Bischof Bätzing: Kardinal Woelki hat "Akzeptanz der Leute verloren"
Aus Sicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, wirkt sich die Vertrauenskrise im Erzbistum Köln auf die Kirche in ganz Deutschland aus. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki habe "die Akzeptanz der Leute verloren", sagte Bätzing im Interview mit dem Wochenmagazin "Die Zeit" (Donnerstag): "Köln ist nicht nur ein Spitzenreiter bei Kirchenaustritten, jetzt treten überall im Land Menschen auch wegen Köln aus."
Der Limburger Bischof zog eine Parallele zu seinem eigenen Amtsvorgänger Franz-Peter Tebartz-van Elst. Dieser war 2014 unter anderem auf öffentlichen Druck wegen Verschleierung der Kosten für seinen Dienst- und Wohnsitz zurückgetreten. Anders wertet Bätzing das Rücktrittsangebot des Münchner Kardinals Reinhard Marx. Dieser habe "in München keine Fehler gemacht, die einen Rücktritt erzwingen", so der Bischof weiter: "Marx hat seinen Rücktritt angeboten, um zu sagen: Ich bin seit 25 Jahren Bischof, wir haben alle das System geschützt, ich setze ein Zeichen. Doch der Papst hat abgelehnt."
Bätzing verteidigte zugleich Kardinal Woelki gegen den Vorwurf des Meineids: "Alle Versuche, ihn gerichtlich zu belangen, haben etwas Unwürdiges." Auch im Umgang mit Missbrauch habe der Kölner Erzbischof "wohl keine gravierenden Fehler gemacht." Das Erzbistum Köln habe auch richtig gehandelt, bei der Schmerzensgeldklage eines Missbrauchsbetroffenen auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, fügte Bätzing hinzu. Nach dem inzwischen rechtskräftigen Urteil steht einem früheren Messdiener die historisch hohe Summe von 300.000 Euro zu: "Das ging aber nur, weil der Fall zweifelsfrei dokumentiert war. Als Kirche sehen wir die Belastung, die eine neuerliche Beweisführung für die Opfer bedeuten würde. Im betreffenden Fall hätten wir in Limburg genauso entschieden."
Bätzing: Benedikt XVI. hätte sich entschuldigen sollen
Weiter kritisierte der DBK-Vorsitzende den verstorbenen Papst Benedikt XVI. für dessen Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch durch Priester. "Ich wünschte, dass Joseph Ratzinger über seine Zeit als Münchner Erzbischof gesagt hätte: Ich trug damals Verantwortung, mir ist egal, ob ich in einer bestimmten Sitzung war. Ich entschuldige mich für das, was den Opfern durch die Versetzung eines Missbrauchstäters angetan wurde", sagte Bätzing. Damit hätte der deutsche Papst auch seine Autorität stärken können. Ein im Januar 2022 veröffentlichtes Missbrauchsgutachten wift dem ehemaligen Kirchenoberhaupt für seine Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) in vier Fällen fehlerhaftes Verhalten im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen Priester vor. Zudem habe sich eine Aussage von Benedikt XVI. zu einem besonders brisanten Fall eines Wiederholungstäters als falsch erwiesen.
Gleichzeitig bedauerte Bätzing, dass Papst Franziskus dem ehemaligen Sekretär Benedikts, Erzbischof Georg Gänswein, keine feste Aufgabe zugewiesen hat. "Es ist keine einfache Situation, vor allem für ihn selbst", so der Limburger Bischof. Gänswein war im Juli aus dem Vatikan in sein ehemaliges Heimatbistum Freiburg zurückgekehrt. Möglicherweise wird er dort nach Absprache mit Erzbischof Stephan Burger einzelne Aufträge wie Firmungen oder örtliche Festgottesdienste übernehmen. Zudem will der langjährige Papstsekretär ab Herbst regelmäßig Gottesdienste im Freiburger Münster feiern. Mit Gänswein gesprochen habe er seit dessen Rückkehr noch nicht, sagte Bätzing im Interview.
Zudem lobte der DBK-Vorsitzende die Rolle der Medien bei der Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche. "Ich finde, die Journalistinnen und Journalisten sind nicht schuld an der Misere. Ohne sie wären wir bei der Missbrauchs-Aufklärung noch längst nicht so weit", sagte Bätzing. Er sei dankbar, dass Betroffene vor Journalisten ihre Stimme erhoben und diese sich dann an ihre Seite gestellt hätten, fügte er hinzu: "Wir haben ja nicht aus freien Stücken und Selbsterkenntnis angefangen aufzuarbeiten, sondern auf Druck der Betroffenen." Dennoch deprimiere es ihn auch, "dass das viele Wunderbare in unserer Kirche kaum öffentlich vorkommt". Für ihn als Vorsitzenden der Bischofskonferenz sei es anstrengend, "den Skandalen hinterherzulaufen", bekannte Bätzing: "Da ich aber Langstrecke besser kann als Sprint und – meistens – zum Versachlichen neige, passt das."
Bätzing: Erhoffe mir schnelle Reformvoten von der Weltsynode
Bei Frauenweihe, Zölibat, Sexualmoral und anderen Reformdebatten der katholischen Kirche setzt der DBK-Vorsitzende auf die erste Sitzung der Weltsynode im Oktober. Von dieser erhoffe er sich ein "schnelles Votum", sagte der Limburger Bischof: "Unser Kirchenvolk hat keine Geduld mehr." Es gebe keine Frontstellung zwischen Rom und den Bischöfen in Deutschland, so Bätzing weiter. Die Beschlusstexte des deutschen Synodalen Wegs seien Handlungsempfehlungen, die mit der Weltkirche abgestimmt werden sollten. "Es geht nicht um Texte, sondern um verändertes Handeln. Dafür braucht es Argumente und Vereinbarungen", erklärte der Bischof: "So sind wir es in unserer demokratischen Kultur gewohnt. In der Kurie verstehen sie das nicht."
Gleichzeitig verteidigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz Papst Franziskus gegen den Vorwurf, die Reform bremsen zu wollen, etwa durch ein Verbot eines Synodalen Rates in Deutschland, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam beraten und entscheiden sollen. Rom habe lediglich die "Einsicht gestärkt, dass das vorbereitet werden muss", erklärte Bätzing. Zudem könne das Kirchenoberhaupt nicht entscheiden, wie die deutschen Bischöfe wollten, sondern müsse "die Weltkirche einen". Er unterstütze Franziskus "zu hundert Prozent", betonte der Bischof: "Ich berichte ihm, unsere Katholiken haben Sorge, ob ihre Kirche überlebt. Darüber muss man angstfrei mit dem Papst reden." (tmg/KNA)
13.9., 15 Uhr: Ergänzt um weitere Aussagen Bätzings.