Am Tiefpunkt des Papsttums – Gefangen in der Engelsburg

Vor 500 Jahren wurde Papst Clemens VII. gewählt

Veröffentlicht am 18.11.2023 um 11:30 Uhr – Von Roland Juchem (KNA) – Lesedauer: 

Rom ‐ Unehelicher Spross des Medici-Clans, Zielscheibe der Plünderung Roms, politischer Strippenzieher und Reformverweigerer. Das Pontifikat von Clemens VII. war ein Auf und Ab für ihn selbst – und ein Tiefpunkt des Papsttums.

  • Teilen:

Fast wäre das Pontifikat des am 18. November 1523 zum Papst gewählten Clemens VII. nach dreieinhalb Jahren schon beendet gewesen. Am 6. Mai 1527 stürmen führungslose marodierende Landsknechte Kaiser Karls V. die Ewige Stadt. Soldaten der wenige Jahre zuvor gegründeten Päpstlichen Schweizergarde können das Kirchenoberhaupt gerade noch über den Passetto, den Geheimgang in der Mauer zwischen Vatikan und Engelsburg, in die Festung am Tiber retten.

In der Stadt beginnen Plünderungen, Morde und Vergewaltigungen, der sogenannte Sacco di Roma (Plünderung Roms). Die zehn Monate dauernde Anarchie konkurrierender Söldner-Trupps kostet rund 4.000 Einwohner das Leben: ein Trauma Roms, an das bis heute erinnert wird, und zugleich ein Tiefpunkt des Papsttums.

Während Clemens VII. in der Engelsburg sitzt, reitet draußen ein Landsknecht auf und ab: Rückwärts auf einem Esel, gewandet in erbeutete päpstliche Abzeichen und mit obszönen Gesten karikiert er den "Antichristen", wie er auf Flugblättern der Reformatoren nördlich der Alpen tausendfach verteilt wird. In die Wandfresken vornehmer Häuser mit Stadtansichten Roms und des Petersdoms ritzen die Plünderer ihren Spott: "Babilon" und "was sol ich schreiben und nit lachen die La[nz]knecht habenn den babst lauffen machen". Roms Konservatoren haben die Vandalismus-Spuren der Nordländer bis heute stehen lassen. Nach sieben Monaten muss Clemens VII. sich ergeben. Der Papst wird gefangen genommen, sein Familien-Clan von toskanischen Rivalen aus Florenz vertrieben.

Vetter von Papst Leo X.

In den Schlamassel hineingeraten war Clemens nach Einschätzung des Historikers Volker Reinhardt, weil er im Machtkampf zwischen Karl V. und Frankreichs König Franz I. versuchte, "das Zünglein an der Waage zu spielen, um dabei so viel wie möglich für seine Familie herauszuschlagen".

Dass Giulio de' Medici es überhaupt auf den Papstthron geschafft hatte, verdankte der unehelich geborene Sprössling seinem Vetter Papst Leo X. (1513-1521). Der hatte ihn zu einem Sohn der Medici aus heimlicher Ehe erklärt, womit sich das Tor zur kirchlichen Karriere öffnete. 1513 zum Kardinal ernannt, war er bis 1519 formal Leiter von neun Bistümern und wurde Apostolischer Vizekanzler, was in etwa dem heutigen Kardinalstaatssekretär entspricht.

Pergament im Bonner Museum
Bild: ©KNA

Mit diesem Brief des englischen Parlaments an Papst Clemens VII. mit 81 Wachssiegeln setzten sich 83 Mitglieder des "House of Lords" beim dem Papst für eine Annullierung der Ehe von König Heinrich VIII. mit Katharina von Aragon ein.

Im Januar 1522 stirbt nach nur 16 Monaten im Amt der gescheiterte niederländische Reformpapst Hadrian VI. (1522-1523). Zu seinem Nachfolger wird Giulio de' Medici gewählt. Anfangs hofft die Kurie auf Clemens VII. als Gegengewicht zum verschwenderischen Leo X. Doch es folgt ein weiterer Niedergang des Papsttums. Erfolgreich ist der Papst nur in Sachen Medici-Clan.

So schließt Clemens VII. im Juni 1529 ein Friedensabkommen mit Karl V.: Er erhält den Kirchenstaat zurück – und die Medici Florenz. Ein Jahr später krönt er den Habsburger in Bologna zum Kaiser. Daneben betreibt er erfolgreiche Verheiratungspolitik – übliches Mittel für politische Bündnisse. Clemens' vermutlich eigener unehelicher, 1510 geborener Sohn Alessandro de' Medici heiratet Margarethe von Parma, eine Tochter Karls V. Seine Verwandte Catarina de' Medici macht er zur Schwiegertochter von Karls Erzrivalen Franz I., indem er sie mit dessen Sohn Heinrich vermählt. Mit einem anderen Heinrich indes überwirft er sich.

Kirchenspaltung hier, Kirchenspaltung da

Als Heinrich VIII. von England verlangt, der Papst solle seine kinderlose Ehe mit Katharina von Aragon für ungültig erklären, weigert sich der Pontifex. Daraufhin sagt sich Heinrich VIII. von Rom los und gründete seine Church of England.

Zu einer anderen, sich länger abzeichnenden Kirchenspaltung trägt Clemens VII. ebenfalls bei. Obschon ihn Karl V. und seine eigenen Nuntien mehrfach auffordern, ein Konzil einzuberufen, tut Clemens dies nicht. Nach Luthers Exkommunikation 1521 interessiert sich an der Kurie kaum jemand für die Lage in Deutschland.

Berichte über den fortschreitenden Abfall von immer mehr Fürsten und Städten von Rom wurden, so Historiker Reinhardt, "mit einer Mischung aus Nonchalance, Naivität und Apathie zur Kenntnis genommen". Erst unter Paul III. beginnt 1545 in Trient ein Reformkonzil. Clemens VII. war da bereits elf Jahre tot. Im September 1534 wird er in der Kirche Santa Maria sopra Minerva neben dem Pantheon in Rom beigesetzt.

Von Roland Juchem (KNA)