Knop zu Parolin: "Nicht verhandelbar" ist Geschlechtergerechtigkeit
In der letzten Zeit äußerte sich Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin markant zum Priesteramt. Im November reagierte er in einer offiziellen Note an die Deutsche Bischofskonferenz auf zwei Voten des Synodalen Wegs, die kirchliche Lehre zur Frauenordination und zu queerer Sexualität zu überprüfen. Seine Antwort: "Nicht verhandelbar". Anfang Dezember verteidigte er in einer "Botschaft" an 600 französische Seminaristen den Zölibat als Kern priesterlicher Identität. Er beruhigte die jungen Männer angesichts der gravierenden Anfragen an den Priesterberuf: "Erschreckt euch deswegen nicht allzu sehr: Niemand hat die Macht, das Wesen des Priestertums zu ändern, und niemand wird es jemals ändern."
Nun gehört es zum kleinen Einmaleins der Dogmengeschichte, dass sich das Priesteramt im Laufe von 2.000 Jahren erheblich verändert hat. Das Zweite Vatikanische Konzil hat nach einer wechselvollen, an Um- und Abwegen reichen Geschichte wichtige Korrekturen vorgenommen. Die Texte verankern den Priester wieder im gemeindebezogenen, nichtsakralen Amtsverständnis der frühen Kirche. Er ist Presbyter, nicht Sacerdos. Dass dieser Paradigmenwechsel in der Nachkonzilszeit weder im Kirchenrecht noch in der Liturgie noch in kirchlich gewünschter Priesterspiritualität angemessen Niederschlag gefunden hat, ist Teil des Problems, nicht der Lösung, aber kein Beleg für ein unveränderbares Priestertum.
Parolins Formulierungen helfen wenig weiter
Die Formulierungen "nicht verhandelbar" und "nicht veränderbar" helfen historisch und theologisch also wenig weiter. Trotzdem sind sie aufschlussreich: Mit der Formulierung "nicht verhandelbar" markiert die Nummer zwei im Vatikan unverstellt, dass Geschlechterfragen in der Kurie nicht als Sach-, sondern als Machtfragen behandelt werden. Parolin macht deutlich, dass man in Rom keinerlei Klärungsbedarf hinsichtlich der eigenen Lehrtradition sieht, wohl aber hinsichtlich der Akteure am vatikanischen "Verhandlungstisch". Dass "niemand die Macht [hat], das Wesen des Priestertums zu ändern", ruft die Machtfrage auf und weist sie direkt zurück. "Niemand hat die Macht", nicht einmal die höchste kirchliche Lehrautorität, also ein Papst oder Konzil. Selbst wenn sie wollten – sie könnten das Priesteramt in seiner jetzigen Gestalt (männlich, zölibatär, vielfach angefragt) nicht verändern.
Johannes Paul II. setzte ganz ähnlich an, um die Debatte über die Frauenordination zu beenden. Er erklärte am 22. Mai 1994 im Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis, "dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben". Nota bene: an diese Entscheidung, also an sein Urteil über die Grenzen der eigenen Vollmacht. Selbst wenn er wollte – er dürfte das Priesteramt nicht für Frauen öffnen.
Ob die Kirche die Vollmacht habe, ihre eigene Tradition, also Lehre, Verfassung und Liturgie, aktiv zu gestalten, stand jedes Mal zur Debatte, wenn solche Änderungen autoritativ vorgenommen wurden. Dazu könnte man weit ausholen. Hier reichen zwei Beispiele, beide aus dem kirchlich sensiblen Feld der Sakramenten- und Amtstheologie, beides hochrangige und wirkungsvolle Dokumente: die Apostolische Konstitution Sacramentum Ordinis vom 30. November 1947 von Pius XII. über Materie und Form des Weihesakraments (Lateinisch-deutsch nachzulesen in: Denzinger-Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Nr. 3857–3861.) und die von Paul VI. approbierte Erklärung der Glaubenskongregation Inter Insigniores zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt (15. November 1976), also der Vorläufer von Ordinatio Sacerdotalis. (Nachzulesen in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 117, in dem auch Ordinatio Sacerdotalis und verschiedene Kommentare abgedruckt sind.)
Erstes Beispiel: In Sacramentum Ordinis legte Pius XII. die zur Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe nötigen Zeichen fest: Handauflegung und Weihegebet – nichts anderes (DH 3860). Er erklärte, dass die Übergabe von Kelch und Hostienschale "nicht zum Wesen und zur Gültigkeit dieses Sakraments erforderlich ist" (DH 3858). Dazu gab es im Laufe der Zeit unterschiedliche Traditionen. Vielerorts hatte man diesen Ritus für zwingend nötig gehalten, andernorts gab es ihn gar nicht oder er hatte nur symbolische Bedeutung. Pius XII. vereindeutigte also kraft Apostolischer Autorität eine bis dato uneinheitliche Lehre und Praxis. Er definierte bis in den Wortlaut hinein die Minimalbedingungen eines "gültig gespendeten" (für legitim und gnadenwirksam gehaltenen) Sakraments. Dazu sah er sich fraglos ermächtigt: Wenn die Übergabe der liturgischen Geräte "nach dem Willen und der Vorschrift der Kirche einmal auch zur Gültigkeit notwendig war, so wissen alle, dass die Kirche, was sie festgelegt hat, auch verändern und abschaffen kann" (DH 3858). Das weiß doch jeder, dass die Kirche ihre eigenen Beschlüsse revidieren kann! So unverstellt und lakonisch liest man es selten aus päpstlicher Feder – ausgerechnet in einem Bereich, der kirchlich ans Eingemachte geht.
Der Priester sei sakramentales Zeichen für Jesus
Zweites Beispiel: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts revidierten viele christliche Kirchen ihre bisherige Praxis, nur Männer zu ordinieren. Als die anglikanische Kirche die Frauenordination einführte, schloss Paul VI. dies für die römisch-katholische Kirche aus. Die Glaubenskongregation erläuterte 1976 in Inter Insigniores, warum. Diese Punkte werden seither, unbeeindruckt von theologischer Kritik, lehramtlich vorgetragen: Jesus habe beim letzten Abendmahl absichtsvoll mit Blick auf die Verfassung der künftigen Kirche einen rein männlichen Apostelkreis kreiert. Das binde die Kirche in der Gestaltung ihrer Ämter. Das Geschlecht zähle zur Substanz des Amtspriestertums. Der Priester sei, wenn er in persona Christi handle, sakramentales Zeichen für Jesus und müsse deshalb einen männlichen Körper haben – ein derzeit vom Vatikan immer stärker forcierter Aspekt.
Es gebe überdies eine einvernehmliche katholische und bis in die 1970er Jahre auch ökumenische Tradition, das Weiheamt in der apostolischen Sukzession Männern vorzubehalten. Seither lautet das Narrativ der römisch-katholischen Kirche: Nicht sie, die sich den emanzipatorischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts apodiktisch verweigerte, geht einen ökumenischen Sonderweg. Vielmehr scherten jene Kirchen aus, die sich ermächtigt und verpflichtet sahen, die Frauenordination einzuführen, um dem Anspruch des Evangeliums in unserer Zeit zu genügen. Das sind die meisten evangelischen Kirchen, viele Freikirchen, die amtstheologisch eng verwandte anglikanische und die altkatholische Kirche, Teile der griechisch-orthodoxen (Diakonat) und seit kurzem auch die neuapostolische Kirche.
Der Erklärung Inter Insigniores ist ein langer römischer Kommentar beigefügt, der ausgerechnet das erwähnte Schreiben von Pius XII. zitiert. Allerdings nicht das lakonische "Alle wissen, dass die Kirche, was sie festgelegt hat, auch verändern kann", sondern ein Abschnitt, in dem Pius XII. seinerseits das Konzil von Trient zitiert, dass "der Kirche keine Vollmacht über das 'Wesen der Sakramente' zusteht" (DH 3857). Das liest sich erstmal restriktiv. Im Kommentar zu Inter Insigniores dient es auch dazu, Pauls VI. restriktive Entscheidung zu untermauern: Selbst wenn er wollte – er dürfte die Frauenordination nicht zulassen. Aber es lohnt sich wieder, genau zu lesen. Die Passage aus dem Tridentinum diente 1562 gar nicht dazu, den Entscheidungsspielraum des Konzils zu begrenzen. Vielmehr sollte die Vollmacht der Kirche über die Sakramente legitimiert werden. Künftig möge als "Gesetz" angesehen werden, den Gläubigen die Kommunion nur in Form des Brotes zu reichen, auch wenn "vom Anfang der christlichen Religion an der Gebrauch beider Gestalten (Brot und Wein) nicht selten gewesen war." Davor heißt es: "Stets lag bei der Kirche die Vollmacht, bei der Verwaltung der Sakramente – unbeschadet ihrer Substanz – das festzulegen oder zu verändern, was nach ihrem Urteil dem Nutzen derer, die sie empfangen, … zuträglicher ist." (DH 1728)
Auch Pius XII. zitierte Trient nicht, um seinen Entscheidungsspielraum einzugrenzen, sondern um sein Recht zu reklamieren, korrigierend in Lehre und Praxis einzugreifen. Unbeschadet der Substanz eines Sakraments müsse die Zeichensprache stimmen, meinte er. Handauflegung und Weihegebet verdeutlichten auch ohne Übergabe der Geräte, was die Weihe bewirkt, "nämlich die Vollmacht und die Gnade" (DH 3858). Aber, so könnte man einwenden, besagt "unbeschadet der Substanz eines Sakraments" nicht genau das, was Paul VI., Johannes Paul II. und Pietro Parolin anführen: Die Substanz der Sakramente ist tabu – auch für Papst und Konzil? "Niemand hat die Macht, das Wesen des Priestertums zu ändern, und niemand wird es jemals ändern."
Nur: Geht das überhaupt, in Lehre oder Ritus Wesentliches vom Unwesentlichen exakt zu unterscheiden? Und wer sollte das tun? Wer definiert die Grenzen päpstlicher Vollmacht? Auch dazu ist im Kommentar zu Inter Insigniores Aufschlussreiches zu lesen. Direkt nach der Referenz auf Trient und Pius XII., dass "die Kirche keine Vollmacht [hat], über das Wesen der Sakramente selbst zu verfügen", heißt es: "Ihr selbst aber kommt es zu, darüber zu befinden, was zum 'Wesen der Sakramente' gehört und was die Kirche ggf. näher umschreiben bzw. abändern kann" (VApSt 117, S. 45.). Eben diese Autorität beanspruchte Johannes Paul II., als er die Gläubigen darauf verpflichtete zu glauben, dass Männlichkeit wesentlich sei, um in persona Christi handeln zu können, und dass die Frauenordination deshalb tabu sei. Diese im Gestus der Ohnmacht vorgetragene Position, keine Vollmacht zu haben, Frauen zu weihen, überdeckt sehr effektiv den Anspruch, die Reichweite der eigenen Vollmacht selbst zu bestimmen.
Spätestens an diesem Punkt sollte man sich aber ehrlich machen. Wer souverän definiert, was er kraft Amtes darf und was nicht, muss sich fragen lassen, ob er wirklich nicht darf – oder ob er nicht will. Er mag "die Frauenfrage" in der römisch-katholischen Kirche wie Parolin als "nicht verhandelbar" oder seit Ordinatio Sacerdotalis für nicht mehr diskutabel erklären. Beantwortet ist sie damit nicht. "Nicht verhandelbar" ist nicht die Frauenordination, sondern Geschlechtergerechtigkeit. Denn Geschlechtergerechtigkeit ist keine Gnade, die Männer Frauen gewähren könnten. Sie ist ein Anspruch, den man im 21. Jahrhundert nicht unterbieten oder zur Disposition stellen darf. Auch nicht aus religiösen Gründen. Aber solange in der Kirche nur Männer die Macht haben, Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen, sind sie auch in der Verantwortung, dies zu tun. Die Weltsynode wäre der geeignete Raum dafür.