Warum eine Paramentenwerkstatt Stolen für Nicht-Kleriker macht
Im Schweizer Benediktinerinnenkloster Fahr kann man sich eine "Stola für Seelsorgende" anfertigen lassen. Seit vier Jahren gibt es dieses unifarbene handgewobene Seidenband im Sortiment der klostereigenen Paramentenwerkstatt.
“Die Nachfrage nach der Stola ist groß", erklärt Zoe Wüst (Foto oben) am Telefon. Sie ist die Leiterin der Paramentenwerkstatt des Klosters Fahr. "Wir wollten ein Produkt entwickeln, das von Männern und Frauen, die in der Seelsorge tätig sind, gleichermaßen getragen werden kann und das zu unserem unverkennbaren Stil passt", so die 28-Jährige. So entstand im künstlerischen Klosteratelier die Idee zu einer "Stola für Seelsorgende". Das vier Zentimeter breite Seidenband ist in allen liturgischen Farben erhältlich. Dieses wird an der linken Achselnaht bei der Tunika mittels einer Lasche und einem Klettverschluss angebracht und hängt fast bodenlang daran fest. Es lässt sich somit einfach wechseln oder man kann die Tunika auch ohne Band tragen. Vor allem Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter aus der Schweiz würden dieses unifarbene Stoffband gerne bestellen, berichtet die Leiterin der Werkstatt.
Kritik an der Bezeichnung "Stola für Seelsorgende"
Anfangs gab es hin und wieder auch Kritik, insbesondere wegen der Bezeichnung "Stola für Seelsorgende" sagt Wüst. Denn eine Stola wird in der lateinischen Kirche nur von Diakonen, Priestern und Bischöfen getragen, so der Liturgieprofessor Marco Benini aus Trier. Sie wird ihnen bei der Diakonen- bzw. Priesterweihe bei den ausdeutenden Riten angelegt und ist daher ihr Amtszeichen. Eine "Stola" für Laien erwecke - selbst wenn sie anders bezeichnet würde - den Eindruck einer gewollten "Klerikalisierung der Laien", gegen die sich Papst Franziskus sehr klar ausgesprochen habe, so Benini. Weil die Laiendienste theologisch auf der Taufe basieren, sei die Albe, sozusagen das mitgewachsene weiße Taufkleid, die angemessene liturgische Kleidung, sagt der Trierer Liturgieprofessor.
Diese Kritik nehmen wir sehr ernst, sagt Wüst. Doch die "Stola für Seelsorgende" bleibe im Sortiment, auch unter diesem Namen, solange wir keine Vorschläge für eine neue überzeugende Bezeichnung erhalten, so die Leiterin. Auch wolle die Werkstatt damit ein Zeichen in die Kirche setzen, betont Wüst und berichtet, dass auch die Priorin des Fahrer Benediktinerinnenklosters von Anfang an hinter der Idee einer "Stola für Seelsorgende" stand. So besitzt die Ordensfrau Irene Gassmann diese Stolen in vier Farben und trage sie je nach liturgischem Anlass oder zu besonderen Festzeiten im Kloster wenn sie der Liturgie vorsteht, oder predigt.
Seit fünf Jahren arbeitet Zoe Wüst, die ausgebildete Damenschneiderin und Weberin ist, im klostereigenen Atelier in Fahr. Die Werkstatt befindet sich mitten im Kloster – sogar in der Klausur der Nonnen. Aber daran störe sich hier niemand, meint Wüst. Neben den vier Mitarbeiterinnen in der Schneiderei und Weberei, sind auch drei Ordensfrauen in der Werkstatt beschäftigt. Zwei davon sind über 80 Jahre alt. Eine Schwester arbeitet im Nähatelier, die anderen zwei Schwestern in der Weberei, sagt die 28-jährige Paramentenwerkstatt-Leiterin. "Die drei sind mir wie die restlichen Schwestern aus dem Kloster richtig ans Herz gewachsen."
Wüst, die die Werkstatt leitet, ist vor allem für die Abwicklung der Produktionsaufträge zuständig. Ab und zu arbeitet sie auch noch im Nähatelier mit. Leider ist das Paramenten-Handwerk in den Klöstern am Aussterben, beklagt Wüst. Nur noch wenige Klöster in der Schweiz stellen kirchliche Textilien selbst her. Die billigere Konkurrenz der Großlieferanten aus dem Ausland mache aber auch der Fahrer Paramentenwerkstatt zu schaffen. Trotzdem sei die Nachfrage nach den handgefertigten Stücken nach wie vor sehr hoch, meint Wüst nicht ohne Stolz. Das liege vor allem an der hohen Qualität der Produkte. Denn bis auf einige Tunikas oder Ministrantengewänder ist jedes Stück handgewoben, aus reiner Seide und oder aus Wolle gefertigt. "Unsere Produkte haben ihren Preis sie sind edel, stilvoll und langlebig und zudem in der Schweiz produziert", sagt Wüst.
Auf der Webseite der Werkstatt kann man sich einen Überblick über die Textilien verschaffen. Angeboten werden Messgewänder, Dalmatiken, Tuniken, Stolen und Ministrantengewänder. Daneben gibt es auch Altar- und Ambotücher, Kelchtücher, Mitren und Velen. Unverkennbar bei allen Produkten ist der "typische Fahrer-Stil". Dieser zeichnet sich durch schlichte Motive und einfache, geometrische Formen aus, erklärt Wüst. Bildnerische christliche Symbole wie Tauben, Lämmer oder Flammen findet der Kunde auf den Fahrer Messgewändern nicht. "Und auch keine barocke Spitze", sagt die Leiterin der Werkstatt. "Wir bevorzugen einen langlebigen Stil". Zu den Kunden der Fahrer Paramentenwerkstatt gehören Kirchengemeinden, Seelsorgeeinheiten und Seelsorgende und Priester aus der Schweiz und aus Deutschland. Aber auch aus Spanien oder Italien gebe es Anfragen.
"Mit dieser Stola haben wir wohl einen Nerv der Zeit getroffen"
Noch ein anderer Schweizer Paramentenhersteller, Heimgartner in Wil, bietet solche auf der Schulter getragenen und nach unten hängenden "Dekorstreifen" für Laien an. Diese werden aber nicht mit Klettverschluss, sondern mit Druckknöpfen an der Tunika befestigt und sind sogar in Regenbogenfarben erhältlich. In Deutschland wird so eine "Stola für Seelsorgende" bislang noch nicht in einer hiesigen Paramentenwerkstatt hergestellt.
"Mit dieser Stola für Seelsorgende haben wir in der Schweiz wohl einen Nerv der Zeit getroffen", freut sich die Leiterin der Fahrer Werkstatt. Im vergangenen Jahr gab es eine große Nachfrage nach "unseren Stolen für Seelsorgende", verrät sie. Das liege auch daran, dass in der Schweiz viele Theologinnen und Theologen Kirchengemeinden leiten und diese Stola als erkennbares Zeichen gerne tragen, sagt Wüst. So etwa benutzt die Schweizer Gemeindeleiterin Dorothee Becker eine solche Stola für Seelsorgende.