Auch die Weltsynode ist da: Unterwegs auf der Berufungsmeile
Die Lage könnte nicht besser sein. Lange Pilgerströme bahnen sich von der nahegelegenen Bahnhofsstation ihren Weg dorthin. Nahe am Tejo-Ufer im Lissaboner Stadtteil Belem, zwischen Hieronymiten-Kloster und dem Seefahrer-Denkmal, liegt der Jardim Vasco da Gama. Dort ist während des Weltjugendtags die sogenannte "City of Joy" eingerichtet. Sie besteht aus einer Berufungsmeile, in der die Pilgerinnen und Pilger in Kontakt zu verschiedenen Bewegungen, Vereinigungen, Gemeinschaften, Orden und sozialen Projekten kommen können. So können sie die Vielfalt der verschiedenen Charismen kennenlernen – und sich Gedanken über ihre eigene Berufung machen. Zum anderen befindet sich dort der "Reconciliation Park", wo es in mehreren Sprachen Beichtgelegenheiten gibt.
Die Berufungsmeile ist in mehrere "Straßen" unterteilt, die alle den Namen früherer Weltjugendtage tragen. In der "Rua Częstochowa 1991" haben die Jesuiten ihren Stand. Dort begrüßt Alfonso Rivero mehrere Pilger per Handschlag. Er ist bei den spanischen Jesuiten für die Berufungspastoral zuständig. "Viele, die hierherkommen, sind Teil der jesuitischen Familie, weil sie mit dem Orden schon in irgendeiner Art Kontakt hatten." Er verteilt an Interessierte Flyer mit Informationen zum Orden.
"Berufung braucht Zeit, das geht nicht von heute auf morgen." Wer eine Berufung zum jesuitischen Leben verspüre, brauche Begleitung. Wenn jemand sagt, er hätte eventuell Interesse, Jesuit zu werden, vermittelt Rivero auch Kontakte – je nachdem, wo jemand herkommt. "Das ist hier meine Hauptaufgabe", sagt er. Gegenüber dem Stand, auf einer Wiese, sitzt ein junger Mann, der ein T-Shirt mit der Aufschrift "Folge mir, ich bin Jesuit" trägt. Um ihn herum sitzen einige Jugendliche und fragen ihn zu seinem Leben im Orden aus.
Rund 100 Gemeinschaften stellen sich vor
Rund 100 Gemeinschaften zeigen sich auf der Berufungsmeile. Es sind die klassischen Orden wie die Jesuiten, Franziskaner oder Kapuziner, die sich auf der Berufungsmeile präsentieren. Dazu kommen einige bekannte Laienbewegungen wie das Regnum Christi. Doch daneben haben sich auch in Europa noch weitgehend unbekannte Gruppierungen eingefunden, etwa die philippinische Laienbewegung "Couples of Christ". Laut einigen Angaben ist sie in über 160 Ländern aktiv. Mitglied kann jedes verheiratete Paar werden. Beim Weltjugendtag machen sie besonders Werbung für "Liveloud Worship", einer jährlichen katholischen Lobpreis- und Anbetungsveranstaltung, die 2009 zum ersten Mal stattfand.
Am Stand der Berufungspastoral von Flandern ist Maricar, die auch von den Philippinen stammt, gerade im Gespräch mit einem Priester. Sie ist auf der Berufungsmeile unterwegs, um sich etwas inspirieren zu lassen – denn sie befinde sich gerade im Prozess der Unterscheidung, wie sie sagt. Sie versucht aktuell, einige Ordensgemeinschaften kennenzulernen, aber auch Laienbewegungen. Für sie ist die Berufungsmeile daher der perfekte Ort. "Ich finde es toll, welche Vielfalt an Charismen hier vertreten sind", sagt sie. Einen besonders nachhaltigen Eindruck hat bei ihr die Gemeinschaft "Shalom" hinterlassen. Doch noch sei offen, ob sie Ordensfrau wird oder sich einer Laienbewegung anschließt.
Gegenüber der Berufungsmeile, links von Haupteingang, befindet sich der Beichtpark. Für ihn wurden insgesamt 150 Beichtstühle gebaut – von portugiesischen Häftlingen. Die Schlange davor ist sehr lang, wer zur Beichte will, muss einiges an Wartezeit in Kauf nehmen. Auch Maricar war schon dort und musste rund eine Stunde warten. Doch es habe sich gelohnt: Das offene Setting der Beichte lade zum Reflektieren ein, außerdem gebe es nicht, wie in klassischen Beichtstühlen, eine Barriere zwischen Priester und Beichtenden. "Es war wunderschön", sagt sie.
Jugendliche mit Weltsynode vertraut machen
Sozusagen auf der anderen "Straßenseite" der Berufungspastoral von Flandern befindet sich ein ganz besonderer Stand: der der Weltsynode. Verantwortlich dafür ist der Kommunikationsbeauftragte des Synodensekretariats, Thierry Bonaventura. Die Idee ist, die Jugendlichen mit dem synodalen Prozess vertraut zu machen und ihnen Raum für ihre Fragen und Anliegen zu geben. Auf einem Tisch liegen Blätter aus mit der Überschrift "Sag der Synode etwas". Dazu gibt es bunte Zettel, auf die Besucher ihre Gebetsanliegen an die Synodalen aufschreiben können. Beides soll bei der im Oktober beginnenden Versammlung einen Platz bekommen.
Einen solchen bunten Zettel hat sich Julián aus Mexiko genommen. "Ich weiß, dass es viele Spannungen in der Kirche gibt", sagt er. "Ich hoffe, dass die Synode dazu beitragen kann, diese zu überwinden." Dann klebt er sein Blättchen auf den dafür vorgesehenen Wandabschnitt im Stand. Viel Platz gibt es dort nicht mehr.
Bonaventura erklärt, dass 99 Prozent der Besucher der Synode gegenüber aufgeschlossen seien. Bisher habe er nur einen anderen Fall erlebt – hier sei allerdings auch keine Diskussion möglich gewesen. Die Fragen, die die Jugendlichen bewegen, seien die nach einer inklusiveren Kirche – auch für LGBTQ-Personen – und der Rolle der Frau, wenn auch nicht unbedingt im Blick auf die Ämterfrage.
Ein echtes Arbeitsdokument
Sein Mitstreiter beim Weltsynoden-Stand, der brasilianische Freiwillige Pedro Oliveira, spricht gerade mit Jugendlichen über das Instrumentum laboris. Dieses sei diesmal ein echtes Arbeitsdokument, erklärt er, da es keine Antworten vorformuliere, sondern bewusst Fragen stelle und Dinge offenlasse – das mache ihm Hoffnung für die anstehende Synode. Besonders beeindruckt hätten ihn die darin formulierten Merkmale einer synodalen Kirche: Sie sei eine, die keine Angst vor der Vielfalt, die sie in sich birgt, habe, sondern "bringt sie zur Geltung, ohne sie zur Gleichförmigkeit zu zwingen" zitiert er. Die Kirche brauche Vielfalt – eine Vielfalt, die sich auf der Berufungsmeile zeigt.
Den Weltsynoden-Stand hat Julian Donner auch schon besucht. Zuvor hatte er im Versöhnungspark die Beichte gehört – wie oft genau, kann er gar nicht aufzählen. Nun wartet der Leiter der Berufungspastoral im Erzbistum Freiburg in der "Rua Denver 1993" auf seine Kollegin. "Beim Thema Berufung ist es wichtig, wenn man erfährt, dass man nicht allein ist." Das Beste an der Berufungsmeile ist deshalb aus seiner Sicht, dass wirkliche Begegnungen stattfinden.