Praktische Gründe und persönliche Vorlieben: Grabstätten der Päpste
Papst Franziskus hat offensichtlich eine besondere Beziehung zur bedeutendsten Marienkirche Roms: der Basilika Santa Maria Maggiore. Vor und nach jeder Reise besucht der argentinische Pontifex das Gotteshaus, das zu den sieben Pilgerkirchen der Ewigen Stadt gehört. 2020 machte sich Franziskus zu Fuß zu dem in Santa Maria Maggiore befindlichen Marienbild "Salus populi Romani" ("Heil des römischen Volkes") auf, um das Ende der Corona-Pandemie zu erflehen. Erst vergangene Woche ehrte der Papst die Ikone am Hochfest Mariä Empfängnis mit einer Goldenen Rose – einer päpstlichen Ehrenauszeichnung, die an Persönlichkeiten, Städte oder Kirchen verliehen werden kann.
Es dürfte also eigentlich nicht überraschen, dass das Kirchenoberhaupt in einem am Mittwoch veröffentlichten Fernsehinterview verriet, dass es in der römischen Marienkirche seine letzte Ruhestätte finden möchte. Er habe bereits Vorkehrungen für eine Bestattung in Groß-Sankt-Marien getroffen, so Franziskus. Dennoch zeigten sich nach der Ankündigung des Papstes nicht wenige Beobachter verwundert. Ein englischsprachiges Medium titelte sogar: "Der Papst möchte nicht mit den anderen Päpsten beerdigt werden." In dieser merkwürdigen Überschrift spiegelt sich die heute selbst unter Katholiken weit verbreitete Auffassung wider, dass alle Päpste im Petersdom bestattet werden. Und tatsächlich: Seit mehr als hundert Jahren ist es nahezu selbstverständlich üblich, dass die Stellvertreter Christi auf Erden ihre letzte Ruhestätte in Sankt Peter finden. Doch das ist kein feststehendes Gesetz und war keineswegs immer so – auch wenn der Petersdom als Begräbnisstätte der Päpste eine hervorgehobene Stellung einnimmt.
Die Grabstätten der Päpste der ersten zwei Jahrhunderte werden nahezu alle in der vatikanischen Nekropole vermutet und damit unter dem heutigen Petersdom. Der Grund für die Errichtung der ersten Peterskirche über dem antiken Gräberfeld ist die Annahme, dass sich das Grab des heiligen Petrus an jener Stelle befindet. Beginnend mit dem heiligen Papst Zephyrinus (vermutlich 199-217) fanden viele Bischöfe von Rom ihre letzte Ruhestätte in verschiedenen Kirchen der Stadt, nachdem ihre Gebeine manchmal auch aus den Katakomben umgebettet worden waren. Einer der ersten Päpste, der nicht in Rom beigesetzt wurde war Hadrian III. (884-885) – was allerdings praktische Gründe hatte: Hadrian kam auf einer Reise zum Reichstag in Worms gewaltsam bei Modena zu Tode und wurde in der nahegelegenen Abtei Nonantola beigesetzt.
Mehrere Kirchen als wichtige Grablegen
Im Lauf der Jahrhunderte etablierten sich mehrere Kirchen Roms als wichtige päpstliche Grablegen – allen voran der Petersdom, der mit der letzten Ruhestätte des ersten Nachfolgers Christi in besonderem Maß für die Verbindung zu den Anfängen des Christentums steht. In Sankt Peter befinden sich 164 Papstgräber der insgesamt 265 verstorbenen Päpste. Auch in der Lateranbasilika, der eigentlichen Bischofskirche der Päpste, finden sich zahlreiche päpstliche Ruhestätten. Die bedeutendste ist das Grabmal von Martin V. (1417-31), des ersten Papstes nach dem Großen Abendländischen Schisma (1378-1417). An diesem Beispiel zeigt sich, dass mit den letzten Ruhestätten der Päpste auch Kirchenpolitik betrieben wurde: Die Grablege Martins V. im Lateran sollte die wiederhergestellte Beständigkeit des römischen Papsttums manifestieren. Santa Maria Maggiore kann ebenfalls mit mehreren Papstgräbern aufwarten: Sieben Päpste sind dort begraben worden, wobei das Grab von mindestens einem Pontifex über die Jahrhunderte verloren gegangen ist.
Franziskus' Vorliebe für Groß-Sankt-Marien lässt sich wahrscheinlich mit seiner Zugehörigkeit zum Jesuitenorden erklären, glaubt der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti. "In Santa Maria Maggiore feierte der Gründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola, seine Primiz – also seine erste Heilige Messe nach der Priesterweihe", sagt der Theologieprofessor. Außerdem hätten die Jesuiten-Missionare, bevor sie Rom in Richtung ihrer neuen Wirkungsstätten in Übersee verließen, eine Reproduktion der Marienikone "Salus populi Romani" erhalten. Von dieser Tradition wisse der Jesuiten-Papst Franziskus, so Ernesti. Ferner liegt in Santa Maria Maggiore auch der erste Papst aus dem Franziskanerorden begraben, Nikolaus IV. (1288-92). Den heutigen Papst und den ehemaligen Ordensgeneral der Franziskaner verbindet, dass sie das Armutsideal des "Poverello" aus Assisi in den Vatikan getragen haben. Ganz davon abgesehen, dass Nikolaus IV. fast auf den Tag genau 725 Jahre vor Franziskus den Papstthron bestiegen hat.
Die persönliche Vorliebe für eine bestimmte Kirche oder Ordensspiritualität macht Ernesti als Grund bei vielen Entscheidungen von Päpsten mit Blick auf ihre letzte Ruhestätte aus. Als Beispiele nennt er die beiden letzten Päpste vor Franziskus, die nicht im Petersdom bestattet wurden. Zum einen sei da Pius IX. (1846-78), dessen Grab sich in der römischen Basilika Sankt Laurentius vor den Mauern befindet. "Pius IX. war vor seiner Wahl zum Papst unter anderem Leiter eines Waisenhauses gewesen und der Caritas sehr zugetan." Daher sei die Bestattung in San Lorenzo, wie die Basilika auf Italienisch genannt wird, eine Rückkehr zu Wurzeln von Pius. "Schließlich ist Laurentius Diakon und damit für die Sorge um die Armen zuständig gewesen", so Ernesti. Allerdings sei Pius IX. nach seinem Tod zunächst im Petersdom bestattet worden. "Drei Jahre später wurde sein Leichnam in einer Nacht- und Nebelaktion nach San Lorenzo überführt – begleitet von Protesten, denn damals befand sich die Kirche nicht mehr auf dem Gebiet des Kirchenstaates." Den Gläubigen missfiel es, dass der Leichnam des Papstes ins Ausland umgebettet wurde.
Auch in Hamburg gab es ein Grab
Zum anderen erinnert Ernesti an Leo XIII. (1878-1903), der ebenfalls zunächst in Sankt Peter bestattet und dann in die Lateranbasilika überführt wurde. "Leo wurde in das Grab gegenüber von Innozenz III. (1198-1216) gelegt", sagt der Kirchenhistoriker. Der Grund dafür liegt in der gemeinsamen Heimat beider Päpste: "Leo stammte aus einem Nachbarort der Geburtsstadt des äußert bedeutsamen Mittelalter-Papstes und fühlte sich ihm verbunden." Außerdem hatte Leo einige bauliche Änderungen an der Lateranbasilika vornehmen lassen, wie etwa den kompletten Abriss der Apsis und ihre historistische Rekonstruktion. Nach Leo veränderte sich ein Detail der Bestattung der Päpste: Er war der letzte Bischof von Rom, dem die Organe vor der Beisetzung entnommen wurde. Sein Nachfolger Pius X. (1903-14) wünschte dies ausdrücklich nicht. Bei Johannes Paul II. wurde sein Herz daher auch erst nach der Heiligsprechung entnommen.
Doch nicht nur in Rom oder Italien, auch in mehreren anderen Ländern befinden sich Papstgräber – inklusive Deutschland. Im Bamberg kann im dortigen Dom die einzige Grabstätte eines Pontifex nördlich der Alpen bestaunt werden. Clemens II. (1046-47) hatte auch als Papst seinen bisherigen Bischofssitz in Bamberg nicht aufgegeben und ließ sich daher nach seinem Tod in seiner Bischofskirche im Bamberg begraben. Und auch in Hamburg gab es ein Papstgrab, das allerdings nicht mehr erhalten ist: Nach seiner Absetzung und Verbannung aus Rom wurde Benedikt V. (964) ins Exil nach Norddeutschland geschickt. Er starb kurz nach seiner Ankunft dort; mehrere Jahrzehnte später wurden seine Gebeine nach Rom gebracht. Seitdem gab es in Hamburg ein Kenotaph, ein leeres Grabmal, das allerdings im 18. Jahrhundert verloren ging. Erst 1949 wurden einige Reste des Grabmals bei Ausgrabungen wiedergefunden. Eine besonders gute Beziehung hatte Benedikt zu seiner letzten Ruhestätte Hamburg übrigens nicht: Der Sohn einer römischen Familie soll das nordische Klima gehasst haben. Es mache es unmöglich, dass ein "italisch Herz warm" werde, heißt es in einer Chronik.