Bischof Olson vs. Mutter Oberin – bizarrer Streit im Kloster eskaliert
Wenn die Unbeschuhten Karmelitinnen für eines nicht bekannt sind, dann für Aufregung. Im Gegenteil. "Vorrang des Gebetes, Einsamkeit, Schweigen" gehört für die heilige Teresa von Ávila zum Kern karmelitanischer Spiritualität. Und dennoch sind es Karmelitinnen, die in einen der aufsehenerregendsten kirchlichen Skandale derzeit verwickelt sind: Das Kloster der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Arlington im US-Bundesstaat Texas ist Schauplatz eines erbitterten Streits zwischen den Nonnen und dem Ortsbischof von Fort Worth, Michael Olson, auf dessen Gebiet das Kloster liegt. Der Bischof wirft der Oberin der Gemeinschaft, Mutter Teresa Agnes Gerlach, einen Bruch ihres Keuschheitsgelübdes vor – mit einem Priester.
Die erste Mitteilung der Diözese war knapp. Bischof Olson sei im April informiert worden, dass die Oberin "Sünden gegen das sechste Gebot begangen und ihr Keuschheitsgelübde mit einem Priester von außerhalb der Diözese Fort Worth gebrochen" habe. "Im Kloster der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Arlington, Texas, wurde am 24. April 2023 eine kirchliche Untersuchung zu dem Bericht über das schwere Fehlverhalten eingeleitet", geht es knapp weiter. Solange die Untersuchung laufe, werde für die Schwestern sonntags die Messe gefeiert.
Dass der Konflikt mit härteren Bandagen ausgetragen wird als sonst in der Kirche üblich, war auch schon in der ersten Mitteilung zu lesen: Die hochwürdige Mutter Teresa Agnes habe auf die Untersuchung mit einer Klage vor einem staatlichen Gericht gegen den Bischof reagiert und Schadensersatz und eine einstweilige Verfügung gegen den Bischof beantragt. In den lokalen Medien wurden die Schwestern deutlicher: Der Bischof handle "absolut böse": Die Untersuchung habe sich nicht auf Befragungen beschränkt. Stattdessen wurden mehrere Computer und ein Smartphone beschlagnahmt, um Beweise zu sichern – im kirchlichen Rechtssystem, das keine Durchsetzung durch Polizeikräfte kennt, ein ungewöhnlicher Vorgang. Der Bischof selbst habe mit drei Mitarbeitern, darunter einem Techniker, im Kloster unter Missachtung der Klausur die Herausgabe der Geräte gefordert und faktisch die Leitung über die Gemeinschaft übernommen, sagten die Nonnen gegenüber dem US-Magazin "The Pillar". Olson habe den Schwestern auch Gespräche untereinander untersagt und sie gewarnt, dass er sie aus dem Orden entlassen würde, wenn sie die Untersuchung hintertreiben würden.
Kein Geständnis, sondern Halluzinationen unter Medikamenteneinfluss
Der Bischof zeigt sich sehr gewiss, dass die Vorwürfe gegen die Oberin tatsächlich stimmen. Seine Mitteilungen sprechen nicht von mutmaßlichen Verstößen, eines sogar von einem Geständnis. Die Nonnen stellen den Vorgang ganz anders dar. Die Vorwürfe sollen auf den vergangenen Dezember zurückgehen. Schwester Teresa Agnes sei nach einem Schlaganfall und daraus folgenden Komplikationen unter dem Einfluss von Schmerzmedikamenten gestanden haben. Nach einem medizinischen Eingriff habe sie gegenüber dem Generalvikar der Diözese und einer Mitschwester gesagt, dass sie ihr Keuschheitsgelübde verletzt habe. "The Pillar" zitiert eine Quelle aus dem Umfeld der Oberin: "Sie weinte und war aufgebracht, aber sie gab keine Details darüber an, und wir wussten nicht wirklich, wovon sie sprach. Und manchmal sagte sie, es sei ein Verstoß gegen die Keuschheit, den sie am Telefon begangen habe. Es ergab also nicht viel Sinn."
Der Fall ist dadurch kompliziert, dass die Unbeschuhten Karmelitinnen ein Orden päpstlichen Rechts sind und daher nicht dem Diözesanbischof, sondern dem Ordensdikasterium unterstehen. Eigentlich hat der Diözesanbischof nur begrenzte Rechte in der Aufsicht über solche Orden. Erst 2022 hatte Papst Franziskus die Orden gegenüber ihren lokal zuständigen Ortsbischöfen gestärkt. Die Nonnen von Arlington wehren sich daher auf zwei Ebenen gegen das Vorgehen ihres Bischofs: Vor dem staatlichen Gericht wollen die Schwestern die konfiszierten Geräte zurückbekommen. Laut ihres Anwalts vermuten sie, dass der eigentliche Grund für die Beschlagnahmung war, an die Spenderkartei des Ordens zu kommen: "Seit Olson Bischof der Diözese ist, hat er alles versucht, um die Spenderliste zu erhalten." Während der Bischof das sechste Gebot anführt, vermuten die Nonnen also einen drohenden Verstoß gegen das siebte – du sollst nicht stehlen.
Neben der zivilen Klage organisieren die Schwestern ihre Verteidigung über den kirchlichen Rechtsweg. Sie wollen feststellen lassen, dass der Bischof gar keine Jurisdiktion über den Orden hat. Dabei stoßen sie auf Probleme, die im weltlichen Recht undenkbar wären: Die Oberin hatte sich an den Vatikan gewandt, weil der Bischof ihr einen kirchlichen Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert und einen Rechtsvertreter für sie ausgewählt habe.
Sakramente als Waffe im Streit
Besondere Brisanz kommt dadurch dazu, dass der Bischof auch die Sakramente als Waffe im Streit mit dem Kloster verwendet hat: Als Frauenorden können sie ihr geistliches Leben nicht wie Männerorden mit eigenen Priestern in eigener Verantwortung gestalten. Für die Eucharistie, die Beichte und die Krankensalbung sind sie auf Priester angewiesen, die von außen ins Kloster kommen. Hinter dem Satz aus der ersten Mitteilung, dass für die Schwestern sonntags die Messe gefeiert wird, stehen tatsächlich einschneidende Einschränkungen: keine tägliche Eucharistiefeier mehr, keine regelmäßigen Beichten. Nur das kirchenrechtliche Minimum einer Beichte pro Jahr und die eine Messe für die Sonntagspflicht will der Bischof den Schwestern noch zugestehen, und das auch nur für den Konvent – die Öffentlichkeit wurde von den Gottesdiensten ausgeschlossen. Das gelte, "bis die Mitglieder des Klosters der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Arlington, Texas, dieses ihrem religiösen Stand zuwiderlaufende und unwürdige Verhalten einstellen und Liebe und Gehorsam gegenüber der Heiligen Kirche und ihren heiligen Hirten zeigen, und bis die anhängige Zivilklage abgeschlossen oder zurückgezogen ist", zitiert "The Pillar" aus einem Brief des Bischofs.
Die aus Rom erhoffte Rückendeckung blieb den Schwestern verwehrt. Am Mittwoch veröffentlichte die Diözese ein Dekret des Ordensdikasteriums, das Bischof Olson zum Apostolischen Beauftragten für den Orden machte. Das Bistum stellte das Dekret als volle Bestätigung seiner Position dar. Rom bestätigt, dass Olson "mit der vollen Verantwortung für die Leitung des Klosters betraut war und weiterhin ist", und dass er zu jeder Zeit rechtens gehandelt habe. Tatsächlich steht im Dekret aber etwas anderes – auch wenn das zum selben Ergebnis führt: Dass bis dahin alles mit rechten Dingen zugegangen ist, bestätigt die römische Behörde nicht. Stattdessen werden "alle Verwaltungs- und Rechtsakte saniert", das Handeln des Bischofs, und sei es auch rechtswidrig gewesen, im Nachhinein für rechtswirksam erklärt. Für den Bischof ist das Dekret ein deutlicher Etappensieg: Olson hat nun alle Befugnisse zur Verwaltung des Klosters und kann den Nonnen Weisungen geben und Aufgaben zuweisen.
Rätselhaftes Dekret und ein Vatikan-Sekretär mit viel Streit mit Schwestern
Das Dekret selbst wirft aber einige Fragen auf. Das beginnt schon beim Aktenzeichen: Die verwendete Protokollnummer "2256/2020" verweist auf einen Vorgang, der im Jahr 2020 begonnen hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Konflikt noch nicht begonnen hatte und das angebliche Geständnis der Oberin noch gar nicht erfolgt war – gab es vorher schon einen Vorgang, der noch unbekannt ist? Das Dekret spricht zwar von einem Kloster in Arlington, nennt es aber "Kloster vom Heiligen Joseph", obwohl es die allerheiligste Dreifaltigkeit als Patronat hat. Unterzeichnet ist das Dekret nicht vom Präfekten des Ordensdikasteriums, sondern von seinem Sekretär, Erzbischof José Rodríguez Carballo. Das von ihm verantwortete Dokument "Cor orans" mit neuen Regeln für Frauenorden sorgte 2018 in der Ordenswelt für viel Unmut. Vor allem die ungewöhnlich lange Ausbildungszeit von neun Jahren für klausurierte Nonnen – üblich sind bei anderen Ordensleuten vier bis fünf Jahre – wurde als Bevormundung empfunden. Der Franziskaner soll jüngst auch bei Konflikten um erzwungene Entlassungen aus von Ordensfrauen und einer Entlassung einer Oberin in Italien direkt beteiligt gewesen sein.
Nächste Eskalationsstufe: Mutter Teresa Agnes wird entlassen
Als Apostolischer Beauftragter fackelte Olson nicht lange: Am Donnerstag, einen Tag nach seiner Bestellung zum Apostolischen Beauftragten, erklärte er seine Untersuchung mit einem Dekret für abgeschlossen. Mutter Teresa Agnes sei "schuldig, das sechste Gebot des Dekalogs und ihr Keuschheitsgelübde mit einem Priester von außerhalb der Diözese Fort Worth verletzt zu haben". Die Konsequenz: Der Bischof schließt die Schwester aus ihrem Orden aus. Um den Rauswurf beim Ordensdikasterium anzufechten, hat sie dreißig Tage Zeit – erst Anfang April hatte Papst Franziskus das Ordensrecht geändert und die zehntägige Frist auf 30 Tage verlängert, um die Rechtsstellung von Ordensleuten zu verbessern, denen Entlassung droht.
Das Entlassungsdekret wirft wieder mehr Fragen auf, als es beantwortet. Als Begründung für die Entlassung verweist es auf zwei Canones: c. 695 § 1 und c. 699 § 2 CIC. Die erste angeführte Norm legt fest, dass ein Mitglied aufgrund bestimmter kanonischer Straftaten in der Regel ausgeschlossen werden muss, unter anderem wegen bestimmter Verstöße von Klerikern (also gerade nicht von Ordensfrauen, die höchstens als Mittäterinnen bei einer Verurteilung des eigentlichen Täters belangt werden können) gegen das sechste Gebot. Das Dekret spricht aber nur von einem Abschluss der Untersuchung – von einem rechtskräftig beendeten kirchlichen Strafverfahren ist keine Rede, lediglich davon, dass der Bischof die Oberin für schuldig befunden hat. Vorgeschrieben ist, dass im Entlassungsdekret "Rechts- und Tatsachengründe wenigstens summarisch zum Ausdruck" gebracht sein müssen – im Dekret ist aber nicht einmal die konkret verletzte Strafnorm benannt. Die zweite angeführte Norm legt fest, dass der zuständige höhere Obere (das ist Olson als Apostolischer Beauftragter) Mitglieder entlassen kann – aber nur mit Zustimmung seines Rates. Das Dekret des Ordensdikasteriums sagt zum Rat des Klosters nichts und führt nicht aus, ob die "volle Regierungsgewalt" des Apostolischen Beauftragten so voll ist, dass er ohne die kirchenrechtlich vorgeschriebene Beteiligung des Rats des Klosters absolut agieren kann. Die Entlassung wirkt also eher schnell als sorgfältig dekretiert – mit allen damit verbundenen Unsicherheiten und Unklarheiten.
Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht. Die Schwestern scheinen nicht zurückziehen zu wollen. Der Bischof hat auch keine Veranlassung, seinen Kurs zu ändern: Mit Rückenwind aus dem Vatikan gibt er weiter im Kloster den Ton an. Mit der Entlassung von Mutter Teresa Agnes veröffentlichte der Bischof noch eine weitere Mitteilung: Immerhin sollen wieder regelmäßige Beichtgelegenheiten geschaffen und die täglichen Messen für die Schwestern wieder aufgenommen werden – aber weiterhin nur für die Klostergemeinschaft unter Ausschluss der Öffentlichkeit, und mit klaren Ansagen, wofür gebetet wird: "Die einzige Messintention wird die Wiederherstellung des Friedens und der guten Ordnung im Kloster sein", heißt es in der Mitteilung mit Verweis auf die immer noch laufende Klage – falls die Olson, der als Apostolischer Beauftragter nun Oberer des Klosters ist, nicht im Namen des Konvents zurückziehen kann. Für die Nonnen bleibt der Weg vors oberste vatikanische Gericht, für die Oberin der Einspruch beim Ordensdikasterium – oder ein direkter Appell an den Papst. "Vorrang des Gebetes, Einsamkeit, Schweigen" dürften erst einmal nicht wieder ins Kloster von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Arlington einziehen.