Ordensoberin zur Nicht-Nominierung von ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp

Ganz: Starke Stimme aus Deutschland hätte Weltsynode nicht geschadet

Veröffentlicht am 19.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Oberzell ‐ In einem offenen Brief kritisieren Laiinnen aus Deutschland die Nicht-Berufung von ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp zur Weltsynode. Schwester Katharina Ganz hat den Brief mitinitiiert. Im katholisch.de-Interview spricht sie darüber, was die Weltsynode von Deutschland lernen kann.

  • Teilen:

Vergangene Woche wurde bekannt, wen der Papst zur Weltsynode nach Rom einlädt. Erstmals werden dabei auch eine größere Zahl von Laien teilnehmen. Doch die päpstliche Namensliste sorgt für Unmut unter deutschen Reformkatholiken: Zehn Mitglieder des Frauenforums des Synodalen Weges haben daher am Montag die Auswahl der Teilnehmenden bei der Weltsynode scharf kritisiert. Die Entscheidung des Papstes empfinden die Unterzeichnerinnen als Affront. Im katholisch.de-Interview äußert sich die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen zu ihrer Kritik.

Frage: Schwester Katharina, warum haben Sie den Brief nach Rom geschrieben?

Ganz: Die Mitglieder des Forums "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" beim Synodalen Weg haben sich vergangene Woche in Frankfurt getroffen und dabei die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren ausgewertet. Während dieses Treffens haben wir auf katholisch.de gelesen, wen der Papst in die Weltsynode berufen hat. Dabei haben wir festgestellt, dass keine Laien mit Stimmrecht aus Deutschland berufen worden sind. Professor Thomas Söding wurde zwar als Berater benannt, aber er hat eben kein Stimmrecht. Uns Frauen fiel auf: Keine Katholikin aus Deutschland ist stimmberechtigt. Dabei hatten sich sechs der 14 Personen aus Deutschland, die an der europäischen Kontinentalversammlung in Prag teilgenommen hatten, bereiterklärt, nach Rom zu fahren und an der Weltsynode teilzunehmen. Letztlich hatten wir dann aus dieser Gruppe Frau Stetter-Karp vorgeschlagen, weil sie in Prag vor Ort war. Dass dann aber die einzige Nominierung aus der deutschen Kirche nicht zum Zug kam, hat uns sehr gewundert.

Frage: Warum hat Sie das gewundert? Gibt es ein Recht auf eine deutsche Teilnahme?

Ganz: Es ist ja in Rom bekannt, dass wir in Deutschland den dreijährigen Synodalen Weg sehr professionell und sehr intensiv gegangen sind. Dabei haben wir die systemischen und strukturellen Ursachen sexualisierter Gewalt beleuchtet und geschaut, welche Reformen eingeleitet werden müssen, um wieder glaubwürdig das Evangelium Jesu Christi bezeugen zu können. Mir erschließt sich nicht, warum man dann nicht eine hervorragende Vertreterin dieses Prozesses mit Stimmrecht an der Weltsynode teilnehmen lässt.

Frage: Nun hat der Synodale Weg der deutschen Kirche nicht den besten Ruf im Vatikan …

Ganz: Dass der Papst kein Fan des Synodalen Wegs ist, wissen wir. Gleichzeitig ist es den Bischöfen nicht gelungen, ihn von der positiven Kraft dieses Weges zu überzeugen, obwohl viele es versucht haben. Die Nichtnominierung von Frau Stetter-Karp ist ein ähnlicher Affront wie die Tatsache, dass man das Präsidium des Synodalen Wegs noch immer nicht in Rom empfangen hat. Stattdessen werden für die Synode noch deutsche Bischöfe nachnominiert, bei denen ich mich schon frage, ob sie die Mehrheit der Katholiken und Katholikinnen in unserer deutschen Kirche vertreten. Es ist vielfach berichtet worden, dass der Papst sowohl reformorientierte Kräfte als auch konservativ eingestellte Kardinäle und Vertreterinnen in die Weltsynode beruft. Uns kommt die Frauenperspektive dabei zu kurz.

„Uns kommt die Frauenperspektive zu kurz“

—  Zitat: Schwester Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen

Frage: Wenn man auf römische Stellungnahmen hört, soll es bei der Weltsynode aber gerade nicht um die Mehrheitsmeinung gehen. Es handele sich nicht um eine Umfrage, es sei kein Parlament…

Ganz: Das ist Erwartungsmanagement und ein Teil der vatikanischen Taktik. Rom spielt die Dynamik der Weltkirche herunter, um zu verhindern, dass die Enttäuschung danach groß ist. Die Enttäuschung wird aber groß sein, wenn es zu keinen tragfähigen Ergebnissen und sichtbaren Veränderungen in unserer Kirche kommt. Auch Papst Franziskus muss verstehen, dass es in unserer monarchistisch-absolutistischen Kirchenverfassung an der Zeit ist, nicht nur auf das Volk Gottes zu hören, sondern es auch sichtbar zu machen in den Entscheidungen, die getroffen werden. Es braucht Reformen und Veränderungen. Das sagt doch auch der neue Chef des Glaubensdikasteriums, Víctor Manuel Fernández: Zum Thema Stellung und Rolle von Frauen in der Kirche werde es nicht unbegrenzt möglich sein, sie immer nur zu hören und Beratungen einzuholen, ohne dann aber auch zu Konsequenzen zu kommen und sie Entscheidungen treffen zu lassen.

Frage: In ihrem Brief freuen Sie sich über die Ernennung von Frau Jeppsen-Spuhler aus der Schweiz. Zudem ist beispielsweise auch die deutsche Ordensschwester Anna Mirijam Kaschner auf der päpstlichen Liste. Was trauen Sie ihnen zu?

Ganz: Ich kenne Schwester Kaschner nicht. Ich habe aber den Artikel von ihr im Nachgang zur europäischen Kontinentalversammlung in der "Herder Korrespondenz" gelesen. Dabei hatte ich den Eindruck, dass sie nicht ganz versteht, wie wir hier in Deutschland den Synodalen Weg angegangen sind. Ich glaube, dass sie andere Schwerpunkte setzt und aus einer anderen Perspektive auf Deutschland guckt. Sie ist zwar Deutsche, lässt aber durch ihre jüngsten Äußerungen jeden traumasensiblen Blick auf Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kirche vermissen. Frau Jeppsen-Spuhler tritt zudem viel stärker für Frauenanliegen ein und agiert sehr vernetzt. Sie versteht sich als europäische Stimme für Geschlechtergerechtigkeit. Sie formuliert klare Reformanliegen und fordert die Stärkung der Rolle von Frauen in der Kirche.

Synodalität: Papst, Bischöfe und die Entscheidungskompetenz

Die Bischofssynode läuft auf ihren Höhepunkt zu – und sorgte schon für einigen Wirbel. Nicht zuletzt, weil strittig ist, wer über was entscheiden oder nur beraten soll. Welche Rolle spielen also die Bischöfe? Ein Blick in das vatikanische Synodalitäts-Denken

Frage: Bei der Amazonassynode haben sich die Synodenväter für die Weihe von verheirateten Männern, den sogenannten viri probati ausgesprochen. Der Papst hat dieses Votum der Mehrheit abgelehnt. Was würde aus Ihrer Sicht die Teilnahme einer reformorientierten Synodenmutter bringen? Der Papst ist zum Schluss ja nicht an das gebunden, was abgestimmt wird.

Ganz: Wichtig wird bei dieser Weltsynode vor allem die Bewusstseinsbildung der Teilnehmenden sein. Es muss dabei auch um den Austausch von divergierenden Argumenten und deren theologische Fundierung gehen. Nur so kann Verständnis füreinander geschaffen werden. Das hat den Reichtum des Synodalen Weges in Deutschland ausgemacht. Wir hatten Raum, uns auf argumentativer Basis zu begegnen. Das habe ich beispielsweise bei der europäischen Kontinentalversammlung vermisst. Da hat man sich viel zugehört und auch zwischendrin Gebetsstillen eingebaut. Aber es fehlte die inhaltliche Fundierung und Unterscheidung, die theologische Debatte, das Streitgespräch, die Auseinandersetzung.

Frage: Und was hat der Austausch gebracht?

Ganz: Die Lernkurve, die manche Bischöfe in Deutschland hingelegt haben, ist enorm. Es ist in diesen drei Jahren so viel an Überzeugungsarbeit, Austausch und Bewusstseinsprozessen passiert. Wissenschaftliche Theologie wurde ernstgenommen, aber auch mit sozialwissenschaftlicher und humanwissenschaftlicher Erkenntnis verbunden. Ich bin gespannt, ob man es nun auf weltkirchlicher Ebene schafft, auf Höhe der Zeit, im Austausch mit der Postmoderne die Kirche in der Welt zu verorten. Eine starke Stimme aus Deutschland hätte da sicher nicht geschadet.

Frage: Was kann die Weltsynode von Deutschland lernen?

Ganz: Die Weltsynode sollte vor allem lernen, dass der Missbrauchsskandal die Glaubwürdigkeit unserer Kirche bis ins Mark erschüttert hat und Evangelisierung nicht gelingen wird, wenn wir nicht auch systemische und strukturelle Veränderungen vornehmen und aufhören, das eine gegen das andere auszuspielen. Das hat der Synodale Weg in Deutschland gezeigt. Das ist aber auch in vielen anderen Ländern sehr bewusst formuliert worden. Wenn der Vatikan und die Synode die Zeichen der Zeit ernst nimmt – und die Missbrauchsskandale sind ein Zeichen unserer Zeit – dann muss man die strukturelle Verfassung unserer Kirche ändern. Man muss Partizipationsstrukturen schaffen, Macht und Gewaltenteilung in den Blick nehmen und letztlich auch die Zulassungsbedingungen zu den Weiheämtern überdenken. Ohne Geschlechtergerechtigkeit wird die Zukunft unserer Kirche nicht gelingen. Die Nichtberufung von Frau Stetter-Karp zeigt, wie wenig Sensibilität dafür vorhanden ist. Sie ist aus meiner Sicht eine Klatsche gegenüber dem Anliegen des Synodalen Weges.

Von Benedikt Heider