Wann kommt eine klare Position der Kirche im Asylstreit?
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Geschichten von Flucht und Vertreibung sind Kernbestand der Menschheitserzählungen. Sie alle zeugen von spannungsvollen Diskussionen über Identität und Abgrenzung, über das "Eigene" und das "Fremde". Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind nicht selten in der jeweiligen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Situation begründet. Damals wie heute.
Anschläge auf Geflüchtete und ihre Stigmatisierung, rassistisch motivierter Hass, eine Abschottungs- und Ausgrenzungspolitik, Polarisierungen und Rechtspopulismus machen deutlich, wie weit das reiche (West-)Europa davon entfernt ist, tatsächlich "christliches Abendland" zu sein. Gerade wurde in der politischen Arena vorgeschlagen, in Deutschland das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen. Stattdessen solle die EU durch eine "Institutsgarantie" jährlich ein Kontingent von 300.000 bis 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufnehmen und auf die Mitgliedstaaten verteilen. Dies als Antwort auf eine Überforderung durch "Migrationsströme", auf "Sicherheitsrisiken" und "Integrationsprobleme". Zudem sei damit der Bezug von Sozialleistungen ausgeschlossen. Welches Menschenbild kommt hier zum Ausdruck? Können Menschen in "Kontingenten" gehandelt, kann ihr Wert unter Kosten-Nutzen-Kalkül diskutiert werden?
Großer Aufschrei in der Parteienlandschaft, Intervention aus juristischer Perspektive und Protest von Menschenrechtsorganisationen. Keine klare kirchliche Position. Und von dieser Seite gäbe es viel einzubringen: Etwa darauf aufmerksam zu machen, dass in der Auseinandersetzung um Asyl grundlegende Maßstäbe der Humanität abhanden zu kommen drohen. Von denen Rechenschaft zu verlangen, die (in berechnender Weise) Menschen aus dem Horizont des gemeinsamen Menschseins ausschließen. Politisch ernst zu nehmen, dass es auf der einen Erde nur eine Menschheit gibt. Dass Verantwortung weder an den Grenzen unseres Landes noch an den Grenzen der EU endet. Und auch nicht gegen Geld an andere abgegeben werden kann.
Die Autorin
Agnes Wuckelt ist emeritierte Professorin für Praktische Theologie und stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.