Schüller kritisiert Fernández-Aussagen zur deutschen Theologie
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller hat dem künftigen Präfekten des Glaubensdikasteriums, dem argentinischen Erzbischof Víctor Manuel Fernández, Populismus vorgeworfen. Wenn Fernández der Kirche in Deutschland "ernste Probleme" attestiere, weil sie heute keine Theologen mehr auf dem Niveau früherer Zeiten habe, sei das "ein leider immer wieder bemühtes Narrativ", sagte Schüller am Mittwoch in einem Interview des kirchlichen Internetportals kirche-und-leben.de. Linke wie rechte Gruppen in der Kirche würden so versuchen, "je nach kirchenpolitischer Interessenlage die katholische Kirche in Deutschland zu desavouieren, weil ihnen Themen, Köpfe, Schwerpunkte nicht passen", sagte der Theologieprofessor weiter.
Er frage sich, so Schüller, ab wann Fernández aufgehört habe, deutsche und europäische Theologie wahrzunehmen – "zumal die zweifellos großen Theologen Karl Rahner und Joseph Ratzinger ja zunächst auch vom Lehramt sehr kritisch beäugt wurden". Daran, dass der argentinische Erzbischof bei seiner Kritik nur deutsch denke, erkenne man dessen "schlechte kirchenpolitische Absicht".
Fernández-Kritik auch am Synodalen Weg
Fernández hatte sich am Montag in einem Interview mit dem "National Catholic Register" kritisch über den Synodalen Weg geäußert. Die Kirche in Deutschland habe ernste Probleme und müsse offensichtlich über eine Neuevangelisierung nachdenken. Zugleich habe sie heute keine Theologen mehr auf dem Niveau früherer Zeiten. "Das Risiko des Synodalen Wegs liegt darin zu glauben, dass die Kirche in Deutschland aufblühen wird, wenn sie einige progressive Neuerungen zulässt", so Fernández. Das sei aber nicht das, was Papst Franziskus vorschlage, dem es um eine Erneuerung des missionarischen Einsatzes gehe.
Schüller betonte mit Blick auf die katholischen Theologie in Deutschland, dass deren Stärke vor allem die Tatsache sei, dass sie an staatlichen Universitäten getrieben werde: "Damit sind wir herausgefordert, nicht in den nur eigenen kirchlichen vier Wänden wie in den kirchlichen Hochschulen zu leben, sondern uns mit den Fragen der Soziologie, der Naturwissenschaften, der Geisteswissenschaften, aber auch der Jurisprudenz auseinanderzusetzen." Die Theologie stehe damit in einem Geflecht von Wissenschaften, die Fragen an die Theologie herantrügen – "so wie wir das unsererseits tun". Zugleich betonte Schüller, dass es heute nicht mehr "zwei, drei Leuchtgestalten" und keine Schulenbildung um eine Person gäbe: "Nein, die Theologie ist pluraler – und damit auch anschlussfähiger."
"Reiner Peronismus argentinischer Spielart"
Er wies zudem die Aussage von Fernández zurück, die Kirche in Deutschland müsse mehr über Neuevangelisierung nachdenken. "Das ist ebenfalls ein beliebtes Narrativ: In Lateinamerika, Afrika und Ozeanien lebt die junge Kirche, dort glaubt man: Ihr in Europa habt das Geld, seid aber arm an Glauben", so Schüller. Zwar habe die Kirche in Europa aufgrund bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen in der Tat ein Problem, den Glauben immer wieder zu inkulturieren: "Aber das plumpe Ausspielen von Neu-Evangelisierung und einer kritischen, von der Vernunft getragenen Theologie ist reiner Peronismus argentinischer Spielart."
Fernández gelte als Chefberater von Papst Franziskus so Schüller. Mit Ausnahme der Enzyklika "Laudato si" habe man es in dessen Schriften eher mit einer Theologie zu tun, die auf hehre Vokabeln wie "Neuevangelisierung", "Synodalität", "Heiliger Geist" ausgerichtet, aber nicht von einer theologisch durchdachten Theologie gefüllt sei. "Das ist das große Manko dieses Pontifikats. Augenscheinlich ist Fernández eine der tragenden Säulen in diesem pontifikalen Projekt. Dies würde für die Zukunft nichts Gutes verheißen", kritisierte der 62-Jährige, der seit 2009 an der Universität Münster lehrt. (stz)