Haft, Durchsuchungen und neue Straftatbestände unverhältnismäßig

Kirchen kritisieren Regierungspläne für vereinfachte Abschiebungen

Veröffentlicht am 23.08.2023 um 14:41 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Regierungschefs von Bund und Ländern wollen Ausländer einfacher abschieben können. Ein entsprechender Diskussionsentwurf des Innenministeriums liegt seit kurzem vor – und stößt auf deutliche Kritik von katholischer und evangelischer Kirche.

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Die Kirchen kritisieren die Pläne des Innenministeriums für eine Reform des Asyl- und des Aufenthaltsgesetzes. Die beabsichtigten Verschärfungen im Bereich der Abschiebungshaft können nach Ansicht des Katholischen Büros Berlin und der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands einer rechtlichen Prüfung kaum standhalten, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme. "Haft bedeutet für die betroffenen Personen ohne Ausnahme eine extreme psychische Belastung. Je länger die Haft oder der Gewahrsam andauert, desto dramatischer sind die Folgen für diese Menschen. Das berichten unsere Seelsorger und Seelsorgerinnen in den Abschiebegefängnissen immer wieder", so das Papier. Anfang August hatte das Bundesinnenministerium einen "Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung" veröffentlicht. Darin wird unter anderem eine Verdoppelung der zulässigen Sicherungshaftdauer von drei auf sechs Monate und die Einführung von "Mitwirkungshaft" zur Klärung der Identität vorgeschlagen.

Auch die Vorschläge für mehr Befugnisse zur Identitätsfeststellung von ausländischen Personen ohne Ausweispapiere durch Wohnungsdurchsuchungen und die Auswertung von Datenträgern sind nach Ansicht der Kirchen nicht verhältnismäßig. Die Identifikation von Ausländern ohne Pass oder Passersatzpapiere sei zwar grundsätzlich ein legitimer Zweck für eine Wohnungsdurchsuchung, "aber ob eine solche geeignet und erforderlich ist, halten die Kirchen für zweifelhaft", so die Stellungnahme. In der Begründung des Innenministeriums würden mildere Mittel nicht bedacht. Insbesondere sei eine Durchsuchung unverhältnismäßig, wenn andere Dokumente vorgelegt würden. Die Erfahrung kirchlicher Beratungsstellen zeige, dass andere verfügbare Dokumente zum Nachweis der Identität wie Tauf- oder Hochzeitsurkunden, Schul- oder Hochschulzeugnisse in der Praxis kaum Beachtung durch Behörden fänden. Die umfangreichen Befugnisse zur Auswertung von Datenträgern berücksichtigten die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen nicht angemessen.

Angst und Einschränkung der Privatsphäre

Der Entwurf des Aufenthaltsgesetzes sieht vor, dass bei Abschiebungen nicht nur die Wohnung der abzuschiebenden Personen betreten werden dürfen, sondern innerhalb von Gemeinschaftsunterkünften auch die Wohnungen anderer Personen, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die gesuchte Person dort ist. "Damit können de facto die zuständigen Behördenmitarbeiter alle Zimmer der Gemeinschaftsunterkunft betreten, obwohl solche Zimmer Wohnungen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG sind und damit besonders geschützt", kritisieren die Kirchen. Gerade angesichts der oft vorliegenden Traumatisierungen vonBewohnern von Gemeinschaftsunterkünften sei die geplante Regelung nicht verhältnismäßig: "Wenn nun die zuständigen Behörden auch Räume von anderen Bewohnenden betreten können, bedeutet das eine Ausweitung der Angst und eine große Einschränkung der Privatsphäre."

Weiter kritisieren die Kirchen die Ausweitung der Möglichkeit, in der Nacht abzuschieben, den möglichen Verzicht auf eine erneute Ankündigung einer Abschiebung nach langer Duldungszeit, die Einführung neuer Straftatbestände im Zusammenhang mit Angaben im Asylverfahren und die Pläne, einen größeren Personenkreis an den Kosten einer Abschiebung zu beteiligen. Die Verlängerung der Höchstdauer von drei auf sechs Jahre bei Aufenthaltserlaubnissen für subsidiär Schutzberechtigte stieß dagegen auf Zustimmung. Die Kirchen begrüßten diesen Schritt, da er nicht nur die Ausländerbehörden entlaste, sondern auch zu einer Angleichung der Rechtsposition von anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten führe und die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtere.

Zuvor hatte schon die Caritas die Gesetzesentwürfe deutlich kritisiert. Durch die Vorschläge würden Grundrechte "unverhältnismäßig eingeschränkt und rechtsstaatliche Standards unterlaufen". Der Diskussionsentwurf des Innenministeriums geht auf eine Vereinbarung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten im Mai zurück, gesetzliche Regelungen anzupassen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren. (fxn)