Oster zur Weltsynode: Unter Franziskus hat sich schon vieles verändert
Dass Papst Franziskus ihn zu einem Teilnehmer der Weltsynode berufen hat, hat Bischof Stefan Oster nach eigenen Worten überrascht. Im katholisch.de-Interview spricht er über den Unterschied zwischen dem synodalen Prozess des Papstes und dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Er erzählt auch, worauf er sich in Rom besonders freut.
Frage: Bischof Oster, mit welchem Gefühl fahren Sie nach Rom zur Weltsynode?
Oster: Mit einer freudigen, spannungsvollen Erwartung. Ich war 2018 bereits auf der Jugendsynode in Rom dabei. Das war ein großes weltkirchliches Ereignis. Ich hatte damals viel Arbeit, weil ich Relator der deutschsprachigen Gruppe war. Auch diesmal wird es viel Arbeit, weil wir von montags bis samstagsnachmittags tagen. Aber ich freue mich. Es ist etwas Neues, weil neben den Bischöfen auch gläubige Laien, Männer und Frauen, dazukommen und es insgesamt mehr Menschen sein werden als noch bei der Jugendsynode. Und es geht um ein Thema, das die Kirche womöglich in eine neue Zeit führt.
Frage: Wo liegt der Unterschied darin, dass jetzt nicht nur Bischöfe, sondern auch Laien mit Stimmrecht teilnehmen?
Oster: Ich denke, dass war der Wille des Papstes, bei einer Bischofssynode auch Laien mitwirken zu lassen. Dabei geht es ja letztlich um die spannungsvolle Frage der Partizipation, also um die berühmte Unterscheidung zwischen "decision making" und "decision taking": Bisher entscheiden am Ende der Papst und die Bischöfe. Alle anderen dürfen mitreden. Daher: Vielleicht ist das jetzt also schon ein Schritt in Richtung von mehr Partizipation. Denn das ist ja ein Unterthema der Synode selbst.
Frage: Macht es für Sie persönlich einen Unterschied, dass Laien mit Stimmrecht dabei sind?
Oster: Nein.
Frage: Wie bereitet man sich auf so ein Treffen vor?
Oster: Ich habe das Instrumentum laboris gelesen und wir haben ja auch in den letzten zwei Jahren die Menschen in unserem Bistum eingeladen, mitzuwirken. Ich habe mit den Gremien in unserem Bistum die Synodenfragen besprochen. Ich war also auch ein Teil dieser Vorabbewegung der Synode, wo Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche befragt worden sind.
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Frage: Viele Gläubige setzen ja hohe Erwartungen in die Entscheidungen, die jetzt in Rom getroffen werden und hoffen auch auf Reformen. Denken Sie, dass diese Erwartungen enttäuscht werden?
Oster: Ich glaube schon. Wer meint, nach der Synode wird zum Beispiel das Frauenpriestertum eingeführt, der wird mit Sicherheit enttäuscht werden. Der Papst hat mehrmals betont, dass es mehr um den Stil von Kirche geht und nicht um doktrinäre Fragen – und die Frauenordination ist eine doktrinäre Frage. Aber wie zum Beispiel Frauen in der Kirche besser beteiligt und besser in die Verantwortung mitgenommen werden können, das wird sicher eine Rolle spielen und ist ein Zukunftsthema für die Kirche. Frauen haben in unserer Kirche in Deutschland schon durchschnittlich häufiger als in den meisten anderen Kirchen eine führende Rolle. Auch in meinem Bistum gibt es nicht wenige Frauen in leitenden Positionen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir einen großen Apparat mit vielen bezahlten Kräften und vielen Einrichtungen haben, weil wir die Kirchensteuer haben. Das ist in anderen Teilen der Welt nicht möglich.
Frage: Was sollten denn Bischöfe und Kirche tun, wenn es zu enttäuschten Erwartungen kommt?
Oster: Ehrlich gesagt fühle ich mich so, wie ich die Synode kommuniziere und sie auch im Vorfeld kommuniziert habe, nicht für Enttäuschungen verantwortlich. Ich werde auch hinterher möglichst offen kommunizieren, was war. Die Menschen, die mit mir unterwegs sind, haben nicht so große Erwartungen an ganz konkrete Reformthemen, die die Lehre betreffen, meine ich.
Frage: Der Papst hat mit der Familiensynode, der Jugendsynode und der Amazonassynode schon drei Synoden hinter sich. Öffentlich spürbare Veränderungen gab es danach nicht. Wird sich das aus Ihrer Sicht jetzt ändern?
Oster: Nochmal: Dem Papst geht es um einen bestimmten Stil des Kirche-Seins. Und wenn Sie schauen, was und wie frei in der Kirche diskutiert wird, dann hat sich schon ganz viel verändert durch mehrere Prozesse, die Franziskus angestoßen und der Kirche gegeben hat, durch seine Schreiben und seinen Dialog mit der Welt. Die Enzyklika "Laudato si" ist ein Beispiel dafür. Damit hat sich der Papst aus meiner Sicht zur moralischen Autorität für die ganze Welt gemacht und sich gewissermaßen an die Spitze der ökologischen Bewegung gesetzt. Wenn man aber nur auf zwei oder drei bestimmte Themen schaut, kann man denken, dass sich nichts ändert. Aber tatsächlich ändert sich recht viel.
Frage: Sie selbst haben den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland mehrfach öffentlich kritisiert. Was hat die Weltsynode, was der Synodale Weg nicht hat?
Oster: Das Setting im Blick auf die Frage der Öffentlichkeit ist genau konträr. Beim Synodalen Weg war sehr bewusst alles live. Meine Überzeugung ist, dass innerhalb des Synodalen Weges bestimmte Mehrheiten und bestimmte Interessenvertreter bewusst mit medialem und öffentlichem Druck gearbeitet haben. Als jemand, der zur Minderheit gehört, habe ich das am eigenen Leib gespürt. Und genau das ist das, was der Papst nicht will: Er will einen geschützten Raum für alle, die hören und sprechen. Und es soll ein Sprechen ohne Taktik sein, ohne Hintergedanken, keine Politik – auch kein Wunsch, persönliche Interessen durchzusetzen. Er will, dass Menschen frei sprechen und das sagen, was sich im Gespräch gerade zeigt und sich ihnen aufs Herz legt. Er ist der Überzeugung, dass so der Heilige Geist am stärksten wirksam und erfahrbar wird.
„Das ist auch der Grund, warum ich sage: Beim Synodalen Ausschuss bin ich jetzt erst einmal nicht dabei.“
Frage: In Rom werden Bischöfe aus allen Teilen der Welt zusammenkommen, die vielleicht auch Anfragen an den Synodalen Weg haben. Inwiefern werden Sie diesen Mitbrüdern gegenüber den Synodalen Weg verteidigen?
Oster: Verteidigen kann ich ihn insofern, dass wir Deutschen die Dinge gründlich machen wollen und wir auch die Möglichkeiten dafür haben. Unsere Themen interessieren auch die Christen in anderen Teilen der Welt. Denn es ist ja nicht so, dass die Thematik Sexualmoral oder die Frauenordination anderswo kein Thema wäre. Wir haben in Deutschland die Möglichkeit, so einen Synodalen Weg zu machen, mit unseren Strukturen und dem Geld, das wir durch die Kirchensteuer haben. Mit unseren vielen Kräften, die wir bezahlen können. Es waren ganz viele Hauptamtliche der Kirche dabei und ganz viele Laientheologinnen und -theologen – mit viel Qualität. Und sowas kann die große Mehrheit der anderen Kirchen nicht so einfach machen. Deswegen schauen natürlich schon viele auf uns und fragen: Was machen die Deutschen. Aber die Richtung, die dann eingeschlagen wurde, nämlich dass sehr bewusst auch Veränderungen an der Lehre der Kirche gefordert und durch manche Umsetzung auch schon als beschlossen vorausgesetzt werden, halte ich für problematisch. Ich denke, dass das eine Ortskirche wie unsere nicht einfach beschließen kann. Und das ist für mich ein problematischer Knackpunkt.
Frage: Was ist denn das, was Sie den Mitbrüdern aus dem Ausland sagen, wenn die Sie nach dem Synodalen Weg fragen?
Oster: Ich bin überzeugt: Die Missbrauchskrise hat auch strukturelle Ursachen. Das ist schon ein Punkt, bei dem ich den Befürwortern des Synodalen Weges bei uns zustimmen würde, auch wenn er von manchem im Vatikan angezweifelt wird. Und das ist ein Punkt, den man angehen muss. Ohne Frage gab es zum Beispiel die Versuchung unter den Mitgliedern des Klerus im Fall von Missbrauch zu sagen: "Wir haben das Sagen – und wir regeln das unter uns." Hier gibt es also ein Einfallstor für Vertuschung. Und die Frage ist, wie man das aufbrechen kann. Dazu will ich mit aller Kraft auch meinen Beitrag leisten. Ob dafür aber gleich die sakramentale Verfassung des Priestertums und der Kirche in Frage gestellt werden muss, ist ein anderes Thema. Nicht wenige haben das Gefühl, dass das geschieht – auch im Ausland. Und auch der Papst, der wohl genau das im Sinn hat, wenn er uns in Deutschland mahnt, dass es schon eine gute evangelische Kirche gebe – und es brauche keine zweite. Ich glaube, er hat hier genau die sakramentale Verfassung von Kirche im Sinn, denn unsere evangelischen Geschwister sehen das theologisch tatsächlich anders als wir. Und wenn diese Tendenz auch von Beobachtern aus dem Ausland gesehen wird, sehen sie, glaube ich, etwas Richtiges.
Frage: Was ist denn das Positive, das Sie vom Synodalen Weg einbringen wollen?
Oster: Der Synodale Weg hat uns auf jeden Fall zusammen ins Gespräch gebracht, auch mit vielen Menschen, mit denen ich vorher nicht so ohne Weiteres ins Gespräch gekommen wäre. Diese Perspektive einzunehmen und auch das Leiden mancher Menschen wahrzunehmen, hat mich auf jeden Fall innerlich verändert. Das Reden über Dinge, die einen beschäftigen, auch im Glauben, ist immer wichtig und gut. Ich glaube allerdings, dass der Synodale Weg durch von Anfang an ganz offensichtliche kirchenpolitische Richtung gesteuert wurde – und so am Ende dann doch in eine größere Polarisierung und nicht in ein größeres Miteinander geführt hat. Das ist auch der Grund, warum ich sage: Beim Synodalen Ausschuss bin ich jetzt erst einmal nicht dabei.
Frage: Sie sprechen das große Miteinander an. Bei der Weltsynode hat Papst Franziskus Vertreter aus allen kirchenpolitischen Richtungen berufen. Erwarten Sie, dass es in Rom scharfe Diskussionen und auch unüberwindbare Gräben gibt?
Oster: Das erwarte ich nicht. Der Papst wird die meiste Zeit dabei sein und er ist derjenige, der das Ganze in gewisser Weise zusammenhält.
Frage: Worauf freuen Sie sich jetzt in Rom besonders?
Oster: Auf die Begegnungen mit vielen Menschen aus der Weltkirche. Ich kenne inzwischen schon einige, da ich schon länger Bischof bin und auch ein paar Mal in Rom war. Ich freue mich darauf, viele Menschen wiederzusehen und neue Menschen aus der ganzen Welt kennenzulernen. Und ich bin echt gespannt auf die Art und Weise des Miteinanders. Und vielleicht erleben wir ja tatsächlich eine der bedeutendsten Kirchenversammlungen dieses Jahrhunderts?