Warum manche Lissaboner gegen den Weltjugendtag protestieren
Zehntausende Weltjugendtags-Pilger jubeln Papst Franziskus zu, als er am Mittwoch am Amtssitz des portugiesischen Staatspräsidenten im Lissaboner Stadtteil Belem vorfährt. Doch nicht alle, die sich an den Absperrgittern versammelt haben, sind in Feierstimmung. Direkt gegenüber des "Palácio Nacional" haben sich einige Dutzend Demonstranten versammelt. Sie kommen vorwiegend aus dem Sicherheitsbereich, Polizisten und Gefängniswärter beispielsweise. Sie sind hier, um zu protestieren – aber nicht unbedingt gegen den Weltjugendtag an sich. Sie protestieren, weil sie sich von Staat im Stich gelassen fühlen. Ein Staat, für dessen Sicherheit sie sorgen sollen, der aber seit Jahren die Polizei kaputtspare – aber offenbar finanzielle Mittel für Events wie den Weltjugendtag übrig habe.
"Wir sind es leid, von der Regierung ignoriert zu werden. Wir sind es leid zu warten", steht auf einem Flyer, der an Passanten verteilt wird – in sechs Sprachen, auch auf Deutsch. Und weiter: "Wir kämpfen weiter für eine faire und respektvolle Behandlung, die der Uniform, die wir tragen, würdig ist." Viele Protestierende tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Mais que uma 'cruz' que carregamo". Zu Deutsch heißt das: "Ein weiteres 'Kreuz', das wir tragen." Darunter sind in einer Grafik Polizisten abgebildet, die auf ihren Schultern eine Altarbühne mit einem Kreuz tragen – eine Anspielung auf die Debatte um Kosten für die Bühne, auf der Papst Franziskus die Abschlussmesse des Weltjugendtags zelebrieren wird.
Portugal sei zwar eines der sichersten Länder der Welt, die Arbeitsbedingungen für Polizisten dafür aber alles andere als erstklassig, betont Paulo Macedo, Präsident der Polizeigewerkschaft SPP-PSP. Es gebe seit Jahren stagnierenden Lohn, keinen Inflationsausgleich, einen immer späteren Renteneintritt und einen winzigen Risikozuschlag. Polizisten in Portugal verdienen bei Berufseinstieg 800 bis 900 Euro. "Das Risiko, das wir täglich eingehen, wird von der Regierung überhaupt nicht anerkannt", sagt Macedo. Stattessen gebe es immer mehr Aggressionen gegenüber Einsatzkräften, gerade in Lissabon. Wegen all dieser Umstände fehle der Nachwuchs.
Macedo weiß, dass Portugal von Tourismus lebt – und dass die Bilder von Veranstaltungen wie dem Weltjugendtag in alle Welt transportiert werden und dies wiederum Leute ins Land lockt. Auch das Argument, dass vieles von der neu eingerichteten Infrastruktur den Weltjugendtag überdauern werde, lässt er gelten. Doch dass die Forderungen der Polizei, die gerade in diesen Tagen massiv im Einsatz ist, von der Regierung ignoriert würden – das kann er nicht verstehen. Bei vergangenen Großveranstaltungen in Portugal wie der Weltausstellung 1998 oder der Fußball-Europameisterschaft 2004 habe die Regierung in die Polizei investiert. Dennoch heiße die Polizei Papst Franziskus und die Weltjugendtags-Teilnehmer herzlich willkommen, betont der Gewerkschafts-Präsident. Das steht auch auf einigen Transparenten der Demonstranten – verbunden mit dem Wunsch an den Pontifex, für die Polizisten zu beten.
"Weniger Papst – mehr Wohnungen"
Nicht alle sind so diplomatisch wie Paulo Macedo. "Weniger Papst – mehr Wohnungen" oder "Erlöse uns von den Armen, Amen" ist auf Postern und Graffitis entlang der Avenida Almirante Reis, einer der beiden großen Hauptverkehrsstraßen, zu lesen. Am vergangenen Freitag rollte ein Aktionskünstler auf den Stufen des Papst-Altars im Parque Tejo einen Teppich aus riesigen 500-Euro-Scheinen aus. Damit wollte er dagegen protestieren, dass in einem säkularen Staat wie Portugal, in dem viele Menschen darum kämpften, ihre Wohnungen und Arbeitsplätze zu behalten, Millionen Euro Steuergelder für ein Event wie dieses verwendet werden.
Genaue Angaben über die Ausgaben für den Weltjugendtag gibt es nicht. Schätzungen gevon hen insgesamt mindestens 160 Millionen Euroaus. Davon trägt die Regierung 38 Millionen Euro bei, die Kirche 80 Millionen, die Stadtverwaltungen von Lissabon und dem benachbarten Loures noch einmal knapp 45 Millionen. Kritiker rechnen vor, wie viele bezahlbare Wohnungen mit diesen Steuergeldern hätten gebaut werden können. Denn der Tourismus hat der Bevölkerung in Lissabon nicht nur Segen gebracht. Von ihm profitiert haben vor allem Hoteliers und Airbnb-Vermieter, die dazu beigetragen haben, dass sich ein großer Teil der Bürger die Stadt längst nicht mehr leisten kann. Selbst Ärzten geht es so. Deshalb streiken sie während des Weltjugendtags.
Ein paar Bahnstationen von Belem entfernt verkauft eine Frau in einem kleinem Bäckerei-Shop Snacks und Getränke. Ihr Arbeitgeber freut sich über den Weltjugendtag, schließlich kann er mit höheren Einnahmen rechnen. Auch sie selbst hat registriert, dass das Geschäft seit Beginn der Woche besser läuft. Aber von den Lissabonern selbst höre sie, dass sie persönlich nichts davon hätten – außer noch weniger Platz in der wegen der Touristenströme ohnehin chronisch überfüllten U-Bahn und anderen Behinderungen im alltäglichen Leben. "Für das Land an sich und manche Geschäftsbereiche ist der Weltjugendtag sicher ein tolles Ereignis, aber für den Großteil der Leute hier spielt er keine Rolle."
Bürgermeister Carlos Moedas rechnet in den vergangenen Tagen dagegen die erwarteten Einnahmen vor: Bei durchschnittlichen Tagesausgaben von 30 Euro der gut eine Million Besucher an sieben Tagen "sprechen wir von Hunderten von Millionen". Doch wird die portugiesische Gesellschaft davon profitieren? Die Lehrerin Amelia aus Lissabon hat da ihre Zweifel. Sie ist ebenfalls nach Belem gekommen, um gegen die Finanzierung des Weltjugendtags aus Steuermitteln zu demonstrieren. Sie betont, dass die Bevölkerung seit Jahren an hohen Steuern und hohen Preisen leide – selbst in Zeiten, in denen die Inflationskrise noch nicht so groß war.
"Heiliger Vater, beten Sie für portugiesische Arbeitnehmer"
Ihr geht es in erster Linie aber um den Bildungssektor: Auch hier gebe es kaum Investitionen, Lehrer litten unter schlechten Arbeitsbedingungen. Hier ignoriere der Staat ebenfalls die Probleme. Auch Amelia trägt ein T-Shirt mit einer besonderen Aufschrift: "Quem ensina a voar não pode rastejar" – "Wer lehrt zu fliegen, kann nicht krabbeln". In ihrer Hand hat sie ein Schild, auf dem steht: "Heiliger Vater, beten Sie für portugiesische Arbeitnehmer: vom Bildungs- zum Sicherheitsbereich."
Doch gegen die Pilger, die zum Weltjugendtag gekommen sind, hat auch Amelia nichts. "Ihnen wünsche ich eine tolle Zeit hier, die sie genießen sollen." Sie könnten schließlich nichts für die Probleme im Land.