 Jahren ununterbrochen im Pfarrgemeinderat

Der christliche Glaube, die katholische Kirche und das Klüschen Hagis spielen freilich schon seit seinen Kindertagen für Heckeroth eine wichtige Rolle. "Ich bin in einem sehr katholisch geprägten Elternhaus in Martinfeld aufgewachsen", berichtet er. Seine Eltern hätten ihm schon früh den Glauben anerzogen, später folgten Religionsunterricht und Dienste als Ministrant und Lektor in seinem Heimatort. Auch nach seiner Hochzeit im Jahr 1976 und dem damit verbundenen Umzug ins benachbarte Wachstedt blieb Heckeroth der Kirche treu. Er wuchs in die neue Pfarrgemeinde hinein und wurde bereits nach wenigen Jahren in den Pfarrgemeinderat gewählt, dem er inzwischen ebenfalls seit bald 40 Jahren ununterbrochen angehört. Hinzu kamen mit den Jahren Tätigkeiten im Kirchenvorstand und im Kirchortrat.

Bild: ©picture alliance/Swen Pförtner/dpa-Zentralbild/dpa

Die kleine Wallfahrtskirche Klüschen Hagis, an der Heckeroth als Küster wirkt, liegt im Thüringer Eichsfeld zwischen Martinfeld und Wachstedt.

Als Küster ist Heckeroth bei weitem nicht nur für die Vorbereitung der Gottesdienste zuständig. "Insbesondere seit wir keinen eigenen Pfarrer mehr haben, haben die Aufgaben nochmal deutlich zugenommen. Irgendwas ist immer zu tun", berichtet er. Eingerahmt werden die Tage dabei in gewisser Weise von der Tür der Wachstedter Kirche. Die nämlich schließt Heckeroth jeden Morgen auf und abends wieder zu: "Das mache ich seit 2008 – es sei denn, es regnet stark oder ich bin im Urlaub. Dann bleibt sie zu." Dazwischen fallen vor allem Handwerker- und Hausmeistertätigkeiten an. Mal quietscht eine Tür, mal ist ein Schloss kaputt, mal muss der Rasen am Klüschen gemäht werden – vieles erledigt Heckeroth selbst, manchmal muss er aber auch einen Fachmann bestellen.

Kritischer Blick auf den aktuellen Zustand der Kirche

Bei all dem kann er bis heute auf die Unterstützung seiner Frau Ruth bauen, mit der er seit 47 Jahren verheiratet ist. "Ich sage immer: Man kann die Arbeit als Küster noch so gut machen, aber wenn die Ehefrau und die Familie nicht mitspielen, dann funktioniert das nicht", betont Heckeroth. Immerhin habe er dem Küsterdienst viel Lebenszeit geopfert und, als er noch im Berufsleben stand und erst als Instandhaltungsmechaniker in einem großen Landwirtschaftsbetrieb und später als stellvertretender Kreisbrandinspekteur tätig war, auch schon mal Urlaub genommen, um besondere Gottesdienste vorzubereiten. "Meine Frau und unsere beiden Töchter mussten teilweise schon sehr zurückstecken. Gerade in den Sommermonaten konnten wir an den Wochenenden früher meist erst dann etwas als Familie unternehmen, wenn die Gottesdienste am Klüschen vorbei waren", blickt er zurück. Umso dankbarer ist er, dass seine Frau sich ebenfalls für die Kirche engagiert und sich seit 20 Jahren um den Blumenschmuck in der Wallfahrtskirche kümmert: "Das wir am Klüschen vieles gemeinsam machen – das ist sehr schön."

Obwohl oder gerade weil er so stark in der Kirche engagiert ist und der Glaube sein Leben prägt, blickt Heckeroth durchaus kritisch auf den aktuellen Zustand der Kirche. Wobei er im Gespräch unterscheidet zwischen den Gläubigen einerseits und der Amtskirche andererseits. "Die Dauerkrise unserer Kirche spürt man auch im Eichsfeld. Aber es ist vor allem eine Krise der Amtskirche", meint er. Die müsse sich ändern und dürfe nicht immer nur auf den Vatikan warten. Zwar müsse man gegenüber Papst und Kurie natürlich gehorsam sein, trotzdem müsse man doch versuchen, gemeinsam auch mal eigene und neue Wege zu gehen: "Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so stark verändert, die Welt ist freier geworden – dem kann sich die Kirche nicht auf ewig verschließen."

„Wir haben Frauen, die in höchsten Ämtern in der Politik und der Wirtschaft tätig sind. Warum soll eine Frau also keinen katholischen Gottesdienst leiten können? Das muss sich endlich ändern.“

—  Zitat: Heinrich Heckeroth

Hörbar übel nimmt Heckeroth der Kirche, dass sie die diversen Skandale der vergangenen Jahre seiner Ansicht nach nicht konsequent und transparent genug aufgearbeitet hat. Ob der Umgang mit dem Missbrauchsskandal ("Da wird immer noch zu viel unter den Teppich gekehrt") oder mit dem früheren Limburger Skandal-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst ("Der ist im Vatikan sogar noch die Treppe raufgefallen!") – Fehlverhalten habe in der Kirche zu selten Konsequenzen, findet der Küster. Hinzu komme der geradezu vorgestrige Umgang mit den Frauen. "Wir haben Frauen, die in höchsten Ämtern in der Politik und der Wirtschaft tätig sind. Warum soll eine Frau also keinen katholischen Gottesdienst leiten können? Das muss sich endlich ändern", sagt er.

Heckeroth hofft auf Reformen in der Kirche

Heckeroth hofft auf Reformen in der Kirche, schließlich merke man auch im Eichsfeld, dass der Gottesdienstbesuch und die Bereitschaft und Selbstverständlichkeit, sich in der Kirche zu engagieren, abnähmen. "Es braucht sichtbare Zeichen der Veränderung, gerade auch gegenüber den jungen Menschen", appelliert der Küster, der dabei wohl auch an seine vier Enkelkinder denkt, von denen zwei bereits als Messdiener aktiv sind. Wenn die katholische Kirche in Deutschland noch eine Chance haben solle, brauche es so bald wie möglich Reformen, ist Heckeroth überzeugt.

Er selbst jedoch, das ist wohl sicher, wird der Kirche sein Leben lang treu bleiben. Doch wie lange will er den Küsterdienst am Klüschen Hagis und in Wachstedt denn nun noch ausüben? Ist das 50-jährige Dienstjubiläum ein Ziel für ihn? "Das wäre ganz sicher ein Ziel – aber entscheiden tut das unser Herrgott", betont er. Wenn der ihm weiterhin eine gute Gesundheit schenke, sei vieles möglich. "Als ich nach der Verleihung der Elisabeth-Medaille eine kurze Rede gehalten habe, habe ich die Wallfahrer aufgefordert, beim Herrgott für mich zu beten, damit ich den Dienst noch eine Zeitlang machen kann", erzählt Heckeroth.

Von Steffen Zimmermann