Theologin: Müssen deutlich mehr über Amtstheologie nachdenken
Erstmals waren bei einer Bischofssynode auch Frauen abstimmungsberechtigt. Hat das etwas verändert? Catherine E. Clifford ist Professorin für Systematische und Historische Theologie an der Universität Sankt Paul im kanadischen Ottawa und war Mitglied der Weltsynode. Im Interview spricht sie über das Zeugnis von Frauen, Diakoninnen und das kirchliche Ämterverständnis.
Frage: Frau Clifford, Sie waren eine der sehr wenigen Frauen, die an der Weltsynode teilgenommen haben. Wie haben Sie sich zwischen so vielen Männern und Bischöfen gefühlt?
Clifford: Zunächst einmal war es eine Ehre, überhaupt eingeladen zu werden. Dann war meine Erfahrung, dass die Bischöfe sehr gastfreundlich waren. Ich habe mit einigen von ihnen im gleichen Gästehaus übernachtet und wir haben uns zu den Mahlzeiten gesehen, sind zusammen zur Synode gegangen und haben gemeinsam an den runden Tischen gesessen. Von der Verteilung her war es so, dass im Schnitt nur eine bis zwei Frauen pro Tisch saßen – und viele der Moderatorinnen waren auch Frauen. Es war aber trotzdem manchmal nicht einfach: Ich habe meine eigenen Erfahrungen mit der Kirche gemacht und wollte meine Perspektive einbringen, als Laiin und als Frau. Es war wichtig, dass diese Perspektive vorkommt.
Frage: In vielen Stellungnahmen war zu lesen, dass das Frauenthema weniger in den großen Diskussionen als vielmehr in den Gesprächen zwischendurch eine Rolle gespielt hat. Wie wichtig war dieses Thema wirklich?
Clifford: Das Thema Frauen haben Menschen aus der Kirche auf allen Kontinenten im weltweiten synodalen Prozess als wichtig identifiziert. Das spiegelte sich in dem Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe der Synode wider: "Mach den Raum deines Zeltes weit" (Jes 54,2) Dort heißt es über Frauen, sie seien eine der Gruppen, "die das Gefühl haben, ihre Gaben und Fähigkeiten würden nicht anerkannt", obwohl sie die Mehrheit der kirchlich Engagierten stellen. Deshalb fokussierte sich ein Fragenkomplex des Instrumentum laboris auf die Rolle von Frauen. Zudem gab es andere Orte, an denen wir über die Vielfalt an kirchlichen Diensten wie auch das Verhältnis des Priesters zu anderen Seelsorgern reden konnten. Auch das waren wichtige Momente, um über Frauen zu sprechen, denn Frauen machen einen großen Anteil des pastoralen Dienstes der Kirche aus. Deshalb sehen manche Bischöfe auch die Möglichkeit des Frauendiakonats – weil sie diesen Dienst bereits übernehmen! Das ist ein traditionsreicher Dienst mit klaren historischen Vorgängern.
Frage: Könnten Sie etwas konkreter werden?
Clifford: Es gab einen Arbeitsteil der Synode, bei dem es explizit um die Erfahrungen und die Einbeziehung von Frauen in der Kirche ging. Bei den Gruppengesprächen dazu ernannten fast alle Gruppen Frauen dazu, ihre Ergebnisse am Ende im Plenum mitzuteilen. Es gab also einen Morgen lang Gedanken zu Frauen, vorgetragen von Frauen – das war sehr bewegend. Viele Bischöfe waren darüber sehr froh, haben sich solidarisch verhalten und ihre Wertsachätzung für den Beitrag von Frauen in der Kirche ausgedrückt. Sie haben aber auch festgehalten: Wir müssen besser darin werden, die Arbeit von Frauen wahrzunehmen und zu bestärken – und gerechtere Strukturen für ihre Einbeziehung und Beteiligung auf allen Ebenen der Kirche schaffen. Einige Bischöfe konnten auch Beispiele außergewöhnlicher weiblicher Führungspersönlichkeiten geben, etwa als Vikarinnen und Kirchenrechtlerinnen, Theologieprofessorinnen und Seelsorgerinnen. Das war ein wundervoller und bewegender Moment. Es war für mich dann etwas enttäuschend, dass das alles am nächsten Tag in meiner Gruppe beispielsweise kaum eine Rolle gespielt hat. Da gibt es also eine Art unbewussten blinden Fleck. Da müssen wir ehrlich sein und sagen: Wir müssen hart dafür arbeiten, dass das Frauenthema auf der Tagesordnung bleibt.
Frage: Es geht also nicht darum, dass die meisten Synodalen Frauen in Führungspositionen ablehnen würden, sondern das ist eher etwas Unterbewusstes?
Clifford: Viele nehmen Frauen als selbstverständlich hin. Viele Frauen sagen: Zu viele von uns erfahren Missbrauch durch Kleriker, zu viele Ordensfrauen werden nicht gerecht für ihre harte Arbeit in der Kirche bezahlt und zu viel Arbeit von Frauen wird nicht anerkannt oder ist zu oft nur eine Ad-hoc-Angelegenheit. Die Arbeit von Frauen muss besser in die institutionellen Strukturen eingebettet werden, sodass sie zu einem strukturellen Teil in der Vielfalt der Dienste der Kirche wird. Da ist einiges Wichtiges gesagt worden und die Offenheit darüber war bemerkenswert. Natürlich wollen manche Bischöfe nicht über Diakoninnen, sondern direkt über Priesterinnen reden und andere sind solchen Ideen gegenüber nervös und immun. Bei der Verabschiedung des Synthese-Dokuments der ersten Vollversammlung war der Frauenteil jener mit den meisten Gegenstimmen, aber trotzdem waren mehr als 80 Prozent der Synodalen dafür. Das ist bemerkenswert.
Frage: Sie forschen schon seit vielen Jahren zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Schon damals stand die Priesterweihe für Frauen zur Debatte – jetzt geht es lediglich um den Diakonat: Das klingt nach einem Rückschritt.
Clifford: Wir sprechen über die Ämterfrage für Frauen heute offener als damals, das war beim Konzil kein zentrales Thema. Frauen durften beim Konzil weder sprechen noch abstimmen – ein Antrag, eine Frau sprechen zu lassen, wurde abgelehnt und ein Mann musste ihren Text vorlesen. Frauen wirkten eher im Hintergrund und arbeiteten an den Texten mit. Was beim Konzil jedoch geschah: Viele der Dokumente wollten über Frauen eigentlich sehr poetisch sprechen und sie auf einen Sockel stellen. Schon damals sagten die Frauen den Bischöfen: Macht das bitte nicht! Behandelt uns wie getaufte erwachsene Christinnen. Die komplementaristische Theologie, nach der Frauen und Männer zwar ontologisch gleich, jedoch funktionell verschieden seien, wurde zurückgewiesen. In den vergangenen 20 Jahren ist diese theologische Sichtweise jedoch wieder populärer geworden. Ich glaube, das hilft uns nicht weiter. Frauen wollen als getaufte Christinnen wahrgenommen werden, mit voller Teilnahme und gemeinsamer Verantwortung für das Leben der Kirche. Einige sind zu kirchlichen Ämtern berufen – und diese Ämter sollten nicht durch ein Geschlecht definiert werden. Wir Frauen sind berufen, wir haben der Kirche etwas zu geben und wollen am Dienst der Kirche teilhaben.
Frage: Wie wichtig ist da die Perspektive, dass es künftig Diakoninnen oder Priesterinnen geben soll?
Clifford: Das ist wichtig. Wir haben das Diakonenamt noch nicht vollständig wiederhergestellt. Das Konzilsdokument "Lumen gentium" gibt Bischöfen die Möglichkeit, den Ständigen Diakonat wiederherzustellen und verheiratete Männer darin aufzunehmen. Es gibt weltweit 50.000 Diakone, die meisten in Nordamerika und Europa. Es gibt also ganze Kontinente, wo das noch nicht implementiert ist. Wenn wir der Meinung sind, dass der Diakonendienst ein wesenhafter Dienst der Kirche ist – wie kann es dann Ortskirchen ohne Ständige Diakone geben? Und wie können wir Ständige Diakone als Dienst eigener Art begreifen? Es kann nicht sein, dass Diakone nur als Priester zweiter Wahl oder Lückenfüller in der pastoralen Personaldecke gelten. Wir müssen die Vielfalt der Dienste in den Ortskirchen wiederherstellen und dabei auch Frauen mitdenken.
Frage: Wie optimistisch sind Sie, dass das geschieht? Wenn Papst Franziskus etwa über Frauen spricht, redet er von ihnen in erster Linie und fast ausschließlich in ihrer Mutterrolle – und sieht weder Diakoninnen noch Priesterinnen.
Clifford: Wir hatten in der ersten Version des Syntheseberichts noch deutlich mehr mutterzentrierte Sprache in Bezug auf Frauen. Nach einigen Debatten wurden diese Formulierungen dann aber herausgenommen, weil viele Frauen keine Eltern sind oder nicht dadurch definiert werden möchten. Frauen in Familien erleben die Mutterschaft für eine gewisse Zeit, aber danach möchten sie nicht mehr nur als Mütter gesehen werden. Nicht alle Frauen sind zur Weihe berufen und es gibt viele unterschiedliche Formen des Dienstes der Frauen in der Kirche. Ich bin manchmal etwas enttäuscht, wenn Papst Franziskus in diese Sprache zurückfällt. Ich glaube nicht, dass das eine sehr traditionelle Theologie ist und sehe darin eher eine Art Erotisierung priesterlicher Macht, was nicht besonders hilfreich und sogar hinderlich wäre. Ich glaube, wir müssen an diesem Punkt deutlich mehr über unsere Amtstheologie nachdenken. Viele der Frauen, die sich zur Priesterin berufen fühlen, möchten an der momentanen Form des Priesteramts keinen Anteil haben. Sie wollen eine Lehre und Praxis des Priestertums, die klarer kollaborativ und auf den Dienst an den Getauften ausgerichtet ist, bei denen es nicht in erster Linie um Macht und sexualisierte Kategorien geht.
Frage: Kann das innerhalb des Verlaufs der Synode noch in die Form von Dokumenten oder Entscheidungen gegossen werden? Es ist ja nur noch ein knappes Jahr Zeit.
Clifford: Wir haben nur noch sehr wenig Zeit und diese Fragen gehören nicht zu den vorrangigen dieses synodalen Prozesses. Die Amtsfrage ist ein Teil der Betrachtung der Gesamtstruktur der Kirche, da muss es auf allen Ebenen Räume zur gemeinsamen Reflexion und zum Hören auf das Evangelium geben. Es gibt einige Fragen, bei denen das Synodendokument einen Bedarf an theologischer Reflexion festgeschrieben hat, das gilt auch für Diakoninnen. Da gibt es noch viel Forschungsarbeit zu tun, aber viele Bischöfe scheinen darüber nicht besonders gut informiert zu sein. Sie brauchen vielleicht eine kurze Zusammenfassung aus theologischer Hand. Dazu gehören aber auch Fragen, etwa warum die Arbeit der päpstlichen Forschungskommission nie veröffentlicht wurde und der Bericht einer anderen völlig neu geschrieben wurde. Die Frage nach neuen Diensten in der Kirche und der Form des Diakonenamts erfordert theologische Weiterbildung – und je nach Ort vielfältige Lösungen. Wie das Zweite Vatikanische Konzil festgehalten hat, liegt es in der Verantwortung der Ortsbischöfe, über die Implementierung des Diakonenamts zu entscheiden. Es muss für die Zukunft eine gewisse Autonomie der Ortskirchen in solchen Fragen geben, denn die Ortskirchen sind nicht alle auf dem gleichen Stand und ihr Blick auf kirchliche Ämter hat auch mit kulturellen Hintergründen zu tun. Dennoch bleibt die Frage: Warum sind so viele Ortskirchen ohne Diakone? Warum gab es in mehr als zwei Dritteln aller Diözesen seit dem Konzil noch nie eine Synode? Wenn wir wirklich eine synodale Kirche sein wollen, müssen solche Formate zum Alltag werden.