Streit im Vatikan? Papst Franziskus nimmt Kurs auf Weltsynode
Ein kräftiger Sturm hat zur letzten Augustwoche die sommerliche Hitzeglocke über Rom weggefegt; die Temperaturen liegen nun unter 30 Grad. Es ist die Zeit des "Rientro", der Rückkehr der Römer in die Stadt; und auch in den Führungsetagen von Politik und Kirche melden sich alle wieder zurück an den Kabinettstischen.
Regierungschefin Giorgia Meloni hat ihre Ministerriege versammelt, um den Haushaltsplan für 2024 vorzubereiten. Und im Vatikan tagte erstmals seit vielen Wochen wieder die Runde der Behördenchefs mit dem Papst an der Spitze. Der allerdings hat, anders als die meisten, auch in diesem Jahr keinen Urlaub gemacht.
Nach OP: Arbeitspensum reduziert
Dennoch hat er sich geschont. Nach seiner letzten Bauchdecken-OP Anfang Juni hatten ihm die Ärzte mit Nachdruck eine Erholungspause nahegelegt; und die hat der 86-Jährige weitgehend eingehalten. Generalaudienzen wurden abgesagt, das Gottesdienst- und Besucherprogramm im Vatikan drastisch reduziert.
Und schon beim Weltjugendtag in Lissabon Anfang August präsentierte sich Franziskus erholt und deutlich abgespeckt. Drei Wochen später wirkt er voller Tatendrang – und dank einer besseren Brille liest er seine Texte wieder flüssig und mit Schwung.
In seinen Reden dominiert ein neues Lieblingsthema, das er beim Weltjugendtag gleich mehrere Male betont hat: Die Kirche muss offen sein für alle; auch für die Sünder und für jene, die sich als sexuelle Minderheiten früher wegen der katholischen Sexualmoral ausgeschlossen fühlten. Den kniffligen Fragen, ob und wie praktizierende Homosexuelle und Trans-Personen zu welchen Sakramenten der Kirche zugelassen werden, lässt Franziskus vorerst im Vagen. Entscheidend ist für ihn das "Nicht-Ausschließen".
Zuletzt betonte er das am Samstag, als ihm ein Journalistenpreis verliehen wurde. Da wiederholte er sein Lissaboner Diktum von der für alle offenen Kirche und sagte mit Blick auf die Weltsynode: "Wir haben unsere Türen geöffnet; haben allen ermöglicht teilzunehmen und alle Anregungen berücksichtigt. Gemeinsam wollen wir eine Kirche bauen, in der sich alle zuhause fühlen und wo niemand ausgeschlossen ist (...) Es gibt keine Katholiken erster, zweiter und dritter Klasse."
Und am stürmischen Montag des "Rientro" setzte sein Chefstratege, der Jesuit Antonio Spadaro, noch eins drauf. In der linksliberalen Zeitung "La Repubblica" ließ er Passagen eines Gespräches veröffentlichen, das der Papst drei Wochen zuvor mit Mitgliedern des Jesuitenordens in Portugal geführt hatte. Darin enthalten: eine Kampfansage an namentlich nicht näher genannte konservative katholische Gruppierungen in den USA. Ihnen warf der Papst vor, gut organisiert eine rückwärtsgewandte Ideologie in der Kirche verbreiten zu wollen. Auch in diesem Gespräch wiederholte er seine Vision einer Kirche, die niemanden ausschließt, und nannte dabei auch ausdrücklich Trans-Personen.
Bedenken zur Weltsynode
Beide Reden klangen wie eine Antwort auf die lauter werdende Kritik aus dem konservativen Lager im Vorfeld der Weltsynode. In Sozialen Netzwerken und zuletzt auch in einem Buch mit einem Vorwort von Kurienkardinal Raymond Burke beschwört es die Gefahr einer Synode, die mit der Lehre der Kirche bricht. "Der Synodale Prozess ist eine Büchse der Pandora", warnen die Autoren Jose Antonio Ureta aus Chile und Julio Loredo de Izcue aus Peru. Der Plan, die Kirche zu reformieren, werde die Grundfesten der Kirche umstürzen. Und Burke sekundierte: "Synodalität und sein Adjektiv synodal sind zu Slogans geworden, hinter denen eine Revolution am Werke ist, um das Selbstverständnis der Kirche radikal zu verändern."
Bevor in Rom über die Zukunft der Kirche debattiert wird, hat der Papst noch reichlich Gelegenheit, seinen Führungsanspruch zu untermauern. Dazu zählen seine Reisen in die Mongolei und nach Marseille – sowie die Ernennung neuer Kardinäle am 30. September im Vatikan. Nach diesem feierlichen Akt, zu dem alle Kardinäle eingeladen sind – auch die innerkirchlichen Gegner –, wird das Wahlkollegium für ein künftiges Konklave zu mehr als zwei Dritteln aus Kardinälen bestehen, die Franziskus ernannt hat.