Streit um Entschädigungszahlung für Missbrauch wirft Fragen auf
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Von Veränderungen in der katholischen Kirche, Paradigmenwechseln gar, war kurz vor Weihnachten viel die Rede. Eine Entscheidung des Augsburger Bischofs Bertram Meier ging da fast unter: Das Bistum weigert sich derzeit, einem Missbrauchsopfer die von der "Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen" (UKA) zugesprochene Entschädigung von 150.000 Euro auszuzahlen.
Die Begründung, kurzgefasst: Erstens seien die Angaben des Betroffenen zu den Folgeschäden des Missbrauchs für sein gesamtes Leben widersprüchlich. Mit eigener Familie und beruflichem Erfolg könne es ihm so schlecht nun auch wieder nicht gegangen sein. Die Verdreifachung der zuvor beschlossenen Entschädigung sei zweitens nicht nachvollziehbar. Und drittens rücke die UKA das gesamte Verfahren in die Nähe von Schmerzensgeldprozessen vor Zivilgerichten, indem sie die Höchstbeträge an deren Urteile anpasse. Ein solcher "Paradigmenwechsel" sei – wenn überhaupt – nur mit einem eigenen Votum der Bischofskonferenz möglich.
Sämtliche Argumente stehen in eklatantem Widerspruch zu den Einlassungen, mit denen die Bischofskonferenz ihr Anerkennungsverfahren 2020 etabliert hat. Die Bistümer wollten die Prüfung von Entschädigungsanträgen einer "unabhängigen" Instanz überlassen. Für die Zahlungen sollte kein gerichtsfester Nachweis erforderlich sein, von "niedrigen Hürden" war die Rede. Und vor allem: Die Höhe der Entschädigungen sollte sich an den Entscheidungen staatlicher Gerichte orientieren. Nach dem Urteil des Landgerichts Köln, das dem ehemaligen Messdiener Günter Menne im Juni einen Betrag von 300.000 Euro zugesprochen hatte, erwartete die Bischofskonferenz für die UKA noch im September wie selbstverständlich eine "deutliche Dynamisierung der Bescheidhöhen".
Zwar haben die Bischöfe 2020 bestimmt, dass Entschädigungen von mehr als 50.000 Euro der Zustimmung der Bistümer bedürfen, die jeweils die Zahlung leisten müssen. Diese Zustimmung wurde aber laut UKA bisher in allen 143 Fällen erteilt (Stand: 2022). Mit seinem Ausscheren macht das Bistum Augsburg nun eine Stimmung manifest, die auch andernorts wabern soll. Setzte sich das in der Breite durch, wäre es der Todesstoß für das UKA-System, in dem Transparenz und die "Unabhängige" Arbeit der Kommission (mit großem U) ohnehin in Frage standen. Es wäre auch das Armutszeugnis einer steinreichen Kirche. Sollten all die vollmundigen Beteuerungen nichts mehr wert sein, wenn es spürbar ans Geld geht?
Es liege im Interesse der Betroffenen, dass "die finanziellen Möglichkeiten der Bistümer nicht vollständig außer Acht gelassen" würden, so erklärte das Bistum Augsburg im Bericht der WDR-Journalistin Christina Zühlke seine Haltung. Schon beim Blick auf die Vermögensverhältnisse nicht nur des Bistums Augsburg muss das wie blanker Hohn klingen. Schlimmer noch: Wieder einmal will die Organisation der Täter und Vertuscher den Opfern sagen, was "in Wahrheit" gut für sie ist – und damit auch gut genug. Nicht nur für die Betroffenen ist diese doppelte Herablassung – Genugtuung nach Gutdünken – erneut ein Tiefschlag.
Der Autor
Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.