Kritik und Humor passen zusammen – auch an einer Theologie-Fakultät
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Wer schon einmal eine politische Karnevalssitzung oder das Derblecken am Nockherberg gesehen hat, weiß: Freude am Feiern und beißende Kritik an politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen schließen sich nicht aus. Der Clou solcher Veranstaltungen: Diejenigen, die sonst auf dem Podium stehen, sitzen an diesem Tag im Publikum – und müssen geduldig zuhören.
An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen gibt es seit Jahrzehnten (das Bildarchiv geht zurück bis 1950) einen ähnlichen Brauch: Zum Gedenktag der Heiligen Katharina laden Studierende zum "Kätherfest" ein. Was sich dort abspielt, dürfte an den meisten Fakultäten unvorstellbar sein: Studierende verkleiden sich als Professor*innen und Assistent*innen und führen ein selbstgeschriebenes Theaterstück auf, in dem die Lehrenden über zwei Stunden lang aufs Korn genommen werden – während diese im Publikum sitzen und mal mehr, mal weniger zu lachen haben. Wie beim Karneval ist dabei manches simpler Klamauk, anderes aber wichtige Beanstandung so manchen Zustands an der Fakultät, natürlich stets verpackt in eine liebevoll gestrickte Geschichte.
Heute findet nach einigen Jahren Corona-Pause endlich wieder ein Kätherfest statt. Ich bin dankbar, dass einige Studierende einst den Mut hatten, diese Tradition zu begründen – und heute viel Zeit und Energie investiert wird, um sie aufrechtzuerhalten. Wir Lehrende werden heute Abend auf humorvolle Art und Weise erfahren, an welchen Stellen der Fakultät es aus Sicht der Studierenden knackt und knarzt. Dabei werden wir sicherlich genug Gelegenheit zum Lachen haben – auch über uns selbst.
Der Autor
Simon Linder arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Universität Tübingen. Er ist promovierter Katholischer Theologe und hat einen Studienabschluss in Allgemeiner Rhetorik. Aktuell forscht er zum Thema "Assistierter Suizid".
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.