Beschäftigung mit Haltungsänderung der Kirche lasse sich schwer vermitteln

Overbeck zur Weltsynode: Bin froh über jede Form von Öffnung

Veröffentlicht am 30.09.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Essen ‐ Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck gehört zu den drei Bischöfen, die die Deutsche Bischofskonferenz zur Weltsynode entsendet. Im katholisch.de-Interview spricht er über die Erwartungen an das kirchliche Großereignis und darüber, ob er selbst mutigere Entscheidungen vom Papst erwartet.

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Die Deutsche Bischofskonferenz hat aus ihrer Mitte drei Bischöfe gewählt, die an der Weltsynode in der kommenden Woche teilnehmen sollen: Bischof Georg Bätzing, Bischof Bertram Meier und Bischof Franz-Josef Overbeck. Letzter spricht im katholisch.de-Interview über seinen Blick auf vierwöchige Treffen in Rom.

Frage: Bischof Overbeck, wenn Sie sich für ein Thema entscheiden müssten, über das Sie bei der Weltsynode unbedingt sprechen wollen würden, welches wäre das?

Overbeck: Angesichts der drei großen Themen der Synode – Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung – würde ich dann sagen: Die Teilhabe aller an der Sendung der Kirche.

Frage: Warum ist Ihnen das wichtig?

Overbeck: Weil wir zumindest hier in Deutschland in einer Welt leben, in der das aufgrund der Freiheit und auch des Willens der Teilhabe aller an allen Äußerungen des öffentlichen Lebens eine wichtige Frage ist, die ganz viele bewegt, die ein Interesse haben an einem Leben im Glauben und an der Kirche.

Frage: Jetzt gibt es eine ganze Reihe von Themen, die im Vorfeld der Synode auch in den Vorbereitungsdokumenten genannt werden. Glauben Sie, dass die Weltsynode von Gläubigen, die Reformen wünschen, mit Erwartungen überfrachtet wird?

Overbeck: Die kommende Synode hat zwei Teile. Der erst Teil wird – so sehe ich auch die entsprechenden Unterlagen – einer sein, der sich vor allem mit der Frage nach der Haltung von uns, die wir Teil des Synodenprozesses sind, befassen wird. Und das wird viele eher nicht interessieren (lacht). Aber für die spirituelle und pastorale Dimension unseres Lebens als Kirche wird das schon von Bedeutung sein. Von daher nehme ich das sehr ernst. Ich weiß aber, dass ich das in Deutschland an vielen Stellen nicht gut vermitteln kann. Die zweite Perspektive ergibt sich dann wahrscheinlich eher im nächsten Jahr, wenn sich diese Haltungsänderung auch an konkreten Fragen zu bewähren hat. Im Instrumentum laboris ist zu lesen, dass es alle diese Fragen, Herausforderungen und Perspektiven gibt. In 2024 wird das Interesse und auch die Aufmerksamkeit auf das, was gesagt wird, sicher höher sein als jetzt.

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Frage: Glauben Sie, dass es dann auch Enttäuschungen für die gibt, die sich konkrete Reformen gewünscht haben?

Overbeck: Wir sind auf einem langen Weg und ich bin froh über jede Form von Öffnung, die es da gibt. Das werde ich unterstützen und stärken. Ich habe einen langen Atem.

Frage: Wird man in Rom besonders kritisch auf die Eingaben der deutschen Bischöfe schauen?

Overbeck: Die Eingaben der deutschen Bischöfe im Verbund mit dem, was wir in den letzten Jahren alles hinsichtlich des Synodalen Weges mit Rom besprochen haben, werden aufmerksam wahrgenommen. Wir haben auch sonst noch entsprechende Gespräche in Rom. Das fügt sich alles ganz gut zusammen. Es gibt viele Länder auf der Welt und viele Bischofskonferenzen, die sehr wohl wahrnehmen, was wir tun. Von daher gibt es ein waches Bewusstsein, denke ich. Aber es gilt auch, realistisch zu bleiben: Wir sind nur ein sehr, sehr kleiner Teil der Weltkirche.

Frage: Papst Franziskus sieht die Weltsynode dezidiert als geistliches Ereignis und trotzdem wurde bei den vergangenen Synoden auch taktiert und es haben sich Blöcke gebildet. Wen sehen Sie denn außerhalb der deutschen Sprachgruppe auf Seite derer, die auch inhaltliche Reformen wünschen und fordern?

Overbeck: Ein geistliches Ereignis ist für mich immer auch eine Sache der Politik im Sinne der "politeia", also der Öffentlichkeit. So ist es schon am Anfang gewesen, als das Evangelium erstmals verkündet wurde. So bleibt es und so lebt auch die Kirche. Wir werden daher in vielen Fragen kulturell mit denen beieinander sein, die selber auch in einer freien Welt leben und sich von hier aus völlig neu bewähren müssen: im Glauben und auch in ihrer Glaubwürdigkeit. Wir werden kritisch beurteilt werden von anderen Ländern, die noch nicht in solchen Situationen leben wie wir. Und es wird in allen Ländern der Erde aufgeklärte und vielleicht sogar – so wie wir – postsäkular lebende Menschen geben, die verstehen, um was es uns geht: um die Stärkung im Glauben und im Leben der Kirche, also um unsere Identität.

Frage: Welche Rolle kann dabei vielleicht auch der neue Glaubenspräfekt Víctor Manuel Fernández spielen? Sehen Sie in ihm einen Reformer?

Overbeck: Ich habe den neuen Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre in meiner Funktion als Adveniat-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz schon vor gut einem Jahrzehnt in Buenos Aires als Rektor der dortigen Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien kennengelernt. Er ist ein intellektueller, hoch wachsamer Mensch, der immer auch schon in einem engen Kontakt mit Kardinal Bergoglio und dann Papst Franziskus stand und steht. Er hat seine neue Aufgabe mit einem bemerkenswerten Brief des Papstes angetreten, der gleichsam eine Arbeitsbeschreibung ist. Der Brief erinnert daran, dass er vor allem ein Ermöglicher in der Suche nach der Wahrheit sein soll. Und das wünsche auch ich ihm.

„Das Pontifikat von Papst Franziskus hat bisher viel Unerwartetes bereits ermöglicht und auch begonnen, neue Wege zu gehen.“

—  Zitat: Bischof Franz-Josef Overbeck

Frage: Man kann den Eindruck bekommen, dass die Kirche in Deutschland und der Vatikan grundverschiedene Vorstellungen davon haben, was Synodalität eigentlich ist und wie sie gelebt werden soll. Wie kann sich das bei der Weltsynode in Rom jetzt verbinden lassen?

Overbeck: Wenn wir uns jetzt am Anfang über Haltungen austauschen, unter denen wir dann später Themen verhandeln, werden wir sehen, was uns kulturell und zugleich im Glauben verbindet und was uns trennt. Das ist durchaus bereichernd, aber auch herausforderungsvoll und kostet viel Kraft. So werden wir jetzt den Weg mit Mut und Kraft beschreiten. Das wird gut gehen und das lehren mich auch meine weltkirchlichen Kontakte über die Jahre. Da bin ich ganz zuversichtlich.  

Frage: Seitdem Papst Franziskus 2021 seinen synodalen Prozess ausgerufen hat, haben sich die Welt und die Kirche weiterbewegt – und werden das auch noch weiter tun, bis die Weltsynode vorbei ist. Wann kommt denn nach dem ganzen Hören die Zeit des Handelns?

Overbeck: Vor zwei Jahren ist mit der Dynamik dieses synodalen Prozesses begonnen worden, den wir auf der weltkirchlichen Ebene jetzt umsetzen. Und es wird nach dem Wunsch des Papstes auch weiterhin immer wieder Zeiten des Hörens und Abwägens geben. Ich vermute sehr stark, dass dann im zweiten Teil diese Perspektive der Umsetzung kommt, die uns auch weiterhin beschäftigen wird. Das wird uns dann praktisch wieder sehr herausfordern. Aber auch da gilt: Es braucht Geduld und Zuversicht.

Frage: Papst Franziskus hat nach den vergangenen Synoden ein paar pastorale, kleinere Akzente gesetzt – beispielweise mit der Fußnote, die wiederverheiratet Geschiedenen in Ausnahmesituationen den Kommunionempfang erlaubt. Aber der große Wurf ist ausgeblieben. Erwarten Sie auch vom Papst selbst mutigere Entscheidungen während und vor allem nach der Synode?

Overbeck: Das Pontifikat von Papst Franziskus hat bisher viel Unerwartetes bereits ermöglicht und auch begonnen, neue Wege zu gehen. Diese Bewegungen sollten wir einfach weiterverfolgen und dabei die hohe Komplexität der Aufgaben im Blick behalten, wie auch die sehr unterschiedlichen Mentalitäten und Kulturen, in denen wir das Kirche-Sein in der Weltkirche leben.

Frage: Glauben Sie, dass das der richtige Schritt ist, kleine pastorale Akzente zu setzen, statt großer Entscheidungen?

Overbeck: Das Zweite Vatikanische Konzil hat auch mit einer Ankündigung durch Papst Johannes XXIII. begonnen und ist mit großen Texten durch Papst Paul VI. beendet worden. Wir werden es sehen.

Von Christoph Brüwer