Das Jahr im chronologischen Rückblick

Zwischen Krise und Synode: Das kirchliche Jahr 2023 im Überblick

Veröffentlicht am 18.12.2023 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Missbrauchsstudien mit niederschmetternden Ergebnissen, vatikanische Interventionen gegen Reformvorhaben, Rekordaustrittszahlen: Für die katholische Kirche in Deutschland geht erneut ein schwieriges Jahr zu Ende. Katholisch.de blickt im chronologischen Jahresrückblick auf die wichtigsten Ereignisse.

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2023 hatte noch gar nicht begonnen, da lag schon ein Schatten auf dem neuen Jahr: An Silvester 2022 starb im Vatikan der emeritierte Papst Benedikt XVI. (2005-2013). Auch wenn er besonders in seiner deutschen Heimat nicht unumstritten war, löste sein Tod dennoch große Trauer und Anteilnahme aus. Der Tod Benedikts bildete den Auftakt zu einem erneut schwierigen Jahr für die katholische Kirche in Deutschland. Neben der weiteren Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und einem neuen Rekord bei den Kirchenaustrittszahlen wurde das Jahr unter anderem auch von weiteren Auseinandersetzungen zwischen der Kirche in Deutschland und dem Vatikan über Reformen in der Kirche geprägt.

5. Januar: Beerdigung von Benedikt XVI.

Fünf Tage nach seinem Tod an Silvester nimmt die Welt am 5. Januar mit einer schlichten, aber feierlichen Totenmesse im Vatikan Abschied von Benedikt XVI. (2005-2013). Papst Franziskus würdigt vor rund 50.000 Menschen auf dem Petersplatz Feingefühl, Weisheit und Sanftmut seines Vorgängers. Zum Abschluss seiner Predigt sagt Franziskus: "Benedikt, du treuer Freund des himmlischen Bräutigams, möge deine Freude vollkommen sein, wenn du seine Stimme endgültig und für immer hörst." Als letzten Gruß tritt der Papst zum Sarg seines Vorgängers, segnet ihn, legt die Hand auf den Sarg und verharrt eine Weile mit gesenktem Kopf. Unter den zahlreichen internationalen Gästen bei der Beisetzung sind aus Deutschland unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Bundeskanzler Olaf Scholz angereist. Die Beisetzung des mit 95 Jahren verstorbenen Benedikt findet anschließend im kleinen Kreis in den Grotten des Petersdoms statt.

Themenseite: Benedikt XVI.

23. Januar: Vatikan lehnt geplanten Synodalen Rat ab

Er ist der zentrale Baustein zur Verstetigung des Synodalen Wegs: der Synodale Rat. In diesem neuen Beratungs- und Leitungsorgan sollen Bischöfe, Priester und Laien in Deutschland künftig gemeinsam über kirchliche Grundsatzfragen und über den Einsatz finanzieller Mittel beraten und entscheiden. So jedenfalls hat es die Synodalversammlung des Reformprozesses im September 2022 entschieden. Am 23. Januar wird allerdings bekannt, dass der Vatikan dieses Vorhaben entschieden ablehnt. In einem Brief erteilt die Kurie mit ausdrücklicher Rückendeckung von Papst Franziskus der Einrichtung eines Synodalen Rates eine Absage. Weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine nationale Bischofskonferenz seien befugt, ein solches Gremium einzurichten, heißt es in dem von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und den Kurienkardinälen Luis Ladaria und Marc Ouellet unterzeichneten Schreiben. Zudem stellen die Kardinäle fest, dass kein Bischof zur Teilnahme am ebenfalls geplanten Synodalen Ausschuss, der den Synodalen Rat vorbereiten soll, verpflichtet ist. Auslöser für die vatikanische Intervention ist ein Brief des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki und der Bischöfe Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Bertram Meier (Augsburg), Stefan Oster (Passau) und Rudolf Voderholzer (Regensburg), in dem diese den Vatikan gefragt hatten, ob sie am Synodalen Ausschuss teilnehmen müssen und ob sie teilnehmen dürfen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, kündigt unmittelbar nach dem Brief aus dem Vatikan an, trotzdem an den Plänen für den Synodalen Ausschuss festhalten zu wollen. Dieser sei "durch das römische Schreiben nicht infrage gestellt". Und auch der geplante Synodale Rat werde sich "innerhalb des geltenden Kirchenrechts bewegen". In der Tat gehen in den folgenden Monaten die Vorbereitungen für den Synodalen Ausschuss weiter.

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31. Januar bis 5. Februar: Papstreise in den Kongo und den Südsudan

Seine erste Auslandsreise im Jahr 2023 führt Papst Franziskus Ende Januar in die  Demokratische Republik Kongo und den Südsudan. In beiden Bürgerkriegsländern wirbt das Kirchenoberhaupt für Frieden und Versöhnung. Höhepunkt der Reise ist ein gemeinsamer Gottesdienst in der südsudanesischen Hauptstadt Juba mit Anglikaner-Primas Justin Welby und Ian Greenshields, dem höchsten Vertreter der schottischen reformierten Kirche. Mit ihrer beispiellosen ökumenischen Initiative wollen die drei Kirchenmänner auf ein Ende der Gewalt im mehrheitlich christlichen Südsudan drängen. Weitere Auslandsreisen führen den teilweise gesundheitlich eingeschränkten Franziskus im weiteren Jahresverlauf nach Ungarn, zum Weltjugendtag in die portugiesische Hauptstadt Lissabon, in die Mongolei und in die französische Hafenstadt Marseilles.

Themenseite: Papstreisen

5. bis 12. Februar: Kontinentale Phase des weltweiten synodalen Prozesses

Zur Vorbereitung der für Oktober geplanten Weltsynode im Vatikan treffen sich Bischöfe, Theologen und Laienvertreter aus 40 europäischen Ländern Anfang Februar in Prag. Eine Woche lang beraten die Teilnehmer in der tschechischen Hauptstadt über die Lage der katholischen Kirche und mögliche Antworten. Vorausgegangen war eine Befragung der Katholiken in allen Ortskirchen. Am Ende der Tagung steht ein zunächst nur vorläufiger Entwurf für ein 20-seitiges Abschlussdokument, in dem unterschiedliche Beiträge zusammengetragen werden. Spannungen zwischen "konservativen" und "progressiven" Strömungen werden als solche offen benannt, ebenso die Verletzungen als Folge des Missbrauchsskandals. Enthalten sind zudem divergierende Standpunkte zu Themen wie der Weihe von Frauen oder zur Inklusion von Varianten von Liebe und Sexualität, die der kirchlichen Morallehre nicht entsprechen. Konkrete Vorschläge zur Überwindung dieser Gegensätze werden in dem Text nicht gemacht. Das Papier stellt jedoch weitgehenden Konsens darüber fest, dass die synodale Form des Beratens und Entscheidens in der Kirche weiterentwickelt werden sollte.

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Bild: ©KNA/Dominik Wolf

Die Vollversammlung der deutschen Bischöfe in Dresden steht im Zeichen der beiden synodalen Großprojekte in der katholischen Kirche: dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland und dem von Papst Franziskus initiierten weltweiten synodalen Prozess.

14. Februar: Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für das Bistum Essen

423 Missbrauchsfälle und 201 Beschuldigte: Das ist das zentrale Ergebnis der Missbrauchsstudie für das Bistum Essen, die die Diözese selbst am 14. Februar veröffentlicht. Damit verzeichnet das 1958 gegründete Ruhrbistum wesentlich mehr Betroffene sexualisierter Gewalt und Täter als bisher bekannt; 2018 hatte eine andere Studie nur 60 beschuldigte Geistliche sowie 85 Betroffene seit der Gründung verzeichnet. Vertreter des Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) und des Berliner Instituts für Bildung und Forschung (Dissens), die die Studie gemeinsam durchgeführt haben, führen bei der Vorstellung aus, dass das Bistum bis ins Jahr 2010 unzureichend oder gar nicht auf Verdachtsfälle reagiert habe. Wegen dieser mangelnden Verantwortungsübernahme und der Versetzung von Tätern sei die sexualisierte Gewalt nicht gestoppt worden und die Zahl der Betroffenen gestiegen. Auch die betroffenen Kirchengemeinden hätten die Fälle oft verdrängt und sich mit den Tätern solidarisiert. Bischof Franz-Josef Overbeck zeigt sich in einer ersten Reaktion selbstkritisch mit Blick auf die Institution Kirche: Es sei viel vertuscht und kleingeredet worden. Die Bischöfe hätten nicht nur Betroffene vernachlässigt, sondern auch Kirchengemeinden alleine gelassen. Missbrauch sei nicht nur Schuld der einzelnen Täter, sondern auch ein systemisches Problem der Kirche. Nun gelte es, "sich ehrlich zu machen" und die Aufarbeitung professioneller aufzustellen.

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27. Februar bis 2. März: Vollversammlung der Bischöfe in Dresden

Erst zum zweiten Mal seit der Wiedervereinigung treffen sich die deutschen Bischöfe Ende Februar zu einer Vollversammlung in Ostdeutschland; Gastgeber ist das Bistum Dresden-Meißen mit seinem Bischof Heinrich Timmerevers. Die Versammlung in Dresden steht ganz im Zeichen der beiden synodalen Großprojekte in der katholischen Kirche: dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland und dem von Papst Franziskus initiierten weltweiten synodalen Prozess. Mit Blick auf den Synodalen Weg macht der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing am Ende der Tagung deutlich, dass eine Mehrheit der Bischöfe trotz des Widerstands aus dem Vatikan und der Ablehnung des geplanten Synodalen Rates am Reformprozess festhält. Es gehe darum, das Kirchenvolk stärker an Entscheidungen zu beteiligen. Zugleich müsse und wolle man aber mit Rom im Gespräch bleiben. Weitere Themen der Versammlung sind aktuelle Fragen des Lebensschutzes – insbesondere die Debatte um die Neureglung von Abtreibungen sowie die Suizidbeihilfe – und der weiter andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.

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3. März: Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für das Bistum Mainz

Die Studie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Mainz, die am 3. März vorgestellt wird, bescheinigt den drei früheren Bischöfen Albert Stohr (1935-1961), Hermann Volk (1962-1982) und Karl Lehmann (1983-2016) einen verheerenden Umgang mit sexuellem Missbrauch. Insbesondere dem langjährigen DBK-Vorsitzenden Lehmann wird ein Gegensatz zwischen seinem öffentlich-medialen Auftreten und seinem persönlichen Handeln attestiert. Betroffene spielten fast nie eine Rolle, vielmehr wurde darauf geachtet, das System katholische Kirche zu schützen. Dem amtierenden Bischof Peter Kohlgraf sprechen die Studienautoren die Bereitschaft zu, lernen und aufarbeiten zu wollen. Kohlgraf nehme Vorwürfe sehr ernst und verhalte sich im Umgang mit Beschuldigten sehr konsequent. Für "hoch plausibel" halten die Studienautoren, dass es 181 Beschuldigte und 401 Betroffene gibt. Das heiße aber nicht, dass die anderen Fälle unplausibel seien; auch sie seien mutmaßlich wahrheitsgemäß.

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9. bis 11. März: Fünfte Synodalversammlung des Synodalen Weges

Mit der fünften und letzten Synodalversammlung in Frankfurt am Main geht im März nach etwas mehr als drei Jahren der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland zu Ende. Zum Abschluss beschließen die 210 Synodalen mehrere Reformtexte, durch Stimmenthaltung ermöglichen einige Bischöfe wiederholt die Annahme auch strittiger Vorlagen. Unter anderem spricht sich die Versammlung dafür aus, den Papst zu bitten, den Pflichtzölibat für Priester neu zu prüfen. Zudem beschließen die Teilnehmer konkrete Reformen für den Bereich der DBK: So soll Frauen und nicht geweihten Männern künftig die Predigt in katholischen Gottesdiensten gestattet werden. Ferner soll es Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare geben und mehr Respekt in der Kirche für Menschen, die sich als Transpersonen oder nicht als Mann oder Frau sehen. Außerdem werden bei der Versammlung die noch fehlenden 20 Mitglieder für den geplanten Synodalen Ausschuss gewählt. Dieser soll die noch nicht erledigten Aufgaben des Reformprozesses fortführen und die Einrichtung des geplanten Synodalen Rates vorbereiten.

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25. März: Rücktritt von Bischof Franz-Josef Bode

Mit Franz-Josef Bode tritt Ende März erstmals ein Bischof in Deutschland im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal zurück. Der dienstälteste deutsche Diözesanbischof begründet seinen Rücktritt mit eigenen Fehlern bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. So habe der im September 2022 veröffentlichte Zwischenbericht zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück "noch einmal deutlich seine eigenen Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen vor Augen geführt", so Bode. Er bekenne sich ausdrücklich zu seiner Verantwortung als Bischof wie zu seinen persönlichen Fehlern. "Ich kann heute nur alle Betroffenen erneut um Verzeihung bitten." Der Entschluss zum Rücktritt sei in ihm in den vergangenen Monaten gereift, erklärt der Bischof. Er wünsche sich, dass vor dem Hintergrund des Vertrauensverlusts sein Rücktritt für die Menschen im Bistum auch befreiend wirken könne. Der Zeitpunkt sei auch deshalb geeignet, weil die nach der Studie von ihm angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung des Umgangs mit Fällen sexualisierter Gewalt inzwischen auf den Weg gebracht seien. Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing nimmt Bodes Rücktritt mit "großem Bedauern und Respekt" zur Kenntnis. "Gerne hätte ich Dich noch weitere Jahre an unserer Seite in der Deutschen Bischofskonferenz gesehen. Gleichzeitig verstehe ich Deine Entscheidung und die damit verbundenen Konsequenzen." Mit dem Rücktritt übernehme Bode auch Verantwortung für das "uns alle seit langem begleitende Thema des sexuellen Missbrauchs in der Kirche", so Bätzing.

Der emeritierte Freiburg Erzbischof Robert Zollitsch
Bild: ©Harald Oppitz/KNA

Die Freiburger Missbrauchsstudie wirft dem früheren Erzbischof und DBK-Vorsitzenden Robert Zollitsch Versagen und gravierende Rechtsverstöße beim Umgang mit Missbrauch vor.

29. März: Papst Franziskus im Krankenhaus

Aus gesundheitlicher Sicht ist 2023 für Papst Franziskus ein schwieriges Jahr. Wiederholt muss der Pontifex aufgrund von Erkrankungen Termine absagen, auch seine Reise zum Weltklimagipfel im Dezember in Dubai fällt der angeschlagenen Gesundheit zum Opfer. Mehrfach muss Franziskus zudem die römische Gemelli-Klinik aufsuchen. Ende März verbringt er wegen einer fiebrigen Lungenentzündung drei Tage in dem Krankenhaus. Anfang Juni wird er dort außerdem erneut am Darm operiert, was einen neuntägigen Klinikaufenthalt zur Folge hat.

18. April: Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für das Erzbistum Freiburg

Schweres Versagen und gravierende Rechtsverstöße beim Umgang mit Missbrauch: Das wirft die Missbrauchsstudie für das Erzbistum Freiburg vor allem dem früheren Erzbischof und DBK-Vorsitzenden Robert Zollitsch vor. Bei Zollitsch und seinem Vorgänger Oskar Saier habe der Schutz der Institution Kirche und der Täter über allem gestanden, erklären die Autoren der Studie bei der Vorstellung am 18. April. Für Betroffene und Angehörige habe es dagegen weder Hilfe noch Mitgefühl gegeben. Insgesamt gehen die Autoren der Studie von mehr als 250 Priestern seit 1945 aus, die des Missbrauchs schuldig sind oder beschuldigt werden; die Zahl der Opfer liege bei mindestens 540. Der aktuelle Erzbischof Stephan Burger zeigt sich nach der Vorstellung der Untersuchung erschüttert. Das Verhalten seiner Vorgänger mache ihn fassungslos. Zudem teilt er mit, dass er kirchenrechtliche Schritte gegen Zollitsch eingeleitet habe. Als Folge aus der Studie dürften Macht und Entscheidungsgewalt niemals mehr in den Händen einer "kleinen, verschworenen Gruppe" liegen.

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28. Juni: Veröffentlichung der Kirchenstatistik 2022

Die katholische Kirche in Deutschland ist im Jahr 2022 erneut stark geschrumpft. 522.821 Menschen traten aus der Kirche aus – so viele wie nie zuvor. Dies geht aus der von der DBK am 28. Juni veröffentlichten Kirchenstatistik hervor. Insgesamt liegt die Mitgliederzahl damit noch bei rund 20,9 Millionen. 2021 waren 359.338 Menschen ausgetreten – seinerzeit ebenfalls ein Rekordwert. Die Kirche verlor im vergangenen Jahr insgesamt knapp 763.000 Mitglieder durch Austritte und Todesfälle. Demgegenüber stehen rund 155.000 Neuaufnahmen durch Taufen sowie 1.445 Eintritte etwa aus anderen christlichen Konfessionen und 3.749 Wiederaufnahmen. Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing nennt die Zahlen alarmierend; man könne die Augen nicht vor dieser Entwicklung verschließen. Zugleich warnt er aber vor Resignation: "Ja, die hohen Austrittszahlen schmerzen und ich weiß, wie sehr sich Ehren- und Hauptamtliche in Pfarreien, Einrichtungen, Verbänden, Kitas, Schulen und der Caritas für andere einsetzen und wie wichtig ihnen die frohe Botschaft vom liebenden Gott ist. Lassen Sie sich nicht entmutigen. Engagieren Sie sich bitte weiter und lassen Sie die Menschen, denen Sie tagtäglich begegnen, erleben, aus welchen Quellen sich Ihr Einsatz, Ihre Freude und Ihre Hoffnung speisen. Ich glaube, dass wir eine gute Botschaft haben, die unsere Gesellschaft dringend braucht und die zukunftsfähig ist."

7. Juli: Erzbischof Georg Gänswein zieht nach Freiburg

Nach dem Tod von Benedikt XVI. wird – auch verursacht durch unklare Signale von Papst Franziskus – lange über die Zukunft seines langjährigen Privatsekretärs und Vertrauten Georg Gänswein spekuliert. Mitte Juni ist dann aber klar: Der Erzbischof kehrt auf Geheiß des Papstes in seine Heimat Freiburg zurück. Am 7. Juli zieht Gänswein in eine Wohnung im Freiburger Priesterseminar. Eine fest Aufgabe übernimmt er in der von Erzbischof Stephan Burger geleiteten Erzdiözese zunächst nicht.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Die Abschlussmesse des Weltjugendtags am 6. August mit Papst Franziskus fand im Tejo-Park in Lissabon statt.

1. bis 6. August: Weltjugendtag in Lissabon

Unter dem Leitwort "Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg" findet Anfang August in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon der 37. Weltjugendtag statt. Höhepunkt des Glaubenstreffens mit mehreren hunderttausend Teilnehmern ist die Abschlussmesse mit Papst Franziskus, an der nach offiziellen Angaben sogar rund 1,5 Millionen Menschen teilnehmen. Seine Predigt beendet der Pontifex dabei mit dem eindringlichen Aufruf: "Fürchtet euch nicht!" Die Teilnehmer sollten die Freude der Tage von Lissabon mit nach Hause zu nehmen und dort Gutes tun. "Wenn wir als Egoisten nach Hause zurückkehren, erlöscht das Licht, das wir von hier mitnehmen", so der Papst, der bei dem Gottesdienst zudem bekanntgibt, dass das nächste Welttreffen der katholischen Jugend 2027 im südkoreanische Seoul stattfindet.

Themenseite: Weltjugendtag

19. September: Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Franz Hengsbach

Es ist ein Paukenschlag, der weit über das Bistum Essen hinausreicht: Am 19. September macht die Ruhrdiözese Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen den 1991 verstorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach bekannt. Ihm, einem der prominentesten Kirchenmänner der deutschen Nachkriegsgeschichte, werden sexuelle Übergriffe gegen Minderjährige in den 1950er und 1960er Jahren vorgeworfen. Hengsbach ist damit der erste deutsche Kardinal, der unter Missbrauchsverdacht steht. Unter anderem wird er beschuldigt, 1954 in seiner Zeit als Weihbischof des Erzbistums Paderborn eine minderjährige Jugendliche sexuell missbraucht zu haben; an dieser Tat soll auch sein Bruder Paul, der ebenfalls Priester war, beteiligt gewesen sein. Der aktuelle Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der bereits seit 2011 von Missbrauchsvorwürfen gegen Hengsbach wusste, räumt nach der öffentlichen Bekanntmachung der Vorwürfe eigene Versäumnisse ein und bittet um Entschuldigung. Das Bistum Essen entfernt wenige Tage später eine Statue seines früheren Bischofs vor dem Essener Dom.

Themenseite: Missbrauch

25. bis 28. September: Vollversammlung der Bischöfe in Wiesbaden

Weil ihr traditioneller Tagungsort für die Herbst-Vollversammlungen, das Priesterseminar in Fulda, wegen Renovierungsarbeiten nicht nutzbar ist, weichen die deutschen Bischöfe Ende September in das Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden-Naurod aus. Im Mittelpunkt der Beratungen stehen die bevorstehende Weltsynode im Vatikan und der weitere Fortgang des Reformprozesses in Deutschland. Außerdem veröffentlichen die Bischöfe im Rahmen der Vollversammlung eine Arbeitshilfe zum Thema "geistlicher Missbrauch". Zum Abschluss der Tagung wird zudem bekannt, dass die Kirche am bestehenden System der freiwilligen Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer festhält. Es sehe bereits jetzt vor, dass sich die individuellen Zahlungen "am oberen Bereich" der durch staatliche Gerichte zuerkannten Schmerzensgelder orientierten, so der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing.

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30. September: Konsistorium im Vatikan

Bei einem Konsistorium im Vatikan ernennt Papst Franziskus am 30. September 21 neue Kardinäle. Von den neuen Purpurträgern sind 18 jünger als 80 Jahre und damit zur Teilnahme an einer Papstwahl berechtigt. Unter den neuen Kardinälen sind mit Robert Prevost, Claudio Gugerotti und Victor Fernández unter anderem drei Leiter wichtiger Vatikanbehörden sowie mehrere Leiter von Ortskirchen in unterschiedlichen Ländern und Erdteilen. Einer der bekanntesten unter ihnen ist Pierbattista Pizzaballa, als Lateinischer Patriarch von Jerusalem einer der höchstrangigen Vertreter der katholischen Kirche im Nahen Osten. Ein Deutscher ist erneut nicht unter den neuen Kardinälen.

4. Oktober: Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens "Laudate Deum"

"Laudate Deum" – unter diesem Titel veröffentlicht Papst Franziskus Anfang Oktober ein neues Apostolisches Schreiben über die Klimakrise. In dem an "alle Menschen guten Willens" gerichteten Text fordert das Kirchenoberhaupt von Regierungen, Unternehmen und jedem Einzelnen, rasch die notwendigen Schritte zu ergreifen, um eine Ausweitung von Klimakatastrophen zu verhindern. Kritikern an der Theorie der Erderwärmung hält der Papst in dem Schreiben entgegen, der menschengemachte Ursprung des Klimawandels könne "nicht mehr bezweifelt werden". Dabei richtet sich Franziskus auch an Klimaleugner in der Kirche. "Laudate Deum", das als Fortsetzung seiner Umweltenzyklika "Laudato si" von 2015 angekündigt wurde, wird international sehr positiv aufgenommen.

Die Synodenaula
Bild: ©Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

Die Synodenaula während der Weltsynode im Oktober im Vatikan.

4. bis 29. Oktober: Weltsynode im Vatikan

Vier Wochen lang beraten mehr als 300 Teilnehmer bei der ersten Sitzung der Weltsynode zur Synodalität im Vatikan gemeinsam mit Papst Franziskus über zentrale Zukunftsfragen der katholischen Kirche. Unter anderem geht es bei den Beratungen um Hierarchien, die Rolle von Frauen in der Kirche und den Platz für Angehörige sexueller Minderheiten. Erstmals dürfen bei einer Bischofssynode auch Frauen mit abstimmen. Am Ende der Synode beschließen die Teilnehmer Grundlagen für künftige Kirchenreformen. Unter anderem stimmen sie mit einer sehr breiten Mehrheit für die Prüfung theologischer und kirchenrechtlicher Veränderungen, die in einem nächsten Schritt konkrete Reformen ermöglichen. In dem Abschlussdokument wird der "Konsens der Gläubigen" als ein Kriterium für Glaubensfragen genannt. Ausdrücklich befürwortet die Synode zudem das Bemühen um eine veränderte Sexualmoral sowie um eine verständliche und geschlechtergerechte Sprache bei Gottesdiensten. In der Frage des Zugangs von Frauen zu kirchlichen Weiheämtern hält die Synode unterschiedliche Meinungen fest, die nicht in einen Konsens mündeten. Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland äußern sich nach der Synode erfreut über den Abschlusstext.

Themenseite: Weltweiter synodaler Prozess

10./11. November: Konstituierung des Synodalen Ausschusses

Nach vielen Diskussionen im Vorfeld, Absagen mehrerer Diözesanbischöfe und Unsicherheiten über seine Finanzierung konstituiert sich Mitte November in Essen der Synodale Ausschuss. Bei dem Treffen verständigen sich die Teilnehmer einstimmig auf eine Satzung und eine Geschäftsordnung für die weitere Arbeit. Damit die Satzung in Kraft treten kann, muss sie allerdings noch von den Trägern des Synodalen Wegs – DBK und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – beschlossen werden. Das ZdK gibt bei seiner Vollversammlung Ende November grünes Licht, die Bischöfe wollen bei ihrer nächsten Vollversammlung im Februar in Augsburg abstimmen. Der Synodale Ausschuss soll in den kommenden drei Jahren die Einrichtung eines Synodalen Rates vorbereiten. In diesem neuen Gremium wollen Bischöfe und Laien ihre Beratungen über mögliche Reformen in der Kirche fortsetzen. Dabei sollen die Laien die Bischöfe nicht nur beraten, sondern auch gemeinsam mit ihnen entscheiden. Der Vatikan und eine kleine Gruppe von Diözesanbischöfen steht diesem Vorhaben ablehnend gegenüber. Kurz nach der Konstituierung des Synodalen Ausschusses wird ein Brief von Papst Franziskus an vier Kritikerinnen der deutschen Reformbemühungen bekannt. Darin äußert sich der Pontifex erneut kritisch zu den Reformideen des Synodalen Wegs. Er teile die "Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen", so Franziskus.

Themenseite: Der Synodale Weg der Kirche in Deutschland

14. November: Veröffentlichung der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung

Immer weniger Menschen in Deutschland sind religiös, viele haben kein Vertrauen mehr in die Kirchen: Das sind zwei zentrale Ergebnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) der evangelischen Kirche, an der sich erstmals auch die katholische Kirche beteiligt hat. Für fast 8 von 10 der insgesamt 5.282 Befragten hat Religion gar keine (38 Prozent) oder nur wenig (40 Prozent) Bedeutung. Selbst unter den Kirchenmitgliedern verstehen sich nur noch 4 (katholisch) und 6 Prozent (evangelisch) als gläubig und kirchennah. 9 Prozent aller Befragten sagten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche waren es 24 Prozent. 43 Prozent der katholischen und 37 Prozent der evangelischen Mitglieder werden in der Untersuchung als "austrittsgeneigt" eingestuft. Die Studie zeigt aber auch, dass die Menschen nicht gleichgültig gegenüber den Kirchen eingestellt sind. Unter anderem sagten 96 Prozent der Katholiken und 80 Prozent der Protestanten, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle.

2. Dezember: Rücktritt von Bischof Gebhard Fürst

Seit dem Jahr 2000 steht Gebhard Fürst an der Spitze des Bistums Rottenburg-Stuttgart – doch am 4. Dezember geht seine lange Amtszeit zu Ende. Zwei Tage nach Fürsts 75. Geburtstag nimmt Papst Franziskus das aus Altersgründen eingereichte Rücktrittsgesuch des Bischofs an. Fürst war zuletzt der dienstälteste deutsche Diözesanbischof. In der Bischofskonferenz war er unter anderem lange Jahre Vorsitzender der Publizistischen Kommission, außerdem war er von 2000 bis 2016 Geistlicher Assistent des ZdK. Nach Fürsts Rücktritt wählt das Rottenburger Domkapitel den bisherigen Generalvikar Clemens Stroppel zum Diözesanadministrator.

9. Dezember: Ernennung neuer Erzbischöfe für Bamberg und Paderborn

Es ist ein ungewöhnlicher "Doppelschlag": Erstmals werden in Deutschland an einem Tag gleichzeitig zwei Bischofsstühle neu besetzt. Papst Franziskus ernennt den bisherigen Bamberger Weihbischof Herwig Gössl zum Erzbischof der fränkischen Diözese und den bisherigen Mainzer Weihbischof und Generalvikar Udo Bentz zum neuen Erzbischof von Paderborn. In beiden Erzdiözesen dauerte die Sedisvakanz über ein Jahr, nachdem der Pontifex im Herbst 2022 das Rücktrittsgesuch der jeweiligen Vorgänger Ludwig Schick (Bamberg) und Hans-Josef Becker (Paderborn) angenommen hatte. Im Vorfeld der Ernennungen hatte es Erwartungen gegeben, dass der Papst mit ihnen ein Signal hinsichtlich der Reformdebatten in der Kirche in Deutschland setzen könnte. Für eine gezielte Kurskorrektur geben die Personalien laut Beobachtern jedoch keinen Anhaltspunkt.

Von Steffen Zimmermann