"Ancora vivo": Wie Papst Franziskus seine Gesundheit zu schaffen macht
"Ancora vivo" – "Noch lebe ich": Keinen Satz hat der Papst in den vergangenen Monaten häufiger gesagt. Es ist seine Standardantwort auf Fragen nach dem Befinden. Tatsächlich umschreibt sie gut das Auf und Ab seiner Tagesform. Am Montag sorgte er mit einer Äußerung zu seinem Gesundheitszustand für Aufsehen. Ihm gehe es nicht gut, war seine Begründung, als er eine Audienzrede vor europäischen Rabbinern nicht selbst vortrug und in Schriftform verteilen ließ.
Vielleicht war der 86-Jährige etwas erkältet, möglicherweise war es aber die Brisanz des Treffens im Zusammenhang mit dem Krieg in Nahost, die den Papst verstummen ließ. Denn alle anderen Audienzen an dem Tag absolvierte das katholische Kirchenoberhaupt wie geplant und durchaus nicht schweigsam. Tatsache ist aber auch, dass sein Gesundheitszustand immer häufiger Anlass zu Besorgnis ist.
Nach seiner umfangreichen Darm-Operation im Juni hatte Franziskus die Arbeit schnell wieder aufgenommen. Es ging ihm erstmals seit Monaten wieder merklich besser – mit weniger Schmerzen und deutlich weniger Gewicht startete er in den Alltag. Drei Reisen absolvierte Franziskus allein im August und September: Beim Weltjugendtag in Lissabon folgte ein Termin dem nächsten. In der Mongolei zwar mit deutlich ausgedünntem Kalender, aber langer Flugzeit und deutlicher Zeitverschiebung, merkte man ihm die Strapazen schnell an. Müde und unkonzentriert wirkte das katholische Kirchenoberhaupt an vielen Stellen. Auf den anschließenden Kurzbesuch in Marseille folgten Kardinalserhebungen und Weltsynode im Vatikan.
Körper macht Strich durch die Rechnung
Zu Beginn seines Pontifikats steckte Franziskus sein nahezu erholungsloses Mammutprogramm gut weg. Seit knapp zwei Jahren macht ihm sein Körper aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Der Papst kämpft sich durch Audienzen und Ansprachen, durch Reisen und Reformen. Besonders zu schaffen machen ihm dabei die Konfliktherde dieser Welt. Seit Beginn des Ukrainekriegs versucht er sich in Gratwanderungen zwischen den beteiligten Parteien, spricht mit den Großmächten dieser Welt über Friedensinitiativen.
Nun ist ein weiterer Krieg ausgebrochen und der Papst tastet sich in seinen diplomatischen Bemühungen langsam voran. Zugleich bemühen sich auch Hamas-nahe Kräfte um seinen moralischen Beistand. Jedes Wort, jede Geste des bald 87-Jährigen werden von der Weltöffentlichkeit beobachtet und interpretiert. Die wortwörtlich vielen Fronten strengen den Papst merklich an.
Immer mal wieder reagiert Franziskus ungehalten, wenn ihm Gläubige, Mitarbeitende oder Journalisten seinem Empfinden nach zu nahe treten. Bei einem Interview in der vergangenen Woche wirkte er nachdenklich und an einigen Stellen zögerlich. Seine Aussagen beschränkten sich hauptsächlich auf Allgemeinplätze. Nach den vielen Interviews im Laufe seines Pontifikats, dürfte aber nur wenig ungesagt geblieben sein. Die Kraft in der Stimme des einst spontan und energisch agierende Papstes hat in den vergangenen Monaten auch zu anderen Anlässen deutlich nachgelassen.
Grundsatzrede fiel aus
Die erwartete Grundsatzrede zum Ende der diesjährigen Weltsynode fiel aus – mit einem Danke und einem Hinweis auf die bevorstehende Zeitumstellung verabschiedete sich Franziskus von den Teilnehmenden. Im Interview bewertete er den vorläufigen Ausgang eines seiner Lieblingsprojekte kurz als positiv. Alles sei in völliger Freiheit diskutiert worden – das sei eine schöne Sache. Gleiches gelte für das Abschlussdokument, das erstellt werden konnte.
"Ancora vivo" – "Ich lebe noch", sagte er im selben Interview, gefragt nach seiner Gesundheit. Nach der Darm-Operation gehe es ihm wieder gut. "Ich kann alles essen". Das Knieproblem, das Franziskus den Großteil seiner Termine im Rollstuhl absolvieren lässt, bessere sich. Er könne jetzt wieder gut gehen. Bei Audienzen verzichtet er mitunter für einige Minuten auf den Rollstuhl, bei Gottesdiensten lässt er weiterhin andere zelebrieren – etwa den noch älteren Kardinaldekan Giovanni Battista Re.
Aus Vatikankreisen heißt es, Franziskus arbeite noch an einigen grundlegenden Dokumenten und Änderungen für die katholische Kirche. Derzeit gibt es etwa Gerüchte zu einer neuen Ordnung für künftige Papstwahlen. Und obwohl Franziskus immer wieder betont, gerade bei Reisen kürzer treten zu wollen, setzt er sich Anfang Dezember wieder in ein Flugzeug und besucht die Weltklimakonferenz in Dubai. Noch lebt er schließlich.