Das war die Bischofssynode zur Synodalität 2023

Weltsynode in Rom: Vier Wochen Gesprächstherapie für Klerus und Laien

Veröffentlicht am 30.10.2023 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Rom ‐ Vier intensive Synoden-Wochen sind nun zu Ende. Was passierte vor und hinter verschlossenen Türen? Ging der Synoden-Plan des Papstes auf? Welche Erkenntnisse bringt das Abschlusspapier und wie geht es bis zum zweiten Treffen der Weltsynode im Herbst 2024 weiter? Ein Überblick.

  • Teilen:

Mehr Frieden würde es auf der Welt geben, wenn Politiker so arbeiten würden, wie die Weltsynode im Vatikan, sagte der synodenerfahrene Kardinal Christoph Schönborn vor einigen Tagen in Rom. Auch wenn der Vatikan parlamentarische Vergleiche scheut wie der Teufel das Weihwasser und die Konstruktion der Synode und ihre Entscheidungsgewalt grundsätzlich nichts mit dem parlamentarischen Wesen zu tun hat, könnte der Wiener Erzbischof Recht haben. Das erste Treffen der Weltsynode in Rom scheint – für katholische Verhältnisse – ein Erfolg gewesen zu sein.

Die vergangenen Wochen in der Audienzhalle des Vatikan waren geprägt von Gebet und Gespräch. Die mehr als 400 Teilnehmenden reflektierten grundsätzlich über Synodalität, sprachen über das Verhältnis der Kirche zur Welt, kirchliche Verantwortung und Strukturen. Die bunte Mischung der Versammlung brachte interessante Begegnungen hervor: Kirchenpolitisch Fernstehende posierten miteinander für Fotos, konträre Positionen kamen ins Gespräch und Teilnehmende knüpften neue Netzwerke. Man tausche sich aus und lerne die Probleme und Sorgen der anderen besser kennen, berichten Synodale immer wieder beseelt von ihren Erlebnissen hinter verschlossenen Türen.

Um sich dem breiten Themenspektrum der Synodalitäts-Synode anzunähern, haben die Synodenplaner Arbeitsblätter mit Leitfragen erstellt und im Anhang des Instrumentum Laboris veröffentlicht. Während der Gespräche seien alle "heißen Eisen" auf den Tisch gekommen, berichten Synodenteilnehmende. Davon drang jedoch wenig nach außen. Manches, wie die Diskussionen zur Frauenweihe, wurde vom Vatikan bewusst heruntergespielt oder verschwiegen. In einem der seltenen Interviews zur Synode berichtete die Schweizer Synodale Helena Jeppesen-Spuhler von überraschend traditionellen Rollenbildern bei Laien und ebenso unerwartet liberalen Aussagen bei Bischöfen.

Streitpunkte im Abschlussdokument benannt

Viele dieser Meinungen stehen nun nebeneinander im Abschlussdokument der Synode. Besonders polarisiert habe der Abschnitt zum Diakonat der Frau. Für einen Teil der Synodalen ist das Diakonat der Frau ein "inakzeptabler" Schritt, "der nicht mit der Tradition übereinstimmt"; für die anderen würde seine Einführung eine Praxis der frühen Kirche wiederherstellen; wieder andere sehen darin "eine angemessene und notwendige Antwort auf die Zeichen der Zeit" für "neue Vitalität und Energie in der Kirche". Einige äußern, "die Befürchtung, dass diese Forderung Ausdruck einer gefährlichen anthropologischen Verwirrung ist, die die Kirche dem Zeitgeist anpasst".

Keine explizite Erwähnung fanden im Abschlusspapier hingehen queere Menschen, deren Rolle und Akzeptanz in der Kirche während der vorbereitenden Etappen des Synodenprozesses stets eine deutliche Rolle spielte und nach Angaben des amerikanischen LGBT-Seelsorger James Martin auch in der Synodenaula immer wieder thematisiert wurde. "Ich vermute, dass die meisten LGBTQ-Katholiken enttäuscht sein werden, dass sie in der endgültigen Synthese nicht einmal erwähnt werden", sagte Martin im Anschluss an die Abstimmung. Das Abschlussdokument spiegle nicht die Tatsache wider, dass das LGBTQI-Thema sowohl in vielen Tischgesprächen als auch in den Plenarsitzungen immer wieder zur Sprache kam und sehr unterschiedliche Ansichten hervorrief, kritisierte Martin.

Ablauf der Bischofssynode zur Synodalität
Bild: ©katholisch.de

Papst Franziskus hat 2021 den weltweiten synodalen Prozess anlässlich der 16. Generalversammlung der Bischofssynode gestartet.

Dass die Synode trotz gegensätzlicher Positionen nicht auseinanderflog, lag – zum Leidwesen der Medienvertreter – an der vatikanischen Informationssperre und an der offensichtlich erfolgreichen neuen Arbeitsmethode. In 35 moderierten Kleingruppen, zu je 10 bis 12 Personen gab es klare Regeln des Austausches: Reihum wurden Statements zum aktuellen Thema abgegeben, dann folgte Stille. Große Countdown-Uhren halfen, die Balance zu wahren. Anschließend wurde nacheinander über die Eindrücke des Gehörten gesprochen, um dann nach einer weiteren Stille eine Zusammenfassung aller 35 Kleingruppen für die Generalversammlung zu erstellen.

Meistens habe dieses Vorgehen sehr gut geklappt, manchmal seien Reaktionen jedoch auch unmittelbar auf eine Aussage aus Teilnehmenden herausgeplatzt. Synodale aller kirchenpolitischen Lager berichten von einer Atmosphäre intensiven Zuhörens. Von allen ist aber auch zu hören: Es koste Nerven der anderen Position widerspruchslos zuzuhören.

Synodalität als Vehikel für Streitfragen

Damit scheint das Synoden-Konzept des Papstes und seiner Synodenplaner im Großen und Ganzen aufgegangen zu sein. Die Methode der "Spirituellen Konversation" hat es ermöglicht, einen großen Konflikt bei der Weltsynode zu vermeiden und trotzdem drängende Themen auf die Agenda zu setzen. Von Anfang an hatte die Synode "Synodalität" zum Thema und keine kritischen Punkte wie queere Menschen, Frauen oder Missbrauch. Und doch waren diese Themen bei jeder Synodenetappe seit 2021 präsent. Letztlich scheinen der "Deckmantel" der Synodalität und die Gesprächsweise ihre Thematisierung überhaupt ermöglicht zu haben. Die Folgen einer Medien- und Kirchenpolitik-Maschinerie während einer Synode zu einem der "heißen Eisen" wären für die Hierarchie einer hochpolarisierten katholischen Kirche wohl unkalkulierbar gewesen.

Auch die Zweiteilung der Synode in eine Tagung 2023 und eine weitere 2024 erwies sich als kluger Schachzug der Synodenorganisatoren. Gintaras Grusas, Präsident des Rates der europäischen Bischofskonferenzen, nannte es ein Erfolgsrezept der Synode, dass es im Abschlusstext 2023 erst einmal keine Beschlüsse zu strittigen Fragen geben werde. Nur so habe die Versammlung die Freiheit gehabt, offen zu sprechen. Das könnte 2024 anders aussehen.

Bätzing lobt Kommunikationsform bei Weltsynode: Es hat sich verändert

Die Sitzordnung bei der Weltsynode in Rom war ungewöhnlich: Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien saßen in ihren Arbeitsgruppen gemeinsam an runden Tischen. Für Bischof Georg Bätzing hat das eine neue Art des Miteinanders ermöglicht.

Atmosphärisches Lob zu den Synodenwochen in Rom gab es nicht zuletzt von den deutschen Bischöfen, die vom Synodalen Weg der Kirche in Deutschland eine ganz andere Debatten-Kultur gewohnt waren. Es sei jedoch auch ermüdend, inhaltlich nicht voranzukommen, ist von verschiedenen Synodenteilnehmenden zu hören. Im kommenden Jahr müsse mehr passieren, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, nach Synodenende in Rom. Laut Medienberichten soll sich während der Tagung eine Gruppe an das Synodensekretariat gewandt haben, mit der Bitte um mehr Raum für direkte Diskussionen, um zu handfesten Ergebnissen zu gelangen, die man zuhause vorweisen könne. Schließlich warte man dort gespannt auf Informationen aus Rom.

Vor allem die Herkunft der Teilnehmenden wirkte sich auf ihre Haltungen zur Synode aus. Während einige große Dankbarkeit signalisieren, überhaupt vom Papst eingeladen worden zu sein, formulierten andere von Beginn an kraftvoll Forderungen und Ansprüche an die Versammlung. Ähnlich verhält es sich mit dem Blick auf den Gesamtprozess. Während Teilnehmende berichten, dass beispielsweise Synodale aus dem asiatischen Raum von der Offenheit und Diskursivität der Weltsynode überwältigt seien, stellten andere Synodale aus freiheitlichen Demokratien die päpstlich-bischöfliche Letztentscheidung in der katholischen Kirche grundsätzlich in Frage und forderten folglich in der Aula eine Art Selbstverpflichtung der Hierarchie, sich an die synodalen Beschlüsse zu binden.

Diskussionen innerhalb des Kirchenrechts

Sicher scheint schon heute, dass die Synode auch 2024 keine Beschlüsse zu umstrittenen Themen fassen wird, die sie dem Papst zur Entscheidung vorlegt. Vielmehr werkelt sie weiter im kirchlichen Maschinenraum. Modifikationen im Kirchenrecht, die verbindliche Einführung von Partizipationsgremien und Bewusstsein für schon heute kirchenrechtlich-mögliche Laienbeteiligung, wie beispielsweise die Taufe durch Laien, scheinen jedoch denkbar. Synodenteilnehmende aus westlichen Ländern bezeichnen diese Punkte als mögliche Ergebnisse, mit denen schon viel gewonnen sei, auch wenn vieles davon in Europa schon längst gelebt werde und die Kirche damit weiterhin hinter dem westlichen Gleichheitsdiskurs bliebe.

Aber es bleibt dabei: Die wichtigste Rolle bei der Bischofssynode spielt der Papst. Er ist es, der in freier Entscheidung Vorschläge der Versammlung umsetzt oder eben auch nicht. Nicht zuletzt deswegen war das päpstliche Agieren der vergangenen Wochen aufschlussreich. Während Franziskus nur sporadisch an Synodensitzungen teilnahm, sorgte er außerhalb der Aula immer wieder für Aufsehen.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Während die Synodalen zu Einkehrtagen in einem römischen Vorort waren, veröffentlichte der Vatikan Antworten des Papstes auf ein Dubia-Schreiben. Darin Themen wie Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare und Frauenweihe. Während der Synode wurden Papst-Interviews publiziert, in denen sich Franziskus ebenfalls zu Themen der Synode äußerte. Mit "Laudate Deum" erschien zu Synodenbeginn die Fortsetzung seiner Umweltenzyklika und er äußerte sich im Apostolischen Schreiben "C'est la Confiance — Das Vertrauen" unter anderem zur Moraltheologie – auch das sind Themen, die auf der Weltsynoden-Agenda stehen. Und auch das Treffen mit der US-amerikanischen Ordensfrau Jeannine Gramick, die sich in der Queer-Seelsorge engagiert, blieb nicht unbeachtet.

Zudem soll es auch in der Aula gezielte Interventionen des Papstes gegeben haben. Teilnehmende berichten von einer starken Wortmeldung des Papstes, in der er die Notwendigkeit einer besseren Bildung im Klerus und dem Kirchenvolk betonte. Zudem habe seine spontane Wortmeldung im Anschluss an die Verabschiedung des Briefes an das Volk Gottes für Aufsehen gesorgt, wie das "Nederlands Dagblad" berichtet. Kritik gab es, dass weder Papst noch Synode ein starkes Wort zum Krieg im Nahen Osten fanden.

Nun hat die Synode ihre erste römische Etappe hinter sich. Auf ein Vorgehen wie es bis zum zweiten Treffen 2024 weitergeht, hat sich die Synodenversammlung nicht verständigt. Während einige Synodale davor warnen, erneute Befragungen anzustellen, da so der Eindruck einer Beschäftigungstherapie entstehen könne, fordern andere breit angelegte Partizipationsmöglichkeit und die Einbindung bisher wenig beteiligter Gruppen. Der Brief an das Volk Gottes der Synode fordert in diesem Sinne eine stärkere Einbeziehung von Pfarrern in die Gespräche. Ebenso schlägt das Abschlussdokument verschiedene Untersuchungen vor – unter anderem zum Diakonat der Frau – deren Ergebnisse bei der Versammlung 2024 vorgelegt werden sollen. Wahrscheinlich ist zudem, dass erneut über die Synoden-Synthese auf kontinentaler Ebene beraten wird. Nur eines ist sicher: bis zur nächsten Gesprächstherapie 2024 werden noch viele Gespräche in der katholischen Kirche geführt werden.

Von Benedikt Heider