Kritik an finanzieller Kleinstaaterei der Diözesen – "Genau der falsche Weg"

Ökonom Emunds: Kirche soll vollständig auf Staatsleistungen verzichten

Veröffentlicht am 01.07.2023 um 12:33 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ "Diese Gelder passen einfach nicht mehr in die Zeit und zur aktuellen Lage der katholischen Kirche": Der Theologe und Ökonom Bernhard Emunds fordert von der katholischen Kirche in Deutschland einen Verzicht auf die Staatsleistungen.

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Der Frankfurter Theologe und Ökonom Bernhard Emunds fordert von der katholischen Kirche in Deutschland einen Verzicht auf die millionenschweren Staatsleistungen. Im Blick auf Kirchenaustritte, Bedeutungsverlust und sexualisierten Missbrauch in der Kirche sagte der Wissenschaftler: "Diese Gelder passen einfach nicht mehr in die Zeit und zur aktuellen Lage der katholischen Kirche." Der Leiter des Nell-Breuning-Instituts an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen äußerte sich am Samstag bei einer Tagung in der Katholischen Akademie Freiburg. Die Kirche solle auch nicht auf einer hohen Ablösezahlung für ein Ende der jährlichen Staatsleistungen bestehen, sagte Emunds. "Eine Ablösungszahlung in Milliardenhöhe wäre in der aktuellen Lage der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln. Darauf zu verzichten, ist ein Akt politischer Klugheit." Andernfalls drohe der Kirche ein gewaltiger Shitstorm.

Die Staatsleistungen für die die meisten katholischen Bistümer und die evangelischen Landeskirchen sind eine Art Entschädigung dafür, dass bei der Säkularisation 1803 viel Kirchenbesitz verstaatlicht wurde. Für die beiden großen Kirchen machen sie jährlich etwa 600 Millionen Euro aus; davon gehen rund 60 Prozent an die evangelischen Landeskirchen. Seit langem sollen diese Ausgleichszahlungen abgelöst werden, etwa mit einer hohen einmaligen Abschlusszahlung. Doch bisher haben Bund, Länder und Kirchen noch keine Lösung vereinbart.

"Die finanzielle Kleinstaaterei der einzelnen Diözesen und Bischöfe nimmt zu"

Emunds sagte, die meisten Diözesen könnten angesichts ihrer guten Finanzsituation auf die Staatsleistungen verzichten. Allerdings müssten die reicheren Bistümer künftig besser die kleineren und weniger vermögenden Diözesen finanziell unterstützen, etwa in Ostdeutschland. "Wir brauchen eine stärkere bundesweite Verwaltung und Kontrolle von Kirchenvermögen, um die anstehenden Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Die gegenwärtige Entwicklung ist aber leider genau gegenläufig: Die finanzielle Kleinstaaterei der einzelnen Diözesen und Bischöfe nimmt zu."

Der Ökonom kritisierte, dass die Ortsbischöfe seit Jahren die Mittel für bundesweit gemeinsame Projekte kürzten. Der Etat des dafür verantwortlichen Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) sei von vier auf zwei Prozent des Gesamtkirchensteueraufkommens zusammengestrichen worden. "Das ist der genau falsche Weg." Den Bischöfen und Diözesen hält Emunds auch mangelnde Transparenz in Finanz- und Vermögensfragen vor. "Die Vermutung liegt nahe, dass einige Bischöfe die wahren kirchlichen Vermögenswerte vor der Öffentlichkeit verstecken wollen." So fehle in vielen Finanzberichten und Bilanzen der Bistümer eine Bewertung von Immobilien, die auf den aktuellen Marktpreisen und Bodenwerten beruht. Auch hier brauche es für alle Bistümer bundeseinheitliche Bilanzregeln, sagte Emunds. (KNA)