Pastoraltheologe: Papst unterschätzt politische Dimension der Kirche
Der neue Münsteraner Pastoraltheologe Christian Bauer macht bei Papst Franziskus eine Schieflage im Kirchenbild aus. "Franziskus betont das geistliche Element in der Kirche und unterschätzt das politische", sagte Bauer in einem Interview mit dem Internetportal "Kirche + Leben" (Montag). "Das Zweite Vatikanische Konzil hat versucht, beide Dimensionen ins Gleichgewicht zu bringen – und ich meine, das müssten wir auch auf synodalen Wegen versuchen." Er halte es für "unglaublich spannend", dass sich mit der Kirchenpolitik ein neues Forschungsfeld für die Theologie eröffne, so Bauer.
Eine Bereitschaft, sich zu sich selbst und der eigenen Position verhalten zu können, ist aus Sicht des Pastoraltheologen auf "der Seite der kirchlichen Rechten kaum vorhanden". Grundsätzlich macht Bauer eine Stammesbildung unter Rechtskatholiken aus, die sich "immer weiter radikalisiert". "Inzwischen werden Dinge über Papst Franziskus gesagt, die eher reformkatholisch ausgerichtete Menschen unter den restaurativ ausgerichteten Vorgängerpontifikaten nie gesagt hätten", so der Theologieprofessor.
"Wir müssen stärker raus aus der Blase"
Die Kirche hält Bauer für "sehr reformfähig". "Was wir heute für katholisch halten, ist zum großen Teil eine Erfindung des 19. Jahrhunderts", sagte er. Das gelte auch für das Machtgefälle zwischen Klerikern und Laien. "Wir müssen diese Unterscheidung heute verlernen und Kirche wieder ganz anders denken."
Für Theologinnen und Theologen brauche es künftig "spannende berufliche Alternativen, die nicht nur auf kontaminiertem Kirchengelände stattfinden, sondern mitten in der Gesellschaft". Der Hörsaal dürfe nicht der einzige Ort sein, an dem Theologie produziert werde. Angesprochen auf die Diskussionen um die von Kardinal Rainer Maria Woelki initiierte "Kölner Hochschule für Katholische Theologie" (KHKT) erklärte Bauer: "Wir müssen stärker raus aus der Blase, rein ins gelebte Leben und von dorther eine andere Form von Theologie betreiben." Theologie könne daher nicht hinter Kirchenmauern entstehen, sondern müsse "raus in den offenen Diskurs der Universität". "Nur in deren Perspektivenvielfalt können junge Leute lernen, was sie später in der Pastoral brauchen: gesprächsfähig zu werden in einer perspektivenpluralen, multisäkularen und multireligiösen Gegenwart."
Christian Bauer stammt aus Würzburg und war ab 2012 Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck. In diesem Jahr wurde er zum Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster ernannt. Es beflügele ihn, "an einer der weltweit bedeutendsten theologischen Fakultäten zu arbeiten", betonte Bauer im Interview. "Münster ist ein Ort, wo Theologie auch in Jahrzehnten noch Kraft haben wird, während andernorts vielleicht die Lichter ausgemacht werden." (cbr)