Standpunkt

Kirche braucht ehrliche Auseinandersetzungen statt falscher Harmonie

Veröffentlicht am 06.12.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beklagt eine Polarisierung in der Kirche durch den Synodalen Weg. Da hat er unrecht, schreibt Christoph Paul Hartmann. Denn gerade durch den Synodalen Weg sind die Gläubigen erst ehrlich zueinander geworden.

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Durch den Synodalen Weg sei die Kirche in Deutschland polarisiert worden – meint der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. "Spannungen gab es auch vorher schon, das wissen wir alle. Aber nun treten diese so stark hervor, dass ich mir zunehmend Sorgen mache", sagte der Erzbischof vor dem Diözesanrat seines Erzbistums. Doch der Kardinal hat unrecht: Es braucht genau diese ehrliche Auseinandersetzung.

Denn wer mit offenen Augen auf die Kirche (nicht nur) in Deutschland der vergangenen zehn Jahre geblickt hat, konnte sehen, dass es schon vor dem Synodalen Weg sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft der Kirche gab. Diese übrigens sogar bei Kardinal Woelki vor der Haustür: Denn zwischen der konservativen Wallfahrtskirche und dem progressiven Kunstzentrum gibt es dort kirchlich gesehen eine sehr große Bandbreite.

Der Unterschied des Synodalen Wegs war nicht, dass er diese Polarisierungen produziert hat – sondern dass sie öffentlich sichtbar wurden. Wurden die Meinungen der Gläubigen in vergangenen Zeiten bestenfalls ignoriert, kamen sie mit dem Synodalen Weg ins Wort, jede Perspektive legte ihre Karten auf den Tisch. Dadurch wurde über Grundsätzliches bis hin zu Detailfragen in der Kirche gestritten und gerungen.

Genau dieser Prozess ist etwas genuin Positives. Denn verschiedene Meinungen schlicht unter dem Deckel zu halten, hilft niemandem. Die Auseinandersetzung, die Reibung, der Streit bringt nach vorn. Wenn jeder sich erklären muss, werden die Gläubigen ehrlich zueinander. Die Fronten werden klar – und ebenso, welche Auseinandersetzungen noch ausgefochten werden müssen.

Dass Manche – wie Woelki, aber da ist er nicht allein – genau dies bedauern, zeigt eine Sehnsucht nach der "guten alten Zeit", in der abweichende Meinungen nicht selten unterdrückt wurden. Um aber in der zeitgenössischen Gesellschaft satisfaktions- und anknüpfungsfähig zu sein, müssen die Fragen der Gläubigen ehrlich ausdiskutiert werden. Und das über die Grenzen Deutschlands hinaus: Bei der Weltsynode wurde deutlich, dass sich Christinnen und Christen weltweit die gleichen Fragen stellen wie jene in Deutschland. Damit hat der Synodale Weg bereits einiges angestoßen. Das muss nun mutig verfolgt werden – ohne eine falsche Sehnsucht nach nur vorgeblicher Harmonie.

Von Christoph Paul Hartmann

Der Autor

Christoph Paul Hartmann ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.