Künftiger Glaubenspräfekt warnt vor selbstgefälligen Klerikern
Der neue Präfekt des Glaubensdikasteriums und künftige Kardinal, Erzbischof Víctor Manuel Fernández, hat vor selbstgefälligen Kirchenmännern gewarnt, die die göttliche Offenbarung durch scheinbar alleingültige Grundsätze zu ersetzen versuchten. Die Vertreter dieser in ihren Augen "einzigen möglichen Struktur rationaler Prinzipien" würden nur sich selbst als "ernstzunehmend", "intelligent" und "treu" sehen, sagte Fernández im Interview mit der italienischen Zeitschrift "La Civiltà Cattolica" (Samstag). "Das erklärt die Macht, die sich einige Kirchenmänner anmaßen, wenn sie sogar festlegen, was der Papst sagen könne oder nicht", so der künftige Glaubenspräfekt. Diesen Männern ginge es jedoch nicht um die Vernunft, sondern um "Macht", die sie auch gegen Widrigkeiten verteidigen würden. Sie würden sich selbst als absolute "Hüter der Legitimität und Einheit des Glaubens" sehen. Wahrscheinlich spielt Fernández mit diesen Aussagen auf innerkirchliche Gegner von Papst Franziskus an. Gleichzeitig stellte der Erzbischof klar, dass die Kirche immer den Wert der Philosophie und die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Glaube und Vernunft verteidigt habe.
Fernández rief die Theologen dazu auf, nicht nur akademische Schriften über den Glauben zu verfassen. Sie sollten keine Scham haben, Bücher zu veröffentlichen, "die die Theologie auf die Notwendigkeiten des Volkes herunterbrechen". Auf diese Weise trete die Theologie in einen Dialog mit dem konkreten Leben sowie den Nöten und Sehnsüchten der Menschen. Er selbst habe mehr als 100 katechetische Schriften und kleinere Bücher verfasst, die nicht weniger wichtig als seine theologischen Werke seien. Als Beispiel nannte der künftige Kardinal das Buch "Die fünf Minuten des Heiligen Geistes", das für jeden Tag des Jahres einen Text über den Heiligen Geist enthält und bereits in mehr als 350.000 Exemplaren veröffentlicht sei. "Die Nachrichten des Dankes für dieses Werk sind unzählbar: Personen, die es gelesen haben, konvertierten danach, führten doch keinen Suizid durch, gingen ins Kloster oder nahmen ihre Ehe wieder auf."
"Zu bewachen bedeutet auch, zu verbessern"
Bei seiner künftigen Arbeit an der Spitze der Glaubenskongregation sehe er es als seine Aufgabe an, die Theologie zu fördern. "Zu bewachen bedeutet auch, zu verbessern", sagte Fernández in Anspielung auf den Auftrag, den ihm Papst Franziskus für sein neues Amt mitgegeben habe, "über die Lehre zu wachen, die aus dem Glauben erblühe". Es gehe nicht darum, die Lehre der Kirche an sich zu verbessern, sondern das Verständnis von ihr. In den letzten Jahrzehnten habe die Theologie dies nicht in herausragender Weise geschafft, klagte der Kirchenmann. "Wie viele Theologen vom Rang eines Rahner, Ratzinger, Congar oder von Balthasar können wir benennen?" Auch die Befreiungstheologie habe keine herausragenden Theologen wie etwa Gustavo Gutiérrez mehr. "Etwas ist schiefgelaufen. Es gab Kontrollen, aber keine Entwicklung."
Mit Blick auf die Moraltheologie sehe er vor allem die Aufgabe, die vorrangige Bedeutung der Nächstenliebe hervorzuheben. Es gehe darum, eine Moraltheologie zu entwickeln, die innigst von der Nächstenliebe durchdrungen sei. Dies sei eine theologische sowie eine praktische Frage. Die Nächstenliebe sei nicht nur Motivation, sondern Inhalt von ethischen Abwägungen und beim Treffen von persönlichen oder pastoralen Entscheidungen. Eine Moral, die nur auf das Erfüllen von Geboten aus sei, erfülle diese Anforderungen nicht. Papst Franziskus nimmt Fernández beim Konsistorium in Rom am 30. September in das Kollegium der Kardinäle auf. Der Erzbischof tritt Mitte September sein Amt an der Spitze des Glaubensdikasteriums an. (rom)