Alte Messe, zweifelhafter Leitungsstil und dubiose Gemeinschaften

Causa Fréjus-Toulon: Nimmt sich der Papst den nächsten Bischof vor?

Veröffentlicht am 21.11.2023 um 00:01 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Paris ‐ Visitationen, Weihestopp und eine anhaltende Krise in der südfranzösischen Diözese Fréjus-Toulon: Bischof Dominique Rey soll ein Koadjutor zur Seite gestellt werden. Konservative Kreise meinen, der Papst habe damit nach Joseph Strickland den nächsten Bischof im Visier.

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Alte Messe, Traditionalismus, schlechter Führungsstil, zu viele Priesterweihen und dazu eine Vielzahl von Geistlichen Gemeinschaften aus dem charismatisch-traditionalistischen Milieu. So in etwa könnte man die südfranzösische Diözese Fréjus-Toulon unter dem 71-jährigen Bischof Dominique Rey beschreiben. Dass das nicht ins Programm von Papst Franziskus passt, ist spätestens seit der Absetzung des texanischen Bischofs Joseph Strickland klar. Dieser wurde Medienberichten zufolge noch zwei Jahre vor seiner Absetzung vom Nuntius gewarnt, der Papst beobachte seine Arbeit genau. Zu sehr habe der texanische Bischof die Tradition betont, was dem Vatikan missfiel, Strickland aber nicht daran hinderte, weiterzumachen und stattdessen auf der Plattform "X" (früher Twitter) Hunderttausende von Followern um sich zu scharen. Damit wurde er zum Helden derer, die mit dem Kurs von Papst Franziskus nicht einverstanden sind.

Ähnlich ist die Situation in der französischen Diözese Fréjus-Toulon. Konservative Kreise in der katholischen Kirche schrien auf, als die französische Zeitung "Libération" Ende vergangener Woche meldete, der Papst habe nach der zweiten Apostolischen Visitation und anderthalb Jahren Krise eine endgültige Entscheidung getroffen. Vom "progressiven Franziskus" war die Rede, der gegen alles Traditionelle vorgehe – erst Strickland, jetzt Rey. Eine Entlassung wird es in Fréjus-Toulon jedoch wohl nicht geben. Wie die "Libération" berichtet, soll dem amtierenden Bischof Dominique Rey ein Koadjutor zur Seite gestellt werden. Es handelt sich demnach um François Touvet, den 58-jährigen Bischof von Châlons in der Champagne im Nordosten Frankreichs. Er gilt als konservativ und innovativ zugleich und hat mit seinen Freiluftgottesdiensten während der Covid-Pandemie landesweit für Aufsehen gesorgt. Als sogenannter Koadjutor habe Touvet das Nachfolgerecht auf den Bischofsstuhl, solle aber mit "besonderen Vollmachten" ausgestattet werden, hieß es in dem Zeitungsbericht. Der Artikel wurde wenige Stunden später vom Netz genommen, andere Medien wie "Le Figaro" oder "La Croix" berichteten ebenfalls, eine Anfrage bei der Diözese blieb allerdings unbeantwortet. Inzwischen ist auch der Artikel der "Libération" wieder online.

Priesterseminaristen
Bild: ©stock.adobe.com/wideonet (Symbolbild)

Beobachter warfen Bischof Rey Laxheit bei der Prüfung der Eignung neuer Priesteramtskandidaten vor.

Nach der ersten Apostolischen Visitation durch den zuständigen Metropoliten, Kardinal Jean-Marc Aveline, verhängte der Vatikan 2022 einen Weihestopp für Reys Diözese. Französische Medien bezeichneten diesen seltenen Schritt als "eine Bombe". Gründe dafür waren überdurchschnittlich viele Diakon- und Priesterweihen, über die Eignung der Kandidaten wurde in den Medien spekuliert, manche warfen dem Bischof Laxheit bei der Aufnahme neuer Priesteramtskandidaten vor. Die vatikanischen Behörden forderten deshalb eine "Neustrukturierung des Priesterseminars" und eine neue Aufnahmepolitik. Ein weiterer Grund ist, dass zahlreiche charismatische Gemeinschaften in der Diözese Fréjus-Toulon eine Heimat gefunden haben. Die Website der Diözese zählt rund 50 Gemeinschaften. Beispielhaft sei etwa das argentinische "Instituto del Verbo Encarnado" genannt. Dessen Gründer Carlos Miguel Buela wurde von Priesteramtskandidaten des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Laut einem 2010 von Kurienerzbischof Gardin unterzeichneten Dekret des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens wurden die Vorwürfe als plausibel eingestuft, Buela habe sich unangemessenen Verhaltens gegenüber Erwachsenen schuldig gemacht. Das Institut verweist auf seiner Webseite jedoch weiterhin auf seinen Gründer, ehrt ihn auch nach seinem Tod und ignoriert die Vorfälle sexuellen Missbrauchs.

Bischof Rey, der selbst einer ähnlichen, von der Charismatischen Erneuerung inspirierten Gemeinschaft angehört, glaubt, die Zukunft der französischen Kirche liegt in der Versöhnung von Traditionalisten und Charismatikern, was oft als "tradismatische" Vision bezeichnet wird. Gegenüber der französischen Zeitung "Le Monde" sagte er, dass viele misstrauisch gegenüber allem seien, was ihre Gewohnheiten und ihre Denkweise stören könnte. Neue Gemeinschaften versuchte er mit dem Rückgang der Berufungen zu rechtfertigen: "In Europa gibt es einen starken Rückgang der religiösen Berufungen. Wenn wir neue Impulse geben wollen, brauchen wir neue Ressourcen. Die Gründung einer neuen Gemeinschaft kann eine Pfarrei beleben, wenn sie nicht als aufgezwungen empfunden wird", so der Bischof, der zuvor wegen seines unkritischen Umgangs mit sektenähnlichen Gemeinschaften in seiner Diözese in die Kritik geraten war.

Ein Paradies für Traditionalisten

Seine Diözese erwarb sich nach und nach den Ruf, eine willkommene Heimat für Gemeinschaften zu sein, die der vorkonziliaren Form der Liturgie nahestehen. Laut der französischen Zeitung "La Croix" nahm der Bischof trotz ausdrücklicher Warnungen zahlreiche Kandidaten aus dem Ausland in seine Diözese auf, darunter auch Seminaristen aus traditionalistischen Gemeinschaften und Instituten sowie solche, die in anderen Diözesen abgelehnt worden waren. Rey verteidigte sein Vorgehen bis zur ersten Apostolischen Visitation durch Kardinal Aveline im Jahr 2022. Danach kam der Wandel: Rey habe begonnen, sich um die Umstrukturierung zu kümmern, schrieb er in einer Stellungnahme auf der Website der Diözese und erklärte, die Probleme seien mit dem damaligen Präfekten des Bischofsdikasteriums, Kardinal Marc Ouellet, besprochen worden – trotzdem kam es zum bis heute andauernden Weihestopp.

Bild: ©picture alliance/AA/Piero Cruciatti (Symbolbild)

Der vom Vatikan verhängte Weihestopp im Bistum Fréjus-Toulon besteht nach wie vor.

Im Februar dieses Jahres fand eine weitere Apostolische Visitation durch den vom Bischofsdikasterium dafür beauftragten Erzbischof von Dijon, Antoine Hérourd, statt. Als Grund nannte die Apostolische Nuntiatur in Paris "eine Reihe von Problemen in der Diözese". Hérourd sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe rund 110 Anhörungen von jeweils einer Stunde durchgeführt. Insgesamt seien 600 Zeugenaussagen über die von der Diözese eingerichtete E-Mail-Adresse eingegangen, der Abschlussbericht habe mehr als 20 Kilogramm gewogen. Die Kommentatoren in den französischen Medien waren sich in einem Punkt einig: Die Visitation war nicht nur durch die Bereitschaft des Bischofs motiviert, neue Gemeinschaften und von anderen Diözesen abgelehnte Priesteramtskandidaten aufzunehmen. Vielmehr spielten auch andere Faktoren eine wichtige Rolle, zum Beispiel die starke Hinwendung zum traditionalistischen Katholizismus, vor allem in einer Zeit, in der der Vatikan weltweit gegen die Alte Messe vorgeht und durch Papstbotschafter wie Christophe Pierre in den USA verlauten lässt, dass junge Priester, die von Soutane und Alter Messe träumen, in der heutigen Gesellschaft verloren seien und nach Sicherheiten und Zufluchtsorten suchten, die allerdings eine Gefahr der Isolation böten.

Sollten sich die Medienberichte über die Entscheidung des Vatikans bestätigen, bleibt abzuwarten, wie genau die Aufgaben zwischen Touvet und Rey aufgeteilt werden. Das Amt des Koadjutors könnte auf verschiedene Weise interpretiert werden: Entweder als Mittel für einen reibungslosen Übergang, da Rey im September 2027 das Rücktrittsalter erreicht, oder als Einschränkung des amtierenden Bischofs, sollte der Koadjutor wichtige Aufgaben übernehmen.

Von Mario Trifunovic