Die Kirchen dürfen zum Elend der Flüchtlinge nicht schweigen
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Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet ist am 10. Juli in Nettetal-Lobberich ein Kirchenasyl von Seiten der Behörden ohne Vorwarnung abgebrochen worden. Das kurdische Paar sollte nach Polen abgeschoben worden, weil Polen entsprechend der Dublin-II-Verordnung in der EU für den Asylantrag der beiden zuständig ist.
Der Abbruch des Kirchenasyls von staatlicher Seite ist ungewöhnlich, weil das Kirchenasyl zwar einerseits geltendem Recht widerspricht. Andererseits ist es aber Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Staat und Kirchen. Denn das Kirchenasyl soll dazu dienen, in möglichen Härtefällen Zeit zu gewinnen, um Bleibegründe gegebenenfalls noch einmal zu gewichten und zu bewerten.
In Deutschland gibt es derzeit nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche 425 Kirchenasyle, davon 140 in NRW. Angesichts der Zahl von rund 189.000 Asylanträgen, die im ersten Halbjahr in Deutschland gestellt worden sind, ist das nicht viel. Christinnen und Christen, die Kirchenasyle durchführen, begegnen dabei immer Menschen mit unvorstellbaren Fluchtgeschichten, nicht selten verbunden mit monate- oder gar jahrelangen Odysseen. Gewalterfahrungen, Erniedrigungen und sexuelle Übergriffe sind dabei die Regel. Würden mehr Gemeinden mitmachen wäre das gut.
Sollte der so genannte Asylkompromiss der EU umgesetzt und an ihren Außengrenzen letztlich – sagen wir, wie es ist – Hafteinrichtungen aufgebaut werden, in denen zukünftig "Vorprüfungen" zur Berechtigung von Asylanträgen durchgeführt werden sollen, dann werden Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Gewalt flüchten mehr und mehr zu bloßen Zahlen und Ziffern.
Es stimmt: Die weltweiten Flüchtlings- und Migrationsströme sind komplexe politische Themen, für die es keine schlichten Antworten gibt. Doch die sind gerade in Mode. Das Elend der Flüchtlinge hingegen ist namenlos. Dem hält die Bibel entgegen: "Fürchte dich nicht, denn ich habe dich befreit. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir" (Jes 43, 1). Nicht nur Anna und Paul, sondern auch Farid und Loredana. Es hilft ja nichts: Wir in den Kirchen können nicht aufhören, dies laut und deutlich zu sagen.
Der Autor
Peter Otten ist Pastoralreferent in der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Seit einigen Jahren bloggt er unter www.theosalon.de.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.