US-Erzdiözese sucht Gläubigerschutz vor 500 Missbrauchprozessen
Jeff Anderson ist kein bisschen überrascht von der Entscheidung des Erzbistums. Der Anwalt hat nichts anderes von Erzbischof Salvatore J. Cordileone erwartet, der als einziger Kirchenführer in Kalifornien keine Liste mit Missbrauchspriestern vorgelegt hat. Die Bankrotterklärung der Erzdiözese setze diese Blockadetaktik fort. "Sie verhindert Gerechtigkeit für die Überlebenden des klerikalen Sexualmissbrauchs, die unter Berufung auf den California Child Victims Act geklagt haben."
Anderson weiss, wovon er spricht. Seine Kanzlei vertritt mehrere der 500 mutmaßlichen Missbrauchsopfer vor Gericht. Erzbischof Cordileone demonstriere, dass "Geheimniskrämerei und Selbstschutz" für ihn Priorität hätten, sagt der Anwalt. Nachdem er in der Vergangenheit schon vor der Wahrheit davongelaufen sei, versuche er diese nun "in einem letzten verzweifelten Versuch hinter dem Bankrott zu verstecken".
Weder finanzielle Mittel noch praktische Fähigkeit
Der Erzbischof wies die Vorwürfe zurück. "Die unglückliche Realität besteht darin, dass die Erzdiözese weder die finanziellen Mittel noch die praktische Fähigkeit hat, jeden einzelnen Fall vor Gericht zu verhandeln", erklärte Cordileone, warum die Kirche am Montag vor dem "U.S. Bankruptcy Court for the Northern District of California" den Schutz vor den Gläubigern beantragt hatte.
„Das ist der beste Weg, eine dringend benötigte Lösung für die Überlebenden zu schaffen, und der Erzdiözese zu erlauben, ihre heilige Mission für die Gläubigen und die Menschen in Not fortzusetzen.“
"Das ist der beste Weg, eine dringend benötigte Lösung für die Überlebenden zu schaffen, und der Erzdiözese zu erlauben, ihre heilige Mission für die Gläubigen und die Menschen in Not fortzusetzen." In dem Erzbistum San Francisco leben rund 450.000 Katholiken, darunter die ehemalige Spenderin Nancy Pelosi, die der erzkonservative Cordileone wegen ihrer Haltung zur Abtreibung von der Eucharistie ausgeschlossen hat.
Opferverbände weisen auf den aus ihrer Sicht bestehenden Widerspruch zwischen der Leidenschaft hin, die der Erzbischof in Amerikas Kulturkriegen entwickelt, und dem Umgang mit dem Missbrauch in seiner eigenen Kirche. Das Betroffenen-Netzwerk SNAP "bezweifelt ernsthaft, dass sich die Erzdiözese San Francisco nicht leisten kann, die Prozesse beizulegen". Weiter heißt es in der Erklärung zu der Bankrotterklärung, die Opfer hofften nun, dass "ein Bundesrichter sich die Liegenschaften der Erzdiözese einmal genau anschaut, die sich über die reichsten Bezirke der Vereinigten Staaten ausbreiten".
Insolvenz-Verfahren sind komplex und dauern in der Regel lange. Gewöhnlich berufen die zuständigen Gerichte einen Verwalter, der die Gläubiger der Kirche vertritt. Dieser erstellt einen Plan, der einen Interessenausgleich sucht. San Francisco ist nicht die erste Diözese, die Gläubigerschutz sucht. Nach Angaben der Expertin für Insolvenzrecht an der "Penn State Law School", Marie T. Reilly, haben mehr als 34 katholische Organisationen Insolvenzverfahren beantragt. Zwei Dutzend Fälle sind bereits abgeschlossen, elf weitere werden noch verhandelt.
In den Bundesstaaten Kalifornien und New York sind besonders viele Verfahren anhängig, weil beide Bundesstaaten eine rückwirkende Klagemöglichkeit für Missbrauchsopfer geschaffen haben. Im Frühjahr hatten bereits die Nachbardiözesen Oakland und Santa Rosa Gläubigerschutz gesucht. Die Diözese San Diego, in der der von Papst Franziskus 2022 zum Kardinal berufene Robert Walter McElroy als Bischof dient, hatte im Mai angekündigt, später im Verlauf des Jahres Insolvenz anmelden zu wollen.
"Ich kann mich nicht genügend für den Missbrauch entschuldigen"
Ende Juli einigte sich die Diözese Syracuse in New York nach drei Jahren Rechtsstreit mit Missbrauchsopfern auf einen Vergleich in Höhe von 100 Millionen US-Dollar – es war die größte Entschädigungssumme eine katholische Diözese in den USA seit 2018. Das Geld fließt an insgesamt 387 Kläger.
Bischof Douglas Lucia versprach, alles zu tun, dass sich so etwas nicht wiederhole. "Ich kann mich nicht genügend für den Missbrauch entschuldigen, der geschehen ist, und für die Nachlässigkeit im Umgang damit", erklärte Lucia nach der Einigung. Das Insolvenzverfahren habe geholfen, "eine faire Lösung für die Opfer des sexuellen Missbrauchs und unserer Diözesanfamilie zu finden".