Zuppi lotet in Washington Spielraum für Ukraine-Verhandlungen aus
US-Präsident Joe Biden hat den Sonderbeauftragten des Papstes für den Krieg in der Ukraine empfangen. Die Mitteilung des Weißen Hauses nach dem Gespräch mit Kardinal Matteo Zuppi fiel knapp aus. Die Erfolgsaussichten für die Friedensmission des Franziskus-Vertrauten an der Spitze der italienischen Bischofskonferenz galten von Anfang an als ungewiss.
Biden, ein praktizierender Katholik, hieß Kardinal Zuppi am späten Dienstag mit offenen Armen willkommen. Zugleich zeigte er sich in der Ukraine-Politik entschlossen: Er besteht auf dem Recht der von Russland überfallenen Ukraine, sich selbst zu verteidigen, und betrachtet es als moralische Pflicht, den Angegriffenen zu helfen. Papst Franziskus bezieht nach vatikanischer Tradition eine neutrale Position, die Raum für Diplomatie lässt. Diesen Spielraum sollte der erfahrene Vermittler Zuppi bei seinem dreitägigen Besuch in Washington ausloten.
"Rückkehr der gewaltsam deportierten ukrainischen Kinder"
Da die USA keine Kriegspartei sind, kam Zuppi nicht mit öffentlichen Forderungen nach Washington. Anders als ein anderer italienischer Kardinal, Pio Laghi, der vor zwanzig Jahren im Auftrag des damaligen Papstes Johannes Paul II. versucht hatte, Präsident George W. Bush von einer Invasion des Irak abzubringen. Im März 2003 warnte der Vatikan die Supermacht, "das Gesetz der Gewalt" nicht über "die Gewalt des Gesetzes" zu stellen. Eine Mahnung, die in diesem Fall an Russland gerichtet wäre und zudem mehr als ein Jahr zu spät käme.
Gemessen an der knappen Mitteilung des Weißen Hauses haben der Kardinal und der Präsident über die Bemühungen des Heiligen Stuhls gesprochen, "humanitäre Hilfe zu leisten, um das weitverbreitete Leiden zu lindern, das durch Russlands fortgesetzte Aggression in der Ukraine entstanden war". Außerdem hätten sich Biden und Zuppi über "die Rückkehr der gewaltsam deportierten ukrainischen Kinder" ausgetauscht.
Kardinal Zuppi: Vom einfachen Pfarrer zum Friedensvermittler
In Italien gilt er schon lange als kirchenpolitisches Schwergewicht. Nun hat der Papst ihn durch eine Friedensmission im Ukraine-Krieg auch international bekannt gemacht. Doch Kardinal Zuppi bleibt trotz der großen Aufgabe zurückhaltend.
In der Erklärung tauchen weder die Wörter "Frieden" noch "Waffenpause" oder ähnliche Signale auf, die darauf hindeuten könnten, dass Zuppi weitergekommen wäre. Es blieb unklar, in welcher Form der Sondergesandte des Papstes den Präsidenten wegen der vom Vatikan und mehr als einhundert Staaten geächteten Verwendung von Streumunition ins Gewissen geredet hat.
Biden hatte eine Lieferung größerer Lagerbestände an die Ukraine vergangene Woche erlaubt. Die katholische Bischofskonferenz der USA verurteilte die Entscheidung. Der zuständige Ausschussvorsitzende Bischof David Malloy forderte die Regierung auf, der UN-Konvention zum Verbot von Streuwaffen beizutreten. "Obwohl wir das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung anerkennen, müssen wir für Dialog und Frieden beten."
In Russland nur Gespräche mit zweiter Reihe
Schwierig ist die Mission Zuppis auch, weil er Ende Juni in Moskau mit Vertretern aus der zweiten Reihe vorliebnehmen musste. Weder Wladimir Putin noch Außenminister Sergej Lawrow fanden Zeit für den Emissär des Papstes. Der Kardinal traf lediglich mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. und der für die Kinderverschleppung aus der Ukraine vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchte Maria Lwowa-Belowa zusammen.
In der Ukraine hatte Zuppi zuvor mit Präsident Wolodymyr Selenskyj gesprochen, der als Voraussetzung für eine Friedenslösung den Abzug der russischen Besatzer verlangte. Bisher drang die Botschaft des Papstes auf keiner Seite durch, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Die USA tun sich schwer mit dem, was einige in der Regierung als moralische Gleichsetzung verstehen, wenn Franziskus das Argument Moskaus wiederholt, die NATO habe "vor den Toren gebellt" und damit gewissermaßen einen Anteil an dem Konflikt.
Angesichts der festgefahrenen Lage erwarten Beobachter, dass sich Kardinal Zuppi kurzfristig darauf konzentrieren wird, eine Lösung für die fast 20.000 aus der Ukraine zwangsweise nach Russland gebrachten Kinder zu finden. Der Theologe Massimo Faggioli von der University of Villanova meint, das Treffen im Weißen Haus habe dem Vatikan mehr bedeutet als den USA. "Aber es gab keinen Grund, die Anfrage abzulehnen." Zumal Biden großen Wert auf ein gutes Verhältnis zu Papst Franziskus legt.